„Kann nur einen Kapitän geben“Was der Insolvenzverwalter zum Spargelhof Ritter sagt

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Werbeschilder und Verkaufsstände stehen noch an den Straßen und in den Feldern.

Werbeschilder und Verkaufsstände stehen noch an den Straßen und in den Feldern.

  • Dr. Andreas Schulte-Beckhausen ist Jurist und praktiziert in Bonn.
  • Er wurde zum Insolvenzverwalter im Betrieb von Landwirt Claus Ritter bestellt.
  • Mit ihm sprach Jacqueline Rasch.

Bornheim – Herr Dr. Schulte-Beckhausen, wie gehen Sie an solch ein Insolvenzverfahren heran? Ich lerne die Beteiligten kennen, wir sprechen darüber und schauen, wie die Situation ist. Mein Ziel ist immer, wenn möglich, eine übertragende Sanierung hin zu bekommen. Ich finde eine bestimmte Vermögensmasse und als Insolvenzverwalter muss ich dieses Vermögen verwerten, damit die Gläubiger befriedigt werden können.

Das sagt die Staatsanwaltschaft

Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bornheimer Unternehmer Claus Ritter. Das bestätigte der stellvertretende Pressesprecher Alexander Klingberg auf Anfrage.

Ermittelt wird wegen Unterschlagung mehrerer hochpreisiger Fahrzeuge; in diesem Fall sei eine Strafanzeige der Leasinggesellschaft eingegangen, von der Claus Ritter die Fahrzeuge geliehen hatte. Er habe die Fahrzeuge, deren Eigentümer er nicht war, weiterveräußert und dazu Papiere im Straßenverkehrsamt erlangt. Zudem habe er Vermögenswerte entzogen und Arbeitnehmern Sozialbeiträge vorenthalten. Klingberg: „Das werden umfangreiche Ermittlungen.“ (jr)

Wenn ich einen positiven Unternehmenskern vorfinde, den ich weiterentwickeln und stabilisieren kann, kann ich die Werte insgesamt auch verkaufen und damit möglichst auch Arbeitsplätze sichern. Dann kann ein Betrieb sofort mit einem neuen Inhaber durchstarten, während die ganzen Passiva bei der Insolvenzmasse verbleiben. Das ist die vornehmste Art der Verwertung der Insolvenzmasse. Das hatte ich auch hier angedacht. Nur im Laufe der Zeit hat sich herauskristallisiert, dass Herr Ritter immer noch eigene Vorstellungen hat.

Will sagen?

Er hatte trotz Absprachen plötzlich andere Vorstellungen, die er versuchte umzusetzen. Ich bekam keinen roten Faden herein. Als Insolvenzverwalter aber muss ich dafür Sorge tragen, dass alles ordnungsgemäß abläuft.

Können wir kurz in die Historie dieses Verfahrens schauen?

Den Insolvenzantrag über die Sabine und Claus Ritter GBR stellte im November 2019 eine Krankenkasse und nicht wie üblich die Geschäftsführung des Unternehmens selbst. Die Kasse hatte keine Beiträge für die Mitarbeiter des Betriebes Ritter mehr bekommen. Das Gericht beauftragte mich, als Sachverständiger ein Gutachten über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft zu erstellen und festzustellen, ob ein Insolvenzgrund gegeben ist, der es rechtfertigt, das Insolvenzverfahrens zu eröffnen. Bei der Ritter GBR war das besonders Missliche: es gab keine Liquidität. Dann war die Frage zu klären, was wir in Hinblick auf die Ernten von Spargel und Erdbeeren machen.

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Sachverständige hatten festgestellt, dass grundsätzlich gute Erträge zu erwarten waren. Dann haben wir eine kleine Kampagne im Internet gestartet und erst einmal deutsche Erntehelfer gesucht. Das war zu einem Zeitpunkt, als alle Grenzen wegen Corona geschlossen waren. Schon im Januar hatte Claus Ritter Erntehelfer aus Rumänien eingeladen, die nach entsprechender Genehmigung durch die Behörden dann auch kamen. Wir haben 240 Erntehelfer und Erntehelferinnen in einem Containerdorf für 600 Helfer untergebracht, um alles Covid-19 gerecht zu entzerren. Das hat alles zunächst sehr gut funktioniert. Sie haben alle sehr, sehr engagiert gepflückt, das war klasse.

Wann ist das umgekippt?

Familie Ritter war mit meinen Maßnahmen offenbar nicht einverstanden. Am 8. Mai hat die Gläubigerversammlung entschieden, die Spargelernte einzustellen, weil wir hier Verluste erwirtschafteten. Nach unseren Kenntnissen hat Familie Ritter offenbar wenige Tage danach einigen Helfern im Camp erklärt, von mir würden sie kein Geld bekommen.

Das gibt natürlich Unruhe ...

Vier Tage hatte es gedauert, dann gab es Aufregungen und schließlich den Streik. Zuvor habe ich die Erntehelfer ausgezahlt, die unser Angebot nicht angenommen haben, statt Spargel zu stechen, nun Erdbeeren zu ernten.

Ist das der Grund für das Hausverbot gewesen, das Sie gegen Claus Ritter ausgesprochen haben?

Es kann nur einen Kapitän geben. Ich bin als Insolvenzverwalter derjenige, der letztendlich den Kopf hinhalten muss. In jedem Unternehmen versuche ich, mit dem Chef zusammenzuarbeiten. Wenn das aber nicht funktioniert, ist es durchaus üblich, den Chef heraus zu setzen. Was interessant zu beobachten ist, dass man sodann mit den Mitarbeitern, die in der zweiten Reihe stehen, meist hervorragend arbeiten kann. Alle wollen beweisen, wir können das. Hier waren aber viele Mitarbeiter gar nicht mehr da. Die, die gesagt hatten, so funktioniert das nicht, wurden bereits im vergangenen Jahr entlassen. Gleichwohl konnte ich zahlreiche Maßnahmen umsetzen. Dass es schließlich zum Ende der Erdbeerernte kam, war auch dem Umstand geschuldet, dass wir die Sicherheit der Erntehelferinnen und Erntehelfer nicht mehr gewährleisten konnten. Uns wurde berichtet, dass viele, die weiterarbeiten wollten, beleidigt und bedroht worden sind.

Wurden noch Gelder an die Seite geschafft?

Im Rahmen der Abwicklung des Insolvenzverfahrens besteht meine Aufgabe darin, vorhandenes Vermögen zu sichern und aufzuklären, ob ein Schuldner Vermögen verschoben hat, was ich mit den gesetzlichen Regeln der Insolvenzordnung zurückholen muss. Nach meinen derzeitigen Erkenntnissen besteht hier noch hoher Aufklärungsbedarf. Im Moment erfolgt die klassische Abwicklung. Zurzeit räumen wir auf, zum Beispiel das Containerdorf, so dass die Container anschließend verkauft werden können.

Also im Dienst der Insolvenzmasse?

Ja, ich kann bestimmte Mengen Geld einsetzen, wenn ich es hinterher wieder erlöse. Wenn zum Beispiel Fahrzeuge geleast sind oder Ratenzahlungsverträge existieren, löse ich nach entsprechender Prüfung die Gläubiger ab, um die Gegenstände mit gutem Gewinn für die Insolvenzmasse zu verkaufen.

Aber das betrifft jetzt nicht die Edelkarossen, die Herr Ritter geleast und gefahren haben soll?

Nein, die Edelkarossen sind nicht Firmenvermögen.

Das ist Privatvermögen? Auch die Anzeige des Leasingunternehmens bei der Staatsanwaltschaft ist seine Privatsache?

Genau. Das hat mit meinem Insolvenzverfahren überhaupt nichts zu tun. Ich habe derzeit ein anderes erhebliches Problem zu lösen. Es gibt viele Felder mit Folientunneln, die sicherungsübereignet sind. Die müssen abgebaut werden. Das ist mit viel Arbeit und mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Zudem muss ich hierfür Käufer finden. Im Übrigen werden ansonsten die vorgefundenen Gegenstände über eine Versteigerung im Internet verwertet. Diese Versteigerung soll nach den Schulferien erfolgen.

Gibt es denn für das Equipment Interessenten unter anderen Obst- und Gemüsebauern?

Bei mir haben sich sehr viele Interessenten gemeldet. Ich gehe daher davon aus, dass die Versteigerung interessant wird.

Wie geht’s jetzt weiter im Verfahren?

Ich bin darum bemüht, weiteres Vermögen zu finden. Ferner muss ich natürlich auch Forderungen realisieren, die der Insolvenzmasse gegen Dritte zustehen. Mit Abschluss des Verfahrens wird dann das Geld an alle Gläubiger verteilt.

Ist das jetzt ein Fulltime-Job für Sie?

Im Moment nicht, aber zur Zeit der Erdbeerernte war das so. Zu Spitzenzeiten haben wir am Tag 30 Tonnen gepflückt.

Sie sind ja nun kein Landwirt. Haben Sie sich Hilfe geholt?

Selbstverständlich. Rat habe ich mir zum Beispiel bei einem Sachverständigen geholt. Etwa bei Fragen zur Qualität der Erdbeerpflanzen und zu möglichen Erträgen. Auch für die Maschinen gibt es ein umfassendes Sachverständigengutachten. Diese Gutachten sind wesentliche Grundlagen für meine Entscheidungen.

Was denken Sie, wie lange Sie hiermit noch beschäftigt sind?

Da müsste ich jetzt Prophet sein. Nur ein Beispiel, ich habe ein anderes Verfahren, das läuft jetzt schon zehn Jahre.

Das Unternehmen Ritter ist ja sicher nicht von einem auf den anderen Tag in solch eine Schieflage geraten. Kann man sagen, seit wann sich das abzeichnete?

Es gab Jahre, die sind optimal gelaufen. Dazu gehörten die vergangenen zwei Jahre nicht.

Auch wetterbedingt?

Ich habe jetzt gelernt, dass der Anbau von Erdbeeren ein ganz schwieriges Geschäft ist. Aber das Argument der langen Dürre lasse ich nicht mehr gelten, weil die Bauern mit Brunnen arbeiten. Wenn man jedoch verpasst, sich darum zu kümmern, kann es dazu führen, dass die Ernte schlechter wird, weil einiges verdorrt. Mit anderen Worten: Man muss auch gut sein in der Führung eines Betriebes.

Ich frage auch deshalb, weil aus der Sicht des Laien eine Summe von 14 Millionen Euro an Schulden doch enorm scheint.

Ich formuliere dies etwas allgemeiner. Wenn der Chef eines Betriebes der Meinung ist, dass alles im Betrieb sein Eigentum ist und er damit umgehen kann, wie er möchte, dann wird oft die Kasse für private Zwecke eingesetzt. Diese Entnahmen fehlen dann nachher. Das wird eine Spirale und so entstehen Unsummen an Verbindlichkeiten. Das ist auch ein Punkt, den ich aufklären muss: Wer hat hier Geld zu Lasten der Insolvenzmasse bekommen, ohne dass er in Geschäftsbeziehungen zur Insolvenzmasse stand.

Noch eine Frage zu den Altlasten beim Großreinemachen. Auf einem Feld liegen beispielsweise schwarze Planen, die möglicherweise vom Verpächter selbst entsorgt werden müssen. Ist das nicht ungerecht?

Die Betrachtungsweise ist nicht richtig. In unserem Rechtssystem steht die Privatautonomie sehr im Vordergrund. Jeder Verpächter hat sich seinen Vertragspartner selbst ausgesucht. Der Verpächter an der Brehmstraße hatte gesehen, dass dort seit langem – also schon lange vor Insolvenzantrag – Folien liegen. Er hätte früher reagieren müssen. Jetzt kommt der Insolvenzverwalter und soll auf einmal richten, was im Pachtverhältnis nicht sauber gelaufen ist? Die Rechtsprechung ist da eindeutig. Es geht hier immerhin um Kosten von 250 000 Euro für die Entsorgung.

Das Unternehmen Ritter ist jetzt Geschichte?

Die Familie Ritter hat immer von einem Investor gesprochen, der aber bis heute nicht gekommen ist.

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