Demo der Erntehelfer in BornheimPolizei begleitet Lohn-Auszahlung bei Spargel Ritter

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Demonstranten und Erntehelfer zogen am Mittag begleitet von der Polizei von den Wohncontainern zur Betriebshalle des insolventen Unternehmens.

Demonstranten und Erntehelfer zogen am Mittag begleitet von der Polizei von den Wohncontainern zur Betriebshalle des insolventen Unternehmens.

  • Die Aufregung um die Insolvenz des Bornheimer Spargelbetriebes Ritter hält an.
  • Erntehelfer demonstrieren und fordern ihren Lohn, der Insolvenzverwalter hat bereits Auszahlungen veranlasst und Claus Ritter meldet sich via Facebook.

Bornheim – „Es gibt mir ein gutes Gefühl, dass sich so viele Menschen für unsere Rechte hier einsetzen“, sagte die 29-jährige Erntehelferin Rozalia Sotri. Sie ist in Rumänien großgeworden, lebt aber schon seit einigen Jahren in Deutschland. Montagmorgen war sie wieder früh auf den Beinen. Nachdem Sotri und ihre Kollegen bereits am Freitag ihre Arbeit als Erntehelfer im insolventen Spargel- und Erdbeerbetrieb Ritter niedergelegt hatten, ging ihr Protest  weiter.

Was fordern die Erntehelfer?

Sie skandieren lautstark von „Abzocke“ und „Ausbeutung“. Sie haben den Eindruck, dass sie jetzt mit wenig Lohn abgespeist werden sollen und schon am heutigen Dienstag ihre Unterkunft in der Straße Im Ühlchen verlassen müssen. „Dann stehen wir vor der Obdachlosigkeit“, so Sotri. Denn einfach in ihr Heimatland zurückfahren, das könnten sie in Zeiten von Corona nicht. Versprochen worden sei ihnen eine Arbeit als Erntehelfer für drei Monate.

Unterstützung bekamen die rund 200 Demonstranten von Mitgliedern verschiedener Gewerkschaften und Parteien aus Köln, Bonn und Essen. Dolmetscher übersetzten die Schilderungen der Erntehelfer. Eine Frau habe zum Beispiel erzählt, dass sie die Anreise mit dem Flugzeug selber zahlen musste. Und vom Lohn ziehe man noch Kosten für das „schlechte Essen und für die desolaten Unterkünfte“ ab, so die Frau. „Wir wollen eine richtige Lohnabrechnung, mit der nachvollzogen werden kann, wie viel Geld für welche Leistungen abgezogen wurden“, berichtete eine andere Feldarbeiterin. Bekommen habe sie bisher allerdings nur einen „mit viel zu wenig Geld gefüllten Briefumschlag“.

Völlig unangemessen empfanden aber einige Passanten und Anwohner die Parolen, die einige der von außerhalb angereisten Demonstranten durch Bornheim trugen, wie „Deutschland, du mieses Stück Spargel“. Begleitet von der Polizei gingen die Demonstranten von den Wohncontainern zum Spargel- und Erdbeerbetrieb. „Wir sind doch eine Spargelregion und die allermeisten Spargelbauern sind doch froh und stolz auf ihre Saisonkräfte, die jedes Jahr wiederkommen“, kritisierte eine ältere Passantin die Geschehnisse.

Wie positioniert sich Claus Ritter?

Auf Facebook hat Landwirt Claus Ritter am Sonntag zwei Stellungnahmen zu seiner aktuellen Situation veröffentlicht. „Die Claus und Sabine Ritter GbR befindet nach zwei hintereinander folgenden Jahren mit Sturm, Dürre und schlechten LEH-Preisen in der Insolvenz“, heißt es dort. LEH steht für den Lebensmitteleinzelhandel. „Ziemlich schnell entschied sich der Insolvenzverwalter dazu, die bereits gut im Feld stehenden Pflanzen bis zur Ernte weiter zu pflegen, um diese einzufahren und dadurch Geld in die Insolvenzkasse zu spülen. Mit dieser Entscheidung wurde der laufende Betrieb vom Insolvenzverwalter vollständig übernommen. Die Betriebsführung durch Claus und Sabine Ritter verfiel dadurch, die angestellten Mitarbeiter wurden übernommen. Die gesamte Verwaltung lag ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Händen der Familie Ritter.“

Und weiter: „Nachdem die Familie anfangs noch zur Beratung und Mitarbeit benutzt wurde, wurden die Tätigkeitsfelder nach und nach bei zunehmender Erfahrung der vom Insolvenzverwalter zusätzlich eingestellten Mitarbeiter eingeschränkt, bis zum Schluss für alle ein gesamtes Betriebsverbot verhängt wurde.“ Das heißt, der Landwirt darf seinen eigenen Betrieb nicht mehr betreten.

Laut Claus Ritter wurden die für die Pflege und Ernte benötigten Arbeiter vom Insolvenzverwalter eingestellt, er sei auch „für die Bezahlung voll zuständig“. Es handele sich bei einem großen Teil um Menschen, „die bereits seit zum Teil über 25 Jahren jährlich in unseren Betrieb kommen und uns bei anfallenden Arbeiten unterstützen. In all diesen Jahren gab es bei uns noch nie Probleme bei Lohnauszahlungen oder Unterkünften. Wir bezahlten unsere Mitarbeiter meist übertariflich und hatten Personal, welches sich nur um die Pflege, Sauberkeit und Instandhaltung der Unterkünfte kümmerte“.

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Ritter: „Abschließend gesagt hat unsere Familie mit der aktuellen Betriebsführung unseres bis dato gut funktionierenden und sauber geführtem Familienbetrieb nichts zu tun und jegliches in Verbindung bringen mit diesen Missständen ist schlicht falsch.“

Welche Pläne hat der Insolvenzverwalter?

Was die Erntehelfer angehe, widerspricht der Insolvenzverwalter Dr. Andreas Schulte-Beckhausen. Die Einladungsschreiben an die Arbeiter seien bereits vor der Insolvenz herausgeschickt worden, sagte der Jurist gestern der Rundschau auf Anfrage. Es sei auch für ihn eine harte Entscheidung gewesen, im Verfahren den Chef zu beurlauben, sagte Schulte-Beckhausen, aber die Zusammenarbeit sei schwierig gewesen. Er als Insolvenzverwalter habe eine Planrechnung aufzustellen und zu entscheiden, ob der Betrieb weitergeführt werde oder nicht. Die Entscheidung, ob geerntet werde, oder nicht, habe er nicht allein getroffen, sondern werde von Experten beraten, die auch die Pflanzen überprüfen.

Um die Unruhe unter den Erntehelfern abzumildern, habe er am Freitag die Löhne für März und April auszahlen lassen, so der Bonner Jurist. Eigentlich sei es üblich, wöchentlich Vorschüsse zu zahlen und am Ende des auf drei Monate befristeten Arbeitsverhältnisses die ganze restliche Summe. Das auch, weil die Erntehelfer nicht gerne viel Geld in den Unterkünften haben möchten. Hier sei es aber zu großen Missverständnissen gekommen.

Um die Sanitäranlagen in Schuss zu bringen, sei eine fünfstellige Summe investiert worden, Tausende Mund-Nasen-Masken seien angeschafft und verteilt worden. Außerdem habe in den Unterkünften, in denen üblicherweise rund 500 Erntehelfer leben, nur die Hälfte gewohnt. Weil der Koch nicht zur Verfügung stand – er sei nicht bezahlt worden –, habe Schulte-Beckhausen einen Caterer beauftragt, morgens, mittags und abends frisch gekochtes Essen zu bringen. Der Vorwurf, das Essen sei miserabel, „ist nicht korrekt“.

Noch habe er nicht abschließend entschieden, wie es mit der Erdbeerernte weitergeht, auch nicht, ob der Betrieb diese Woche geschlossen wird. Schulte-Beckhausen: „Das ist ein sehr schwieriger Prozess.“

Was sagt der Bürgermeister?

Einen aufgeregten Anrufer habe seine Frau gestern Nachmittag zu Hause am Telefon gehabt, der von Chaos und Verletzten Im Ühlchen gesprochen habe, sagte Wolfgang Henseler der Rundschau. Er habe sofort reagiert und die Polizei informiert, die dann auch die Auszahlung der Gelder begleitet habe. Auf Geheiß der Stadt wurde das Sicherheitspersonal, das Tag und Nacht vor Ort ist, aufgestockt.

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