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Evangelische Gemeinde BrühlMartin-Luther-Kirche in Walberberg wird aufgegeben

Lesezeit 5 Minuten
Sandra Nehring und Burchard von Spankeren zeigen eine von Gemeindemitgliedern in sechs Bänden geschriebene Bibeln.

Sandra Nehring und Burchard von Spankeren zeigen eine von Gemeindemitgliedern in sechs Bänden geschriebene Bibeln.

Bornheim-Walberberg – Nach 52 Jahren geht die Geschichte der evangelischen Kirche in Walberberg zu Ende. Im Rahmen eines Gottesdienstes, der ab 17 Uhr via Internet von zu Hause aus mitgefeiert werden kann, wird die Martin-Luther-Kirche am Samstag entwidmet.

Bis Freitag haben die Gemeindemitglieder noch Zeit, sich unter Einhaltung der geltenden Corona-Schutzverordnung von ihrer Kirche zu verabschieden. Das Gotteshaus und das Gemeindezentrum sind täglich zwischen 15 und 18 Uhr geöffnet. Im Foyer dokumentieren ein Diavortrag, Tonaufnahmen, Fotos und Zeitungsausschnitte das Gemeindeleben.

Schon früher in der Existenz bedroht

Zu lesen ist dort auch, dass die Martin-Luther-Kirche bereits früher in ihrer Existenz bedroht war: Mit Protesten, vielen Diskussionen, einer Unterschriftenaktion und vehementer Gegenwehr seitens der evangelischen Christen konnte 2004 die Schließung auch durch den Verkauf mehrerer Grundstücke auf dem Kirchengelände noch verhindert werden, jetzt jedoch gibt es kein Zurück mehr. Spätestens im Sommer sollen Kirche, Glockenturm und Gemeindezentrum zurückgebaut und das Grundstück verkauft werden.

„Der aktuelle Unterhalt der Kirche ist mit weit über 40 000 Euro im Jahr ohne Reparaturen einfach zu hoch“, erklärt die zuständige Pfarrerin Sandra Nehring. „Um die verbleibenden Standorte im Kirchenkreis Brühl zukunftsfähig aufzustellen, müsse sich die Kirchengemeinde konzentrieren. Von sechs Kirchen werden bis zum Jahresende drei geschlossen, entwidmet und verkauft“, so die Pfarrerin, die auf die Zahl der Gemeindeangehörigen verweist. Als die Martin-Luther-Kirche erbaut wurde, habe der evangelische Kirchenkreis Brühl mehr als 14 000 Mitglieder gezählt, „heute sind es nur noch 8000, 450 davon in Walberberg“, erklärt Nehring. Lange schon könne die Martin-Luther Kirche nicht mehr geheizt werden. Dort sei seinerzeit eine elektrische Fußbodenheizung eingebaut worden, die aus Kostengründen schon vor Jahren abgestellt wurde.

Vor Corona noch zwei Gottesdienste im Monat

Seit sechs Jahren arbeitet Nehring im Kirchenkreis Brühl, seit vier Jahren ist sie auch für die Martin-Luther-Kirche zuständig. Dort fanden bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie immer noch zwei Gottesdienste im Monat statt.

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„Natürlich bin auch ich traurig über die Schließung“, sagt sie und ergänzt: „Die Unterstützung im Ort und die sich öffnenden neuen Möglichkeiten machen mir aber auch Mut.“ Ganz ähnlich empfindet das der stellvertretende Presbyter Burchard von Spankeren. 2004 hatte er sich noch sehr für den Erhalt der Martin-Luther-Kirche und für die Neubesetzung der Pfarrstelle nach der Pensionierung des damaligen Pfarrers Hans-Ludwig Vielhauer eingesetzt. „Natürlich blickt man wehmütig auf das zurück, was hier jahrzehntelang stattgefunden hat“, sagt er. Ihm fallen schöne Gemeindefeste und Familiengottesdienste ein, an denen er mit seiner Familie recht engagiert teilgenommen hatte. „Aber wir sehen ja auch die Veränderungen in der Kirche und der Gesellschaft.“ Und die Erinnerungen blieben ja, sie seien nicht an Häuser oder Gebäude gebunden. „Das evangelische Gemeindeleben hier im Ort geht ja weiter“, betont von Spankeren.

Gottesdienste künftig in Pfarrkirche St. Walburga

Tatsächlich gewährt die katholische Gemeinde den evangelischen Christen in ökumenischer Verbundenheit eine besondere Gastfreundschaft: Demnach sollen künftig auch Familien- und Schulgottesdienste der evangelischen Gemeinde in der Pfarrkirche St. Walburga gefeiert werden können. Sogar der erste Hochzeitstermin evangelischer Christen in St. Walburga ist schon terminiert. „Und die Schulleiterin der Thomas von Quentel-Grundschule, Andrea Lauer, hat uns angeboten, dass wir nach der Pandemie unser Krippenspiel im Foyer der katholischen Grundschule proben dürfen“, freut sich Nehring. Auch die Angebote der evangelischen Gemeinde werden künftig im katholischen Pfarrheim im Haus im Garten weitergeführt. Darüber hinaus wurde laut Nehring in der Sakristei der katholischen Kirche Platz in einem Schrank geschaffen, um dort das Abendmahlgeschirr und die liturgischen Bücher aufzubewahren. Auch die drei Kirchenglocken bleiben in Walberberg. „Sie sollen im Turm der katholischen Pfarrkirche aufgehängt werden“, so Nehring.

Geschichte der Gemeinde

Mit dem Zuzug von Flüchtlingen aus Ostdeutschland begann 1958 die Geschichte der evangelischen Gemeinde in Walberberg. Zunächst feierten sie ihren Gottesdienst in einem Klassenraum der Grundschule. Im März 1969 wurde schließlich der erste Spatenstich gefeiert und noch im selben Jahr, am 26. Oktober, konnte die Martin-Luther-Kirche eingeweiht werden. Im darauffolgenden Frühjahr wurde der Glockenturm gebaut und im April 1974 in Betrieb genommen. 1980 erfolgte der Ausbau des Foyers und des Gemeindezentrums. Ein erster Rückschlag für das Gemeindeleben war 2003 der Beschluss, dass die Stelle nach dem Ende der Dienstzeit von Pfarrer Hans-Ludwig Vielhauer nicht wieder neu besetzt wurde.

Wegen der schon damals schwierigen finanziellen Lage wurde die Martin-Luther-Kirche zunächst dem Bezirk von Pfarrerin Renate Gerhard in Brühl zugeordnet. 2016 erfolgte eine Neuorganisation der Pfarrbezirke und Sandra Nehring wurde im Pfarrbezirk Süd, dem auch die Martin-Luther-Kirche angehört, eingeführt. (mkl)

Die Bänke der Martin-Luther-Kirche bekommt hingegen eine Kirchengemeinde in Polen und die Orgel wird demnächst in einem Gotteshaus in Stuttgart gespielt. Die kunstvolle Altardecke erhält in der Christuskirche in Brühl eine neue Heimat und das Wandkreuz soll in der Jakobuskirche in Brühl-Badorf aufgehängt werden. „Sie wird auch die künftige Gemeindekirche für die Walberberger sein“, sagt Nehring. Viele der evangelischen Christen gingen schon jetzt dort in die Kirche. Im Sommer hofft Nehring, dass die Martin-Luther-Kirche vollends leergeräumt ist. „Das gesamte noch gut erhaltener Mobiliar soll bis dahin aufgeteilt oder gespendet werden“, erklärt sie. Danach sei der Rückbau geplant. „Das wird dann noch einmal ganz schwer für uns alle“, sagt Nehring.

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