Abo

PflichtmitgliedschaftGegen die NRW-Pflegekammer regt sich Kritik in Bornheim

Lesezeit 4 Minuten
Sabine Otto (vorne links mit Warnweste) hat sich an einer Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag beteiligt.

Sabine Otto (vorne links mit Warnweste) hat sich an einer Demonstration vor dem Düsseldorfer Landtag beteiligt.

Bornheim – Über einen Mangel an Arbeit kann Sabine Otto, stellvertretende Leiterin einer Sozialstation in Bornheim, wirklich nicht klagen. Mal ist sie in den Dörfern zwischen Alfter und Bornheim unterwegs, um Patienten in deren eigenen vier Wänden zu helfen, mal sitzt sie im Büro, um Termine zu koordinieren. Die 43-Jährige ist alleinerziehende Mutter einer Tochter und spürt wie viele andere den Fachkräftemangel in der Pflegebranche. Corona hat ihn noch verschärft, die Angst, sich zu infizieren oder gar zu erkranken schwingt auch bei ihr trotz zweifacher Impfung stets mit. „Die Politik hat uns da hingebracht, wo wir jetzt sind“, meint Sabine Otto. Auf bessere Arbeitsbedingen, gar auf eine bessere Bezahlung hoffe sie schon lange nicht mehr.

NRW-Pflegekammer soll Interessen der Pflegekräfte vertreten

Verbesserungen soll die NRW-Pflegekammer bringen, deren Gründung im Sommer 2020 mit den Stimmen von CDU, FDP und Grünen unter Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf den Weg gebracht worden war und die im Frühjahr 2022 ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Kammer soll eine angemessene Interessenvertretung der Pflegefachkräfte in NRW sein. Doch das Gremium steht bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kritik, so auch bei Sabine Otto, die sich deswegen an die Rundschau gewandt hat.

Unlängst war sie einem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt und hatte gemeinsam mit rund 200 anderen Betroffenen aus ganz NRW vor dem Landtag in Düsseldorf protestiert. Sie stört vor allem die kostenpflichtige Zwangsmitgliedschaft, die nach jetzigem Stand zwar nicht höher als fünf Euro im Monat liegen soll, aber sie möchte frei entscheiden, wie sie sich organisiert.

Sabine Otto will eine Urabstimmung erreichen

„Eine Pflegekammer ist definitiv keine Interessenvertretung für uns Pflegekräfte. Sie kann keine Arbeitsverträge, Dienstvereinbarungen oder Tarife aushandeln, vor Ort nicht für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sorgen und auch keine Altersversorgung bieten“, kritisiert Sabine Otto. Vorab seien gerade einmal 1500 Fachpflegekräfte befragt worden, ob sie eine Pflegekammer in NRW für sinnvoll erachten. Eine deutliche Mehrheit von rund 80 Prozent sprach sich zwar dafür aus, doch Sabine Otto und vielen anderen reicht das nicht. Sie fordert ebenso wie die SPD und Verdi ein Moratorium, also eine Urabstimmung, unter allen rund 220 000 Kollegen, die in NRW in diesem Berufsstand arbeiten.

Ziel der Pflegekammer sei es, die Branche „auf Augenhöhe“ mit anderen Heilberufen wie der Ärztekammer in das Heilberufsgesetz zu integrieren, erklärt Ludger Risse, stellvertretender Vorsitzender des Errichtungsausschusses. „Der Landtag überträgt der Pflegekammer Aufgaben, die wesentlich sind, um die pflegerische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Das ist nur möglich, wenn wirklich alle Pflegefachpersonen organisiert sind und deren Interessen gebündelt werden.

Der Status einer Heilberufskammer mit einer Pflichtmitgliedschaft ist die Voraussetzung dafür, dass die Pflege in vielen Gremien Sitz und Stimme bekommt. „In Gewerkschaften und Berufsverbänden sind immer nur Teilgruppen der professionellen Pflege vertreten“, so Risse weiter. Auf die Frage nach einem Moratorium verwies er darauf, dass die 2018 ausgewählten Fachkräfte repräsentativ nach den Methoden der empirischen Sozialforschung befragt worden seien. Nach dem deutlichen Zuspruch habe der Landtag dann die gesetzlichen Grundlagen in die Wege geleitet. Ein starker Selbstverwaltungspartner habe bislang gefehlt: „Die Berufsgruppe der Pflege hatte bis dato keine institutionell verankerte Vertretung, die sich für die Interessen der Pflegenden eingesetzt hat.“ Die künftige Kammerversammlung könne damit gezielt „den Finger in die Wunde legen“, Lösungen finden und derzeitige Herausforderungen meistern.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Die Berufsgruppe wird ihre eigenen Standards festlegen, was gute Pflege ist und was dafür benötigt wird.“ Ein Mitgliedsbeitrag werde erhoben, damit die Pflegekammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts politisch unabhängig agieren kann, heißt es in dem Informationsflyer, der an die Pflegefachkräfte verschickt worden ist.

Für Sabine Otto ist es nicht in Ordnung, dass über Arbeitgeber Daten der Angestellten abgefragt werden. Laut Risse werde der Datenschutz gewährleistet, eine Registrierung aller Pflegefachpersonen aus NRW diene jedoch dazu, erstmals stichhaltige Daten zu liefern, wie viele Pflegende es wirklich gibt, wie die Altersstruktur aussehe und wie sie ausgebildet sind: „Nur anhand solcher Daten ist es möglich, in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen, innovative und lokale Lösungen für pflegerelevante Problemlagen zu entwickeln.“

Rundschau abonnieren