Serie „Oasen der Ruhe“Woher der Hexenturm in Walberberg seinen Namen hat

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In der Ortsmitte von Walberberg zeigt sich: Stille ist eine Bereicherung.

  • Ein Kunstwerk im Museum, die Stille einer Kirche, ein besonderes Bauwerk, ein Spaziergang im Wald – es sind ganz verschiedene Orte, in denen Menschen Kraft tanken können.
  • In einer Serie stellt die Rundschau in den Sommerferien Oasen der Ruhe vor. Heute: der Hexenturm und die Pfarrkirche von Walberberg.

Bornheim – Das grüne Kupferdach des Hexenturms von Walberberg ist schon von weitem zu sehen. Er steht mitten im Ort auf einem leicht abschüssigen Gelände neben der Kirche St. Walburga, 90 Meter über Normalnull. Dieses Relikt einer mittelalterlichen Burg wirkt auf den ersten Blick abweisend. Und es ist in der Tat gar nicht so leicht, seine weiß gestrichene Wand zu berühren. Schrebergärten umgeben das gut 21 Meter hohe Bauwerk, auf einer Seite liegt geschnittenes Nadelbaumgehölz, das von der Trockenheit rostbraun geworden ist.

Mittägliche Ruhe herrscht im Ort, kein Mensch ist zu sehen. Doch da knackt etwas im Unterholz. Eine ältere Frau in langem Rock und dicker Jacke schlurft auf dem schmalen Weg heran, die Haare von einem Kopftuch verdeckt, einen krummen Stab in der Hand. Das wird doch nicht . . .?  Sie wohnt doch nicht etwa im Hexenturm?  Nein, keine Sorge. Sie hat in einem der Kleingärten Bohnen an Stöcke gebunden und lässt den Fremden mit einem freundlichen „Komm!“ passieren.

Aussehen des Rundbaus führte wohl zu Namensgebung

Hexen waren im Hexenturm nie eingesperrt worden. Diese Bezeichnung für das im 12. Jahrhundert errichtete Bauwerk sei erstmals im Jahre 1817 zu belegen, berichtet der Bornheimer Heimatforscher Horst Bursch. Er vermutet, dass das Aussehen des mit Fenstern, so schmal wie Schießscharten, versehenen Rundbaus, der größtenteils aus Seitenwangen des nahen Römerkanals geschaffen und mit Tuffstein umkleidet wurde, wohl die Vorstellung genährt habe, in den Mauern seien Hexen gefangen gehalten worden. Bursch: „Dafür gibt es keine Beweise“.

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Aber die Vorstellung scheint nicht abwegig. Von Dezember 1636 bis Februar 1637 fanden unter dem Freiherrn von Bornheim, dem adeligen Gerichtsherrn, am Gerichtsort Heimerzheim zehn Hexenprozesse statt, die alle mit einem Todesurteil endeten. Wahrscheinlich waren auch Frauen aus Bornheim unter den Opfern. Als Hexenjäger hatte ein Jurist namens Franz Buirmann, etwa um 1590 in Euskirchen geboren, in der Gegend Angst und Schrecken verbreitet. Er wütete in Rheinbach, Meckenheim und Flerzheim, wo er für 100 Tote verantwortlich sein soll, in Siegburg (100 Tote), im Drachenfelser Ländchen (zehn Tote) und in Bonn (50 Tote). „Es geht bestimmt die halbe Stadt drauf“, klagte damals der Bonner Pfarrherr Duren. Der Leiter des Bonner Universitätsarchivs, Thomas P. Becker, geht davon aus, dass die Gesamtzahl der Menschen, die durch Buirmanns Wirken zu Tode kam, bei 300 liegt.

Der Hexenwahn war in den Dörfern des Vorgebirges lange verbreitet, und am Anfang des 19. Jahrhundert, als die Romantiker das Mittelalter verklärten, mag es zu einer idealisierten Vorstellung jener dunklen Zeit gekommen sein, so dass sich Schauergeschichten von Hexen verbreiteten. Es liegt nahe, den Aberglauben mit der benachbarten Pfarrkirche St. Walburga, einer ehemaligen Klosterkirche, zu verbinden. Denn vom Namen der Pfarrpatronin leitet sich die Walpurgisnacht ab, ein Fest in der Nacht zum 1. Mai, bei dem Hexen um Feuer getanzt haben sollen. Die simple Erklärung dahinter: Die angelsächsische Benediktinernonne Walburga (710-779) wurde am 1. Mai 870 heiliggesprochen, die Walpurgisnacht war also der Vorabend dieses Gedenktages.

Gotteshaus wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut

Der Kölner Erzbischof Anno brachte um 1056 Reliquien der Heiligen in das Dorf Berg, das darauf seinen Namen änderte in Berg der Heiligen Walburga. In jener Zeit wurde die alte zur Burganlage mit dem fünfgeschossigen Hexenturm gehörende Kirche abgerissen. Das neue Gotteshaus wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und erweitert, im Zweiten Weltkrieg brannte es aus, wurde bis 1952 wiedererrichtet. Allerdings nur notdürftig, denn bald zeigten sich Wasserschäden in allen Wänden, im Dachstuhl saßen gefräßige Nagekäfer und die Betondecke über dem Kirchenschiff war nicht sicher. Erneut mussten Handwerker ran.

Von 1981 bis 1989 erhielt das Baudenkmal seine heutige dreischiffige Gestalt. Dabei waren diese durchgreifenden Instandsetzungsarbeiten hoch gefährlich für die Kirche. Der damalige Landeskonservator Dieter Spiegelhauer berichtete, dass sogar ein Abriss überlegt worden sei, weil der Statiker nicht ausschließen konnte, dass sie auf die in geringer Tiefe des Hanges liegende Braunkohlenschicht abrutschen könnte. Aber das Gotteshaus steht als feste Burg. So ist denn das Ensemble aus Hexenturm und Kirche samt dem benachbarten Friedhof ein Ort der Ruhe. In der kleinen Basilika ist es still, es ist „die Stille, die sich wie ein Vogeljunges zwischen deine Hände legt“,  wie der norwegische Abenteurer Erling Kagge schreibt, für den die Stille „eine Bereicherung an sich“ ist. Weil sich durch sie der Blick auf sich selbst – durch die Entfernung von der dinglichen Welt - neu ordnen lässt. Und Freiheit entsteht. 

Wahrzeichen

Der Hexenturm und die nebenan stehende Kirche St. Walburga bilden das Wahrzeichen Walberbergs. Beide stehen in der Walburgisstraße. Die Kirche ist täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Der Turm ist seit 1980 ein Baudenkmal und kann am jährlichen Tag des offenen Denkmals sowie nach Absprache mit dem Förderkreis Historisches Walberberg, Telefon (0 22 27) 16 91 oder (0 22 27) 80 94 38 besichtigt werden (fhw@walberberg.info).

Sehenswert in der unmittelbaren Umgebung: der Römerkanal-Wanderweg (www.rhein-voreifel-touristik.de) und eine 200 Jahre alte Gerichtslinde, an der bis in die Neuzeit Gericht gehalten wurde. Unweit der Kirche befindet sich in der Verlängerung der Kitzburger Straße die Kitzburg, ein Wasserschloss, das allerdings nicht besichtigt werden kann. (dbr)

Man kann also einfach auf einer Kirchenbank sitzen, das  einfallende Licht wahrnehmen, auf das große Altarkreuz schauen, dabei vielleicht die Bilder der in der Kirche verehrten Heiligen Walburga, Margarete und Jodokus, wahrnehmen und über sie nachdenken. Walburga gilt als Patronin der Wöchnerinnen, Seeleute, Bauern und Haustiere, Margarete war erste Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters Walberberg, Jodokus, ein Eremit aus der Bretagne, wird wie Sankt Jakobus als Patron der Pilger verehrt.  Heilige haben nach der Lehre der katholischen Kirche das vollbracht, „wonach wir uns noch sehnen: Sie haben in ihrer Zeit als Christen glaubwürdig gelebt und sind deshalb von Gott an- und im Himmel aufgenommen worden. Insofern sind sie ein Vorbild“, sagt der Theologe Professor Manfred Becker-Huberti (siehe Interview).

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Er erklärt weiter, dass der Leib des Heiligen ebenso als Reliquie gelte wie die Gegenstände, die er oder sie auf Erden benutzt hat. So gesehen, ist Walberberg reich gesegnet. In der sogenannten Heiltumskammer wird in einer Monstranz ein Teil der Hirnschale der Heiligen Walburga aufbewahrt, auch eine Silberbüste und ein Stückchen ihres Wanderstabs.

Beim Verlassen der Kirche fällt ein Strohkranz auf, an dem Fotos der Kommunionkinder baumeln: „Du bist ein Ton in Gottes Melodie“ steht auf einem Blatt Papier. Kein schlechter Trost in Zeiten wie diesen.

Nächste Folge:  Glasmuseum Rheinbach

Vier Fragen an

Professor Dr. Manfred Becker-Huberti (75) ist römisch-katholischer Theologe und forscht zu Heiligen und Heiligenverehrung speziell im Rheinland.

Manfred Becker-Huberti erforscht das kirchliche Brauchtum.

Manfred Becker-Huberti erforscht das kirchliche Brauchtum.

Was haben uns Heilige heute noch zu sagen?

Heilige haben vorgelebt, dass ihre Heiligkeit erkämpft werden muss, denn keiner, der als Heiliger stirbt, wurde als Heiliger geboren. Dazwischen steht das oft harte und bittere Leben, das einen persönlichen und aufreibenden Einsatz für die Anderen erfordert. Seinen Nächsten so zu lieben wie sich selbst, erfordert eine Selbstlosigkeit, zu der viele Menschen sich nicht aufraffen können. Insofern sind die Heiligen Beispiele, die jeder auf seine Art nachleben kann – nicht um zum Beispiel wie der heilige Martin zu werden, sondern in seiner Zeit eine Antwort zu geben, wie Martin das in seiner Zeit getan hat. Gleichzeitig sind die Heiligen eine Provokation, weil sie mir zeigen, wie lotterhaft und gleichgültig ich bin, der ich doch auch zur Heiligkeit berufen bin.

Warum beten Menschen in Not zu einem Heiligen und nicht gleich zum lieben Gott? Oder anders gefragt:  Hilft der Umweg über den Nothelfer?

Das ist eine Fragestellung der Reformation, die die Heiligen als Fürbitter ausschalten wollte. Aber die Katholiken beten die Heiligen nicht an, sie rufen sie um Vermittlung und Fürbitte an, und das in der Hoffnung, dass die vor Gott Gerechten sich für den Beter einsetzen. Natürlich geht die Bitte letztlich an Gott, kann an diesen auch direkt gerichtet werden. Für die Menschen sind aber Heilige, die unter uns gelebt haben, meist etwas näher als der unfassbare Gott. Da man nie alleine Christ ist, sondern immer in der Gemeinschaft der Christen, versichert man sich der Mithilfe der Christen, die Gott näher sind als wir auf Erden.

Ihr liebster Heiliger?

Ich habe viele „liebe“ Heilige, zum Beispiel die Heilige Elisabeth von Thüringen, die sich ohne jeden Standesunterschied für die Armen einsetzte, oder Martin von Tours, der sein Christsein vorlebte und anderen den Weg in den Himmel freihielt. Der liebste Heilige ist mir aber Thomas Morus. Sir Thomas More war Lordkanzler unter dem gewalttätigen englischen König Heinrich VIII. Als dieser sich von der Katholischen Kirche löste und sich selbst als Haupt der neuen Anglikanischen Kirche einsetzte, verweigerte Thomas More den Eid auf den König und wurde dafür zum Tod durch das Henkerbeil verurteilt. Am 6. Juli 1535 wurde Thomas geköpft.

Was gefällt Ihnen an ihm?

Nicht nur sein Intellekt, der ihn die „Utopia“ hat verfassen lassen, sondern vor allem seine politische Gradlinigkeit, die er auch unter Lebensgefahr beibehalten hat. Am meisten aber gefällt mir sein lebenslänglicher Humor. Die Legende erzählt, dass er – schon auf dem Schafott liegend – den Henker bittet, beim Zuschlagen auf seinen Bart zu achten, der ja keinen Hochverrat begangen habe.

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