Sonntagsöffnungen in Bornheim„Wenn Verdi klagen will, soll sie’s tun“

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Traditionsveranstaltung: Zur Großkirmes gehören „Bornheim Live!“, Gewerbeschau und Automeile.

Traditionsveranstaltung: Zur Großkirmes gehören „Bornheim Live!“, Gewerbeschau und Automeile.

Bornheim – „Wenn es einen Zeitpunkt gibt, der völlig unpassend ist, dann ist es jetzt.“ Auf die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist in Bornheim gerade kaum jemand gut zu sprechen. Nicht nur Bürgermeister Wolfgang Henseler, auch CDU, UWG und FDP im Rat der Stadt und Einzelhändlervertreter Jörg Gütelhöfer zeigen sich entsetzt über die Ankündigung der Gewerkschaft, erneut eine Klage gegen die verkaufsoffenen Sonntage im Herbst und Winter in Betracht zu ziehen. Die Politiker sprechen gar von einem „Feldzug gegen den Bornheimer Einzelhandel“.

Klagewelle rollt seit 2018

Zur Erinnerung: Bereits 2018 hatte Verdi mit einer Klagewelle gegen Sonntagsöffnungen für Zitterpartien gesorgt. Hintergrund dieser Klagen war das Entfesselungsgesetz in NRW, mit dem die schwarz-gelbe Landesregierung das Ladenöffnungsgesetz stark liberalisiert hatte – ein rotes Tuch für die Gewerkschaften. Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz seien nur zulässig, wenn es einen „rechtfertigenden Sachgrund“ gibt und ein öffentliches Interesse daran besteht. Das alles mussten auch die Ordnungsbehördlichen Verordnung der Kommunen für Sonntagsöffnungen enthalten – taten sie aber nicht. Damit fing die rechtliche Auseinandersetzung an, in deren Verlauf das Oberverwaltungsgericht Münster per einstweiliger Anordnung den verkaufsoffenen Sonntag in Bornheim im Rahmen von „Bornheim Live“ und der Großkirmes gekippt hatte. Auch der Roisdorfer Martinimarkt blieb auf der Strecke. Um ihre Verordnung zu überarbeiten, holte Bornheim die Bonner Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs ins Boot.

Allerdings muss diese Verordnung jedes Jahr neu vom Rat verabschiedet werden. An der aktuellen Version – weitestgehend wortgleich mit der alten, wie Wolfgang Henseler erklärt – hat Verdi wieder Kritik geäußert. „Es wird keine Besucherprognose vorgelegt und kein Nachweis, dass die Feste von überregionaler Relevanz sind“, begründet es die stellvertretende Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Britta Munkler auf Anfrage. „Die Gerichte möchten dies aber gerne. Es reichen stimmige Zahlen“, so Munkler. „Bornheim hat noch nie das Gespräch gesucht“, so die Gewerkschafterin weiter, Verdi würde auch in die Städte kommen: „Wenn Frau Munkler dorthin kommt, ist sie nicht der Drache mit dem roten Schwert“, witzelt Munkler. Es gehe nicht darum, „den Einzelhandel kaputtzumachen“, Beschäftigte müssten sonntags arbeiten und es sei Aufgabe der Gewerkschaft zu schauen, ob dies rechtens ist. „Klagen kosten Zeit und Geld. Gespräche sind da weitaus effizienter“, so Munkler.

Sehr wohl habe Bornheim versucht, mit Verdi in Kontakt zu treten, widerspricht Wolfgang Henseler, es habe auch Einladungen gegeben, sich die Feste in Bornheim doch mal anzuschauen. Verdi habe jetzt wieder Bedenken gegen die aktuelle Verordnung zu drei verkaufsoffenen Sonntagen geäußert; davon sind die Mai-Veranstaltung Kleinkirmes, Spargelfest und Klimatag bereits abgesagt. Es bleiben also die Großkirmes und der Weihnachtsmarkt. Henseler würde sich wünschen, dass die Gewerkschaften mit ins Boot kämen, um den Einzelhandel zu unterstützen. Aber „wenn Verdi jetzt klagen will, dann soll sie das tun“.

Sonntagsöffnungen sind Tradition

Die Sonntagsöffnung anlässlich der Kirmes im September und beim Weihnachtsmarkt im Dezember seien seit Jahrzehnten Tradition und als Stärkung der kleinen Geschäfte vor Ort „2020 so dringend nötig wie nie zuvor“, sind sich UWG, FDP und CDU im Rat einig. „Solche Events sorgen für Frequenz und Umsatz, sie spülen Geld in die Corona-bedingt leeren Ladenkassen“, sagt Hans-Gerd Feldenkirchen, Vorsitzender der UWG. Unverständnis bis Kopfschütteln auch bei MdL Jörn Freynick (FDP): „Im Landtag und im Rathaus versuchen wir alles, was in unserer Macht steht, um den lokalen Einzelhandel in Zeiten der Corona-Krise zu schützen: Finanzielle Soforthilfen, Kredite, Beratung beim Online-Handel, Öffentlichkeitsarbeit und ganz aktuell eine vorsichtige Öffnung der Geschäfte nach dem Lockdown – wir investieren Geld, Zeit und Mühe, damit Arbeitsplätze und Einkaufsmöglichkeiten bei uns vor Ort erhalten bleiben.“ Dass ausgerechnet eine Gewerkschaft in dieser Krise nichts Besseres zu tun habe, als Arbeitsplätze im Handel durch das Verbot von Veranstaltungen zu gefährden, sei „schäbig und rücksichtslos.“

CDU-Fraktionsvorsitzende Petra Heller kündigt einen Protestbrief aller Fraktionen des Rates an: „Jetzt ist nicht die Zeit für Parteipolitik, sondern für eine gemeinsame Aktion des Stadtrats. Wir laden alle Fraktionen dazu ein, gemeinsam gegen die absurde Position von Verdi zu protestieren.“ Dass Arbeitnehmervertreter die Interessen von Arbeitnehmern mutwillig gefährdeten, dürfe nicht unwidersprochen bleiben: „Geschäftsinhaber kämpfen um ihre Läden und gemeinsam mit ihren Mitarbeitern um Hunderte Jobs im Einzelhandel. Es kann nicht sein, dass sich alle gemeinsam gegen die Krise stemmen und gleichzeitig Verdi dieses Engagement mit Füßen tritt“.

Schockiert über die Haltung von Verdi

Das trifft ziemlich genau, was auch Jörg Gütelhöfer ärgert. Der Vorsitzende des Bornheimer Gewerbevereins ist „absolut schockiert über diese Haltung von Verdi!“ In den nächsten Monaten heißt direkt nach der Sicherstellung unseres Gesundheitssystems das Hauptthema für sehr viele Betriebe in Deutschland ,Schadensbegrenzung’ und wirtschaftliches Überleben“. Sein Vergleich: „Das ist ungefähr so, als würde ihr Haus in Flammen stehen und sie versuchen, es mit aller Macht zu retten, und dann kommt eine Organisation, die sich auf den Wasserschlauch stellt und versucht, sie an ihrer Rettungsaktion zu hindern.“ Dies könne auch nicht im Interesse von Arbeitnehmern sein, von denen derzeit viele um ihren Job bangen müssten.

Gütelhöfer: „Das Gegenteil ist der Fall. Ich denke, dass viele Arbeitnehmer verstanden haben, das es hier um die Existenz des Betriebes geht, in dem sie arbeiten. Ich persönlich erlebe derzeit eine sehr hohe Loyalität und Flexibilität von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist so gut wie jeder bereit, seinen Teil dazu beizutragen, so gut wie möglich durch die Krise zu kommen und für seine Arbeitsstelle zu kämpfen. Die Vorgehensweise von Verdi ist einfach nur überflüssig und sägt an dem Ast, auf dem auch viele Arbeitnehmer sitzen!“

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