Tödlich verunglückter Fahrrad-AktivistBornheimer ADFC hält bewegende Gedenkstunde ab

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Weggefährten installierten ein weißes Fahrrad zur Erinnerung und als Mahnung für alle Verkehrsteilnehmer an der Straße.

Weggefährten installierten ein weißes Fahrrad zur Erinnerung und als Mahnung für alle Verkehrsteilnehmer an der Straße.

Bornheim – Die Unfallmeldung der Polizei am 6. Juni klang gewohnt nüchern: „Ein 65-jähriger Radfahrer wurde am Samstagmorgen bei einem Verkehrsunfall an der Breslauer Straße zwischen Sechtem und Merten lebensgefährlich verletzt. Gegen 9.15 Uhr befuhr der Mann den Gemüseweg vom Eichenweg kommend und kreuzte die vorfahrtsberechtigte Breslauer Straße, um seine Fahrt auf dem Gemüseweg fortzusetzen. Dabei kam es zum Zusammenstoß mit dem Pkw einer 20-Jährigen, die die Breslauer Straße in Richtung Schubertstraße befuhr.“ Vier Tage später dann ein Nachtrag der Polizei: Der Radfahrer sei an den Folgen seiner schweren Verletzungen gestorben.

Das Unfallopfer, so gab der Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) Bornheim wenige Tage später bekannt, war einer der bekanntesten Verfechter für eine radfahrerfreundliche Stadt Bornheim: Gerd Müller-Brockhausen (65) , Sprecher der ADFC-Ortsgruppe, und vielen durch das „Frühlingserwachen“ bekannt, eine jährliche Radtour über die Bauernhöfe, Betriebe und Direktvermarkter, die er zusammen mit der Stadt organisierte und als Tourenleiter anführte.

Er vertrat den ADFC im Bornheimer Arbeitskreis Radverkehr und war maßgeblich an der Erarbeitung des Radverkehrskonzeptes beteiligt. Sein tragischer Unfall gibt auch drei Wochen nach der Kollision noch Rätsel auf. Laut der Polizei ist der Hergang noch nicht abschließend geklärt.

„Hat er nicht aufgepasst? Hat die Autofahrerin einen Fehler gemacht?“ Diese Fragen stellte Stefan Wicht, Vorstandsmitglied des ADFC, bei einer öffentlichen Gedenkstunde an der Unfallstelle vor vielen Freunden und Wegbegleitern Müller-Brockhausens.

Auch die Witwe und die beiden Söhne waren dabei, als der ADFC ein so genanntes Geisterrad aufstellte. Daran war eine Fotographie des Verunglückten befestigt, weißer Kies war ausgestreut, Opferlichter brannten und Freunde hatten Blumen am Fahrrad befestigt.

ADFC-Vorstand stellt Fragen

„Wir alle machen Fehler, weil wir Menschen sind“, sagte Wicht, „aber was sind das für Verkehrsverhältnisse, wo die Verkehrsteilnehmer einander umbringen? Warum sind wir nicht klug genug, den Verkehr so zu organisieren, dass Opfer vermieden werden? Warum hat diese Straße keinen begleitenden Radweg?“

Laut einer Umfrage hätten etwa 60 Prozent der Deutschen Angst beim Fahrradfahren. „Wir brauchen mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer“, betonte Wicht und verwies auf die Niederlande, wo das Radfahren sicherer sei. Auch Gerd Müller-Brockhausen habe gesehen, dass die Verhältnisse hierzulande verbessert werden müssten und sich engagiert.

Seine Hoffnung hätten auf den Radpendlerrouten von Bornheim über Alfter nach Bonn und von Bornheim nach Brühl bis nach Köln geruht. „Diese Strecken wäre er gerne noch geradelt“, so Wicht, der dazu aufrief, sich dafür einzusetzen, dass nicht noch weitere Radfahrer in Bornheim tödlich verunglücken.

Der ADFC Bornheim habe nach dem Tod seines Sprechers ein Spendenkonto eingerichtet, auf dem bereits über 2100 Euro eingegangen seien. „Wir wollen mit diesem Geld einen Radverkehrsplaner aus den Niederlanden engagieren, der unsere Situation hier analysiert, Ideen entwickelt und Vorschläge macht, wie wir den Radverkehr in Bornheim besser und sicherer machen können.“ Das wäre laut Wicht sicher im Sinne des Verstorbenen gewesen.

13 Jahre lang Radtouren organisiert

Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler berichtete von den sichtbaren und unsichtbaren Spuren, die der Verunglückte in den Herzen seiner Familien aber auch bei vielen Menschen hinterlassen habe. Dabei erinnerte er an die Fahrradtouren, die Gerd Müller-Brockhausen im Rahmen des Frühlingserwachens im Vorgebirge, die er von der ersten Veranstaltung vor 13 Jahren an organisiert und durchgeführt habe.

„Und die Rheinische Apfelroute hat er nicht nur mit geplant, sondern ist sie anschließend natürlich auch selbst gefahren, um zu prüfen, ob sie nicht auf dem Reißbrett, sondern auch in der Praxis funktioniert“, so Henseler.

Spuren hinterlasse er auch in seinem Heimatort Hersel, wo das Unfallopfer unter anderem als Sänger und Kassierer im Vorstand des Männergesangvereins Aegidius mitwirkte. Man habe ihm einfach angemerkt, dass er immer ganz und gar bei der Sache war – ein überzeugter Fahrradfahrer, aber auch ein kreativer Kopf, mit Freude am Gestalten.

Geisterräder

Die Idee, weiß gestrichene Fahrräder („Ghost Bikes“) als Mahnmale für im Straßenverkehr tödlich verunglückte Radfahrer am Unglücksort aufzustellen, stammt aus den USA. Die ersten 20 Geisterräder wurden 2003 in St. Louis. Sie weisen neben der Funktion als Gedenkstätte auch auf mögliche Gefahrenpunkte hin. Der ADFC griff die Idee erstmals 2009 in Berlin auf. (Bir/mkl)

„Sein viel zu früher und tragischer Tod ist ein herber Verlust nicht nur für seine Familie, sondern auch für die Stadt Bornheim und alle ihre Radfahrerinnen und Radfahrer“, betonte Henseler, der einräumte, dass die Liste der notwendigen Verbesserungen für den Radverkehr im Stadtgebiet lang sei.

„Wenn dieser tragische Tod etwas in unseren Gedanken auslöst, um die Situation zu verbessern, dann sollten wir das möglichst bald umsetzen“, sagte er. Als Beispiel nannte Henseler den Radweg entlang des Heerweges und den nach Heimerzheim ebenso den Schnellradweg nach Alfter.

Zum Schluss betätigten die vielen Radfahrer aus Bornheim und der Region anstelle einer Schweigeminute ihre Fahrradklingeln und sagten so ihrem Freund und Wegbegleiter Adieu.

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