Die Schlacht von Verdun"Partnerschaft des Friedens" ist ein Zeichen der Vergebung

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"Les Adieux" - eine Skulptur für Verdun - Rheinbach.

  • Im Ersten Weltkrieg wurde Vaux-devant-Damloup in der Schlacht um Verdun 1916 vollkommen zerstört.
  • Anlässlich des 101. Jahrestages gab es eine Gedenkfeier in Verdun.
  • Die "Partnerschaft des Friedens" soll daran erinnern und ein Zeichen des Vergebens sein.

Douaumont-Vaux/Rheinbach – Ein Waldweg unweit von Verdun: der Boden links und rechts übersät von Hunderten merkwürdiger kleiner und größerer Trichter. Ganz vereinzelt ragt ein Stein oder sogar ein Mauerrest unter dem Gehölz und Moos hervor. Hier stand bis 1916 Vaux-devant-Damloup, das ebenso wie Douaumont und sieben weitere Orte während der Schlacht von Verdun dem Erdboden gleichgemacht wurden.

Eine ganze Generation traumatisiert

60 Millionen Granaten und anderes Geschütz schlugen innerhalb von 300 Tagen auf dem nur 30 Quadratkilometer großen Gebiet ein, mindestens 300 000 französische und deutsche Soldaten starben, 400 000 wurden verwundet, eine ganze Generation traumatisiert.

Auf diesem von Munition, Kadavern und Giftgas zerstörten Boden – einem einzigen großen Friedhof – haben Rheinbach und die Gemeinde Douaumont-Vaux rund um den 101. Jahrestag des Waffenstillstands zwischen Frankreich und Deutschland eine besondere Verbindung geschlossen.

Am Gebeinhaus von Douaumont wird dem Ende des Ersten Weltkriegs vor 101 Jahren gedacht.

Am Gebeinhaus von Douaumont wird dem Ende des Ersten Weltkriegs vor 101 Jahren gedacht.

Was ist die Partnerschaft des Friedens?

Die Stadtväter wünschen sich, dass die freundschaftlichen Kontakte der Kommunen und der Menschen in besonderer Weise gepflegt werden. Dazu werden Begegnungen organisiert und zeitgemäße Angebote für junge Menschen entwickelt, die sie nachhaltig für die Geschichte und die Wahrung des Friedens sensibilisieren sollen.

Mit der Partnerschaft des Friedens wollen Rheinbach und die französische Kommune die Verantwortung für den Prozess der Verständigung auf die nächste Generation übertragen. „Alle jugendlichen Schüler aus Rheinbach sollen wenigstens einmal Douaumont-Vaux besuchen“, sagte Bürgermeister Stefan Raetz, „jeder, der einmal hier war und mitfühlt, was passiert ist, der wird zu einem Botschafter des Friedens, der deutsch-französischen Freundschaft und eines geeinten Europa!“

Ein Zeichen des Vergebens

Die Unterzeichner stellen ihr Versprechen selbstbewusst in eine Reihe mit dem Elysee-Vertrag vom 22. Januar 1963, mit dem Charles de Gaulle und Konrad Adenauer die Keimzelle der deutsch-französischen Freundschaft gelegt haben, sowie mit dem Händedruck zwischen Francois Mitterand und Helmut Kohl in Verdun am 22. September 1984.

Nach diesen beiden historischen Daten werde mit dem 10. November 2019 ein weiteres Zeichen des Vergebens und des Mahnens, aber nicht des Vergessens, gesetzt, sagte Raetz und warnte eindringlich. „Kriege brechen nicht aus, sie werden gemacht. Wir leben in Frieden, aber wir können uns dem nicht sicher sein. Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit!“

Warum wurde gerade Rheinbach ausgewählt?

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, bei der Landesbeauftragter Philipp Lerch für das Forschungsprojekt „Die Schlacht von Verdun – deutsch-französische Wege nach Europa“ verantwortlich ist, hatte den Bürgermeistern von Douaumont und Vaux, die nach der 100-Jahr-Feier des Kriegsendes das Gedenken und die Beschäftigung mit der Vergangenheit modernisieren wollen und deshalb auf der Suche nach einer deutschen Partnergemeinde waren, die Verbindung in den Rhein-Sieg-Kreis vorgeschlagen.

Stefan Raetz entzündete im Gebeinhaus von Douaumont die Flamme des unbekannten Soldaten mit. 

Stefan Raetz entzündete im Gebeinhaus von Douaumont die Flamme des unbekannten Soldaten mit. 

Rheinbach hatte mit der von Erich Scharrenbroich in Auftrag gegebenen Skulptur „Les Adieux“, die anlässlich des 50-jährigen Bestehen des Elysee-Vertrages 2013 im Fort Douaumont aufgestellt wurde, bereits etwas Bleibendes in der Region geschaffen. Die Arbeit des Rheinbacher Militärhistorikers Peter Baus, Stabshauptmann a.D, mit deutschen und französischen Jugendlichen und Soldaten war eine weitere Grundlage. Zudem sollte es eine Stadt sein, die klein genug ist, dass sich persönliche und freundschaftliche Kontakte entwickeln können, andererseits durfte es auch kein Dorf von der Größe Douaumont-Vaux’ mit nur 85 Einwohnern sein, damit Schulen vorhanden sind, aus denen auch Schüler nach Lothringen kommen können. Günstig ist auch die relativ geringe Distanz zwischen beiden Kommunen, sie beträgt nur 360 Kilometer oder dreieinhalb Autostunden.

„In Rheinbach ist das dauerhafte Interesse an dieser besonderen Partnerschaft des Friedens zu spüren“, sagte Lerch, „die Stadt kann und wird sich der Verantwortung dieser symbolträchtigen Partnerschaft stellen“.

Welche Emotionen bewegten die Rheinbacher?

Alle Teilnehmer wussten, dass sie auf einem historisch sehr besonderen Boden standen und als Deutsche auch Verantwortung tragen. Zur Fassungslosigkeit über die Gräuel und das Sterben auf dem Schlachtfeld kam aber schnell das Gefühl der Dankbarkeit, dass die Arme weit offen waren. „Das war ein 9. November 2019, den wir alle nicht vergessen werden. Wir wollen dieses Erlebte nutzen, um in die Zukunft zu schauen“, waren sich die mitgereisten Stadtratsmitglieder Silke Josten-Schneider (CDU), Tamara Vogt (FDP), Reinhard Ganten (UWG) und Heribert Schiebener (Grüne) mit Raetz einig.

Welche Gesten wurden den deutschen Gästen zuteil?

Es begann mit der Erlaubnis, im Beinhaus von Douaumont in eine der Katakomben hinabzusteigen, in der die Gebeine von 40 000 unbekannten toten Soldaten liegen. Dorthin, wo auch heute noch fast täglich im Erdreich um Verdun gefundene Menschenknochen gebracht werden, haben normalerweise nur der Erzbischof und der Leiter der Gedenkstätte, Oliver Gerard, Zutritt. Die Gruppe sprach dort ein Vaterunser.

Armand Falque und Raetz unterzeichnen die Verbindung.

Armand Falque und Raetz unterzeichnen die Verbindung.

Stefan Raetz durfte tags darauf ebenfalls im Ossuarium die Flamme des unbekannten toten Soldaten, die vom Pariser Triumphbogen nach Douaumont gebracht worden war, mit entzünden – als zweiter Deutscher nach Bundeskanzlerin Angela Merkel 2016. Bei dieser feierlichen Zeremonie wurde die Nationalhymne der deutschen Gäste als erstes gespielt, dann die Marseillaise. Im Gottesdienst am Tag des Waffenstillstandes (11. November) wurde in der Kathedrale von Verdun auch deutsch gesungen, „Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr“ aus Franz Schuberts Deutscher Messe.

Stefan Raetz legte in einer würdevollen Zeremonie am Denkmal für die Opfer von Verdun anschließend auch mit Armand Falque den Kranz Rheinbachs und Douaumont-Vaux’ nieder, es war der erste einer deutschen Stadt überhaupt. Bei einem Empfang im Rathaus der Stadt erhielten er und Philipp Lerch vom Bürgermeister Samuel Hazard schließlich die Ehrenmedaille der Stadt.

Was ist der „Baum der guten Wünsche“?

Die beiden 13-jährigen Schülerinnen Paula Dörflinger und Friedericke Krancke und ihre Lehrerin Stephanie Ewald vom Städtischen Gymnasium Rheinbach hatten einen großen Ast mitgebracht, der in ihrer Klasse und mit anderen französischen Lerngruppen gebastelt worden war. Aus dem mit Stacheldraht umwickelten Ast – ein Symbol für Krieg und Hass – sprießen Blüten mit Wünschen an die Zukunft. Die Aktion der Rheinbacher Gymnasiasten zog während der drei Tage viel Aufmerksamkeit auf sich. Mehrmals stellten Paula Dörflinger und Friedericke Krancke das symbolträchtige Kunstwerk den französischen Gastgebern vor. Nun wird ein angemessener Ort gesucht. Möglicherweise findet sich ein Platz im Museum „Memorial de Verdun“ in Fleury-devant-Douaumont.

Wie geht es nun weiter mit der Partnerschaft?

Bereits am Volkstrauertag (17. November) kommen die Bürgermeister Armand Falque und Oliver Gerard nach Rheinbach, um am Gedenken an die Toten der Kriege teilzunehmen. Sie sind auch bei der Einweihung eines römischen Glasofens dabei, den junge französische Handwerker in dieser Woche am Glaspavillon aufbauen. In der Zukunft ist auch ein regelmäßiger gemeinsamer Unterricht von Schulen in Rheinbach und Verdun über das Internet angedacht. Lehrerin Stephanie Ewald hat zudem den Schweizer Peter Sauter, Sohn eines Soldaten, der in Verdun schlimm verwundet wurde, eingeladen, im Gymnasium über das Trauma seiner Familie zu berichten. Die Rheinbacher Glasfachschule könnte ein Partner des Projekts „Augmented Reality“ werden, mit dem die französischen Orte ihre Vergangenheit vor dem „Grand Guerre“ erlebbar machen wollen. Und nicht zuletzt kündigte Raetz an, dass er auf einer „Fahrt des Friedens“ mit dem Rad nach Douaumont-Vaux kommen wolle.

Verdun hingegen arbeitet am Aufbau eines deutsch-französischen Gymnasiums.

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