Direktor des Instituts für Hygiene„Die Zeitung muss nicht desinfiziert werden“

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Prof. Martin Exner

Martin Exner, Professor am Universitätsklinikum Bonn

  • Professor Martin Exner ist Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Uniklinik Bonn.
  • Im Interview spricht er über die wichtigsten Regeln, um sich vor dem Coronavirus zu schützen.
  • Außerdem spricht er über mögliche Infektionsquellen und Falschmeldungen.

Bonn – Meist reicht regelmäßiges Händewaschen, sagt Professor Martin Exner. Der Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit an der Uniklinik Bonn und Präsident der Gesellschaft für Krankenhaushygiene gibt Ratschläge für die Hygiene Mit ihm sprach Dylan Cem Akalin.

Was ist die erste Regel der täglichen Hygienemaßnahmen? Die erste Regel ist jetzt in Zeiten, da wir eine Coronavirus-Pandemie haben, dass man die klassischen persönlichen Regeln ernst nimmt: das Händewaschen, Abstandhalten zu Personen, die man nicht kennt – circa Armlänge, und dass man die Husten-Etikette berücksichtigt.

Gut, Händewaschen, in die Armbeuge husten und niesen, das ist klar. Aber worauf muss ich sonst noch achten? Darf ich mich im Bus noch an der Stange festhalten?

Die Hände sind im Grunde wie ein Handschuh. Darüber wird ja nichts aufgenommen, auch keine Krankheitserreger. Aber ich muss darauf achten, dass ich Verunreinigungen nicht in Mund und Augen bekomme. Daher ist die erste Regel: Wenn ich zu Hause bin, wasche ich mir gründlich die Hände. Stimmt die Vorgabe, 30 Sekunden lang die Hände gut mit Seife zu reinigen? Das ist das, was wir bei der Reinigung der Hände mit einem Desinfektionsmittel empfehlen. Entscheidend beim Händewaschen ist die Gründlichkeit. Alle Teile der Hände sollten mit Seife benetzt sein und dann gründlich abgespült und abgetrocknet werden. Ich benutze gerne Papierhandtücher.

Zur Person

Professor Martin Exner ist gebürtiger Rheinländer und seit 1994 am Universitätsklinikum Bonn als Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit beschäftigt. Der 68-Jährige lebt in Bonn mit seiner Frau, mit der er vier Kinder hat.

Und das Desinfizieren mit einem Mittel?

Es gibt Situationen, wo Ihnen nicht überall ein Waschbecken zur Verfügung steht. Wenn ich bei der Visite von einem Patienten zum nächsten gehe, da macht eine alkoholische Händedesinfizierung sehr viel Sinn. Auch da gibt es bestimmte Verfahren: Ich nehme ausreichend viel Desinfektionsmittel in die hohle Hand und verreibe es so, dass die Fingerzwischenräume und die Fingerkuppen auch gereinigt werden. Da halte ich die Zeit von 30 Sekunden ein. Unter 15 Sekunden ist keine Desinfektion sicherzustellen.

Aber im normalen Haushalt reicht das Händewachsen?

Durchaus, es sei denn, Sie haben es mit anfälligen Personen zu tun.

Was machen Sie, wenn Sie einkaufen gehen? Desinfizieren Sie den Griff vom Einkaufswagen im Supermarkt?

Nein, das tue ich nicht. Ich weiß, ich fasse auch mögliche kontaminierte Gegenstände an, und solange ich mir nicht in den Mund oder an die Augen fasse, ist das Risiko, sich zu infizieren, relativ gering – auch in Zeiten von Covid-19. Aber wenn ich zu Hause bin, wasche ich mir sofort die Hände.

Was empfehlen Sie Eltern mit kleinen Kindern?

Den Kleinen können Sie tausendmal sagen, sie sollen die Finger nicht in den Mund nehmen, aber das ist natürlich ganz schwierig. Kinder krabbeln nun mal auf dem Boden. Dabei nehmen sie natürlich unterschiedliche Bakterien und Viren mit auf. Das trainiert durchaus auch das Immunsystem. Wenn man ihnen zwischendurch mal die Händchen wäscht, ist das in der Regel ausreichend.

Was empfehlen Sie Menschen mit Tieren? Das Virus kann von Mensch zu Tier und umgekehrt nicht übertragen werden. Aber sollte ich meinem Hund nach dem Gassigehen die Pfoten desinfizieren?

Wir haben auch einen Golden Retriever. Das ist überhaupt nicht notwendig. Die Viren schwirren ja nicht in der freien Natur herum und befallen die Tiere beim Spazierengehen im Wald oder im Park.

Wie sieht es aus mit Paketen und überhaupt mit der Post? Oder der Zeitung, die morgens ausgeliefert wird? Kann ich die unbedenklich aus dem Briefkasten holen oder muss ich die zunächst desinfizieren?

Nein! Ich lese auch Zeitung und bekomme Post. Das Institut für Risikobewertung hat diese Frage sehr klar in diesem Sinne beantwortet. Das ist nicht der entscheidende Infektionsweg. Das Virus ist relativ anfällig. Das kann zwar einen längeren Zeitraum persistieren. Man geht bei dem Virus von Stunden bis Tagen des Überlebens aus. Nichtsdestotrotz kann man feststellen: Das stellt keinen relevanten Übertragungsweg dar. Aber auch hier gilt die Übung, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Der entscheidende Infektionsweg ist der enge Kontakt mit Personen, die Ausscheider sind und von denen ich angehustet oder angeniest werde.

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Das Smartphone ist ja wahrscheinlich auch ein potenzielles „Infektionsgebiet“. Was mache ich damit?

Da stellt sich die Frage: Nutze ich das Smartphone alleine oder mit anderen. Das Handy ist ein Gegenstand des persönlichen Alltags. Ich habe es bisher noch nicht desinfiziert. Aber wir wissen durchaus, dass da auch ein entsprechender Schmier drauf ist. Reinigen sollte man es insbesondere dann, wenn es wechselseitig von mehreren Personen genutzt wird. Aber das zählt zu den allgemeinen Hygienemaßnahmen, weniger wegen Covid-19. Übrigens wichtiger ist der Hinweis von Professor Christian Drosten, der ja früher auch hier in Bonn war, der sagt: Wenn ich in der Gaststätte bin, trinke ich mein Bier lieber aus der Flasche.

Sie nannten eben die Desinfektionstücher. Die WHO hat eine Anleitung zur eigenen Herstellung online gestellt. Was halten Sie davon?

In der Regel scheint es ja so zu sein, dass man auch mit Seife einen entsprechenden Effekt auch auf die Viren erzielen kann. Das geht aus virologischen Untersuchungen hervor. Wir befassen uns sehr intensiv mit der Frage der Desinfektion, und auch die Fachkollegen der Virologie sagen, dass man mit herkömmlichen Reinigungsmitteln agieren kann. Wenn Sie zum Beispiel die auf Chlor basierten Haushaltsreiniger für Oberflächen benutzen, die scheinen eine gute Wirkung zu haben.

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