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Erneuter RückschlagDie Flut hat Lebensmittel und Gastronomien in Rheinbach zerstört

Lesezeit 8 Minuten
Zur Unterstützung der Menschen im Katastrophengebiet bringt Christopher Nolden Eis zu Betroffenen und Helfern.

Zur Unterstützung der Menschen im Katastrophengebiet bringt Christopher Nolden Eis zu Betroffenen und Helfern.

Rheinbach – Die Rheinbacher Gastronomie öffnet nach und nach wieder. Die Anziehungskraft des Rheinbacher Zentrums ist eng mit seiner vielfältigen Gastronomie verknüpft. Die bereits durch die Pandemie schwer gebeutelte Branche ist von der Flutkatastrophe ein weiteres Mal getroffen worden. Die Spuren der Überflutung sind kaum noch sichtbar, so dass die Mehrzahl der Betriebe mittlerweile wieder geöffnet hat. Doch die Sorge um deren Fortbestand bleibt.

Gastronomen ereilt ein Rückschlag nach dem anderen

Geradezu sinnbildlich für die gesamte Situation ist die Pechsträhne von Rosaria Rosignanno. Im Februar des vergangenen Jahres hatte sie die „Osteria Italiana“ auf der Hauptstraße übernommen. Nur wenige Wochen später ereilte sie der erste Lockdown. Als Anfang Juni 2021 der zweite Lockdown beendet wurde, schien das Schlimmste überstanden. Nur zwei Wochen später folgte der nächste Rückschlag: ein Kurzschluss im Keller, der einen Brand auslöste.

Die Osteria musste erneut schließen, das Untergeschoss wurde renoviert und eine Wiedereröffnung war erst am 12. Juli möglich. Zwei Tage später standen weite Teile der Rheinbacher Innenstadt unter Wasser. Die braune Brühe überschwemmte den frisch renovierten Keller. Die Lebensmittel in den Kühlschränken, die gerade befüllt worden waren, sind durch den Stromausfall verdorben.

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Viele hatten Glück im Unglück

Mittlerweile läuft der Strom zwar wieder, aber es gibt noch kein Gas. Die Osteria ist immerhin geöffnet und der Pizzaofen läuft. Allerdings muss das Team improvisieren, weil für die Zubereitung von Pasta, Fisch und Fleischgerichten augenblicklich lediglich zwei Kochfelder zur Verfügung stehen. „Wir hatten Glück“, sagt Rainer Kaspari. Eine Woche ohne Strom habe zwar zu Einnahmeverlusten geführt. Der Schaden sei jedoch überschaubar geblieben, da das Wasser den Innenbereich der Bier- und Weinstube Klein Rheinbach verschonte.

„Die leicht erhöhte Lage auf der Pützstraße hat uns vor Schlimmerem bewahrt“, meint der Gastwirt. Das Restaurant „der Genuss“ auf der Weiherstraße hat mehr abbekommen. „Unser Keller ist vollgelaufen. Wir haben außer unseren Lebensmitteln auch Teile des Mobiliars eingebüßt“, sagt Gastgeberin Govan Aziz. Insgesamt blieb das Lokal zehn Tage geschlossen.

Eisvorräte im Keller fielen dem Hochwasser zum Opfer

Erhebliche Verluste beklagt Familie Guzzo. Während Vater Giuseppe das Ristorante „Da Pino“ leitet, ist Sohn Alessandro für das Eiscafé „The Ice Cream“ direkt am Wasemer Turm verantwortlich. In beiden Lokalen liefen die Keller voll. „Wir besitzen zwar eine Versicherung, die uns bei Hagel oder Rohrbruch absichert, aber keine Schäden durch eindringendes Grundwasser abdeckt“, sagt Alessandro Guzzo.

Im Keller der Eisdiele lagerten Vorbestellungen, die ebenso vernichtet wurden, wie Lebensmittel im Keller des Ristorantes. Die Eisdiele ist inzwischen wieder geöffnet, das Ristorante aber weiterhin geschlossen. „Wir wissen noch nicht, wann es dort weitergeht. Momentan beschränken wir uns auf den Lieferservice“, erklärt Guzzo.

Auf das Café „Der Silberlöffel“ müssen die Gäste noch länger verzichten. „Vielleicht kann ich in zwei bis drei Monaten wieder öffnen, aber es kann durchaus noch länger dauern“, sagt Gastgeberin Iris Krüger-Hambach. Viele Renovierungsarbeiten müssen erst genehmigt werden, da das Haus unter Denkmalschutz steht. Außerdem werden Handwerker in den kommenden Monaten alle Hände voll zu tun haben.

Café komplett von Schlamm bedeckt

„Nach der langen Zeit des Lockdowns solch eine Katastrophe zu bewältigen, zehrt an den Nerven. Mich und das Café hat es mitten ins Herz getroffen“, so Krüger-Hambach. Das Café und der Hof waren komplett von Schlamm bedeckt. Auch das Lager mit allen Vorräten, das die Betreiberin am Stadtpark unterhält, stand unter Wasser. Immerhin ist das Café rundum versichert. „Dieses Erlebnis war ein erneuter Schlag, aber der Zuspruch meiner Stammgäste und die Welle der Hilfsbereitschaft sind enorm. Beides hilft mir, alles dafür zu tun, dass das Café überlebt“, so die Betreiberin.

„Im Sommer herrscht bei uns normalerweise Hochbetrieb. Daher sind die Verluste erheblich“, sagt Peter Schemerka, Juniorchef im Brauhaus Rheinbach. Sobald das Terrassengeschäft Fahrt aufnimmt, seien die Lager gut gefüllt. Glücklicherweise sei das Brauhaus verschont geblieben, aber das Lager in Oberdrees habe unter Wasser gestanden. Neben Lebensmitteln beklagt Schemerka den Verlust von Elektrogeräten und zahlreicher Möbel. „Leider sind wir nicht elementarversichert, sodass wir die Schäden selber tragen müssen.“

Zu Corona-Verlusten kommen jetzt hohe Sanierungskosten

Doppelt betroffen ist Benedikt Frechen. Sowohl im Keller des Restaurants „Anna Seibert“ als auch im Untergeschoss des Cafés „Zuckerstück“ stand das Wasser. Während viele der jüngeren Häuser in der Umgebung voll liefen, blieb das Erdgeschoss verschont. „Das Fachwerkhaus ist höher gebaut“, erklärt Frechen. Zu den Einnahmeverlusten durch die erneute Schließung kommen Sachschäden.

„Wir haben zwei Kühlhäuser verloren. Die Toiletten sind zerstört, die Tischwäsche voller Schlamm und die Weine aus unserem Keller haben ihre Etiketten eingebüßt.“ Eine Elementarversicherung besitzt er nur für das Café. Den Betrieb des Restaurants wird Frechen am 6. August mit einem mehrgängigen Menü rund um den Hummer starten. Am 20. August folgt mit einem „Wine and Dine“-Abend die nächste kulinarische Veranstaltung (anna-seibert.de). Die Einnahmen dieses Events sollen den Opfern der Flut zugutekommen.

Da der Keller noch länger unbenutzbar sein wird, stehen ein Kühlanhänger und ein Toilettencontainer vor der Tür. Im Café werden seit Samstag wieder Gäste empfangen. Obwohl es weitergeht, bleibt Frechen skeptisch: „Unsere Gäste nehmen unser Konzept sehr gut an. Aber einen erneuten Rückschlag könnten wir nicht mehr wegstecken.“ Trotz der Sorgen haben Frechen und sein Team die Nöte der Menschen nicht vergessen, die noch schwerer getroffen wurden. Die Crew hat in der Auszeit zwei Tage im Flutgebiet an der Ahr geholfen.

Taxishuttle und Unterkunft

Viele Hotels in den Regionen Bonn, Köln und Aachen bieten den von der Hochwasser-Katastrophe betroffenen Menschen ein Zimmer. Der Nahverkehr Rheinland (NVR), der Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), die Deutsche Bahn (DB) sowie der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord) unterstützen dieses Engagement.

„Um den Transport der Menschen aus Regionen, die derzeit nicht mehr durch SPNV und ÖPNV erschlossen sind, zu den Hotels zu organisieren, bauen wir gemeinsam mit den weiteren Projektpartnern einen für die Betroffenen, die so viel Leid erfahren mussten, kostenlosen Taxishuttle auf“, erläutert NVR-Geschäftsführer Heiko Sedlaczek. Aktuell sind der Kreis Euskirchen, die Stadt Rheinbach, Swisttal und das Ahrtal durch das Angebot abgedeckt. Der NVR kontaktiert fortlaufend weitere Taxiunternehmen, um den Transport der vom Hochwasser Betroffenen aus weiteren Kommunen anzukurbeln.

Busshuttles für den Transport der Hochwasseropfer in die Hotels waren zunächst geplant, doch die Bündelung der Fahrten gestaltete sich sehr schwierig.

Die im DEHOGA organisierten Hoteliers stellen Zimmer mit mehr als 1000 Betten kostenlos zur Verfügung. Der DEHOGA übernimmt die Vermittlung zwischen Betroffenen und Hoteliers. „Hierfür haben wir eine Hotline eingerichtet, über die sich vom Hochwasser Betroffene in Nordrhein-Westfalen und im nördlichen Rheinland-Pfalz bis uns melden können. Sie erhalten dort die Kontaktdaten der Taxiunternehmen“, erklärt Christoph Becker, verantwortlicher Geschäftsführer im DEHOGA Nordrhein und Initiator der Hotline. Die Hotline ist täglich von 10 bis 18 Uhr erreichbar unter: 0800/9886071.

Der Nahverkehr ist durch die Hochwasser-Katastrophe vielerorts immer noch eingeschränkt. Der NVR empfiehlt daher allen Reisenden, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen wollen, sich vor Fahrtantritt zu informieren, etwa auf www.zuginfo.nrw. Aufgrund der dynamischen Lage kann es noch zu zusätzlichen Ausfällen, Verspätungen und Beeinträchtigungen kommen. Eine Zusammenstellung über die aktuelle Lage: nvr.de/flutauswirkungen-aktuelle-zuginformationen.

In vier Tagen ohne Strom verwandelte sich leckeres Salzkaramell-, Mango- und Stracciatella-Eis in eine ungenießbare Eissuppe. Als der Stromausfall im Eiswerk am 22. Juli behoben war, lief die Produktion sofort wieder auf Hochtouren. Schon am Tag darauf war der Laden zurück. Betreiber Christopher Nolden wollte aber nicht gleich zur Tagesordnung übergehen, sondern auch den Geschädigten beistehen.

Mit dem Eiswagen ins Katastrophengebiet

Mit Ehefrau Kerstin fasste er den Plan, seinen Eiswagen überall dort hinzusteuern, wo die Not besonders groß ist. Seit dem 24. Juli ist der türkisfarbene Citroën im Katastrophengebiet unterwegs. Erste Stationen waren Bad Münstereifel, Palmersheim, Iversheim und Schweinheim. Der Wagen besuchte zudem die Dörfer rund um Rheinbach, fuhr nach Odendorf, Weilerswist und Erftstadt.

Kerstin und Christopher Nolden möchten den von Hochwasser betroffenen Menschen, den Helfern und vor allem den Kindern ein wenig Trost spenden. In Ringen war Nolden, um die Helfer auf dem Shuttle-Parkplatz nach getaner Arbeit zu belohnen, in Heimerzheim bereicherte er am gestrigen Sonntag das Helferfest. Das Eis vom Wagen gibt es kostenlos oder gegen eine Spende. Dabei erfreut sich das Eiswerk bundesweiter Unterstützung.

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Mehrere Eisdielen, die ihr Eis nach denselben Prinzipien herstellen, nämlich ohne Konservierungs- und weitere Zusatzstoffe, haben Nachschub für die Aktion beigesteuert. Christopher Nolden erlebt in diesen Wochen viele bewegende Momente. „Was ich bisher gesehen habe, ist schwer in Worte zu fassen“, sagt er. „Uns wird unglaublich viel Dankbarkeit entgegengebracht. Manche Menschen sind derart gerührt, dass sie Tränen vergießen. Andere möchten über ihre schrecklichen Erlebnisse sprechen.“ In den kommenden Tagen geht die Tour in die betroffenen Orte an der Ahr. Dafür sind mindestens zwei Wochen eingeplant. Die Initiative kann man auch weiterhin unterstützen.

Hotelbetreiber bieten Betroffenen Obdach

Geholfen haben auch Katharina und Jens Pfannkuch aus dem Rheinbacher Waldhotel. Im Waldhotel fehlte der Strom in den fünf Tagen nach der Flut. Doch danach konnten sowohl das Hotel als auch das dazugehörige Restaurant wieder in den Regelbetrieb übergehen. In der Nacht des 14. Juli und an den folgenden Tagen fanden Betroffene im Hotel Obdach.

„Während der ersten Nacht haben wir zahlreiche gestrandete Menschen aufgenommen“, berichtet Katharina Pfannkuch. Der Saal und der Bereich um die Bar wurden kurzerhand in ein Matratzenlager verwandelt. Sonntags spendierten die Gastgeber den Helferinnen und Helfern in Rheinbach 500 Essen.

Die Pfannkuchs leiten auch das Restaurant Stellwerk in Meckenheim. Dort boten sie in der Nacht auf den 15. Juli Einsatzkräften ein Dach über dem Kopf: „Wir hatten rund um die Uhr offen. Neben trockenen Räumen und Toiletten haben wir alle mit Kaffee und Tee versorgt.“

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