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Hybridunterricht und DistanzlernenZwei Unterrichtsbeispiele aus der Region Rhein-Sieg

Lesezeit 4 Minuten
Lehrerin Claudia Vornholt vom Gymnasium der Ursulinenschule in Bornheim-Hersel leitet ihre Schulstunde von zu Hause aus über den Computer.

Lehrerin Claudia Vornholt vom Gymnasium der Ursulinenschule in Bornheim-Hersel leitet ihre Schulstunde von zu Hause aus über den Computer.

Rhein-Sieg-Kreis – Das Klassenzimmer ist mehr als halbleer. Wo sonst 30 Schüler sitzen, verteilen sich nur zehn im Raum. Die Lehrerin schreibt für sie eine Matheaufgabe an die Tafel. Auf dem Lehrerpult ein Tablet, von dem weitere 20 kleine Gesichter aus mit auf die Tafel schauen. So läuft der Hybridunterricht per Videokonferenz in der Gesamtschule Rheinbach. Der Unterricht läuft ab, wie zuvor. Die Kinder lernen zeitgleich, sind entweder in der Klasse oder digital live dabei. Aufgabenstellungen gibt es zu Beginn, Arbeitsphasen folgen – anschließend werden exemplarisch Lösungen besprochen. Auch Gruppenarbeiten sind möglich – im Klassenraum und digital. Bevor es dazu kam, musste es am Wochenende schnell gehen: Erst Freitagmittag gegen 13.30 Uhr kam der Beschluss des Ministeriums per E-Mail: Ab Montag Distanzunterricht, fünfte bis siebte Klassen können freigestellt werden.

Schulleiterin Elke Dietrich-Rein machte die Erfahrung, dass die Eltern schneller informiert waren. Sie erhielt noch vor der Mail vom Ministerium Anfragen von den Eltern der Schulpflegschaft, wie es denn jetzt weiterginge. „Wir haben bereits morgens vorsorglich alle Schüler aufgefordert, ihre Materialien nach Schulschluss mit nach Hause zu nehmen“, so die Direktorin, für die der Beschluss angesichts der steigenden Infektionszahlen keine Überraschung war. Die Gesamtschule in der Glasstadt besuchen derzeit 986 Schüler, 482 davon gehen in die Stufen fünf bis sieben. „Rund ein Drittel der Fünft- bis Siebtklässler erscheint weiterhin“, so die Direktorin.

Von denen, die zuhause bleiben, klagten einige über eine „schlechte Internetverbindung“, berichtete Heidi Koepp. Die Situation sei „eine große Herausforderung und einen Lernprozess“. Koepp unterrichtet die 7. Klassen in Kunst. „Also halte ich fünfmal die gleiche Videokonferenz ab. In Zukunft müsste es möglich sein, sie alle zusammenzuschalten. Dann hätte ich mehr Zeit mich um einzelne Schüler zu kümmern oder Kollegen zu helfen, denn viele ältere von ihnen stoßen bei der Technik an ihre Grenzen, das löst sehr viel Stress aus.“

Eltern schauen über die Schulter

Auf der anderen Seite der Internetleitung hätten wiederum Eltern eine hohe Erwartungshaltung und schauten ihren Kindern teilweise über die Schulter, um zu sehen was die Lehrer so machen – im Klassenzimmer ist das nicht möglich. Mittendrin sind die Kinder und Jugendlichen. „Ich nehme jedoch ein hohes Engagement bei den Schülern war“, sagt Koepp.

Szenenwechsel: In Bornheim sitzt Lehrerin Claudia Vornholt am eigenen Schreibtisch daheim, hat den großen Bildschirm ihres Mannes an ihr Tablet angeschlossen, um ihre Schülerinnen besser sehen zu können. Die Klassenräume ihres Herseler Ursulinengymnasiums sind bereits seit Dienstag komplett verwaist. Alle 727 Schülerinnen bleiben daheim. „Wir haben den Tenor der Mitteilung des Ministeriums so verstanden, dass die Kinder möglichst zu Hause bleiben sollen. Da dies auch aus den Rückmeldungen der Eltern hervorging, haben wir ab Dienstag komplett auf Distanzunterricht umgestellt“, kommentiert der Schulleiter des Ursulinen-Gymnasiums, Karl Kühling, seine Entscheidung. Eine Notbetreuung wurde zwar eingerichtet, diese sei aber nicht in Anspruch genommen worden. Auch in der Ursulinen-Realschule haben die Eltern der Bitte, die Kinder möglichst zuhause zu lassen, größtenteils entsprochen. Von 403 Schülerinnen besuchten gestern nur noch 20 den Präsenzunterricht.

Information des neuen Lockdowns zu kurzfristig

Die Nachricht des Beschlusses kam für Kühling fast zu spät „Wir haben es noch gerade zum Ende der letzten Stunde geschafft, die Schülerinnen damit zu beauftragen, ihre Schließfächer zu leeren“, berichtete er. „Wir hätten uns die Information bereits am Donnerstagabend gewünscht, dann hätten wir es nicht Freitagvormittag von den Schülern erfahren müssen“, erklärt auch Lehrerin Elisabeth Korte, die am Ursulinen-Gymnasium das Konzept zum digitalen Unterricht mitgestaltet. Ganz reibungslos lief der Wechsel zum Lernen auf Abstand nicht. „Wir hatten am Montag technische Probleme, die wir aber bis mittags lösen konnten“, erklärte Schulleiter Kühling. Die Server des kirchlichen Trägers kamen scheinbar nicht mit, als 32 Schulen gleichzeitig die digitalen Möglichkeiten ausschöpfen wollten.

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Für den digitalen Unterricht in Hersel war nach den Erfahrungen im Frühjahr beim ersten Lockdown ein eigener Stundenplan erstellt worden. Die Schülerinnen sollen danach höchstens drei Videokonferenzen am Tag mitmachen, ansonsten werden Arbeitsblätter oder Aufgabenstellungen bereits vor der Stunde auf der Lernplattform Moodle zum Download bereit gestellt. Die Ergebnisse müssen meist abfotografiert und hochgeladen werden.

Mathelehrerin Claudia Vornholt hat zudem Regeln für ihre Videokonferenzen eingeführt: Wer etwas wissen möchte, meldet sich mit einem Fragezeichen im parallel laufenden Chat. Ein Ausrufezeichen bedeutet eine Wortmeldung. In beiden Fällen darf dann das Mikro eingeschaltet werden. Die Bornheimer Mathelehrerin bemerkte in dieser Woche, dass „Fragesteller zurückhaltender sind“. Im Unterricht könne die Lehrerin die Mimik lesen, digital nicht. Auch Elisabeth Korte sieht das Distanzlernen mit gemischten Gefühlen: „Die Schere der individuellen Leistungen wird jetzt noch größer.“ Es sei besonders wichtig, dass die Schüler zu Hause ein entspanntes Lernumfeld haben.

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