Unglück mit der Zahnradbahn„Schwarzer Sonntag“ am Drachenfels vor 60 Jahren

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Der Blick talwärts auf den damaligen Unglücksort: Rechts liegt der abgebrochene Betonoberleitungsmast, der von der entgleisten Lok umgestoßen wurde.

Der Blick talwärts auf den damaligen Unglücksort: Rechts liegt der abgebrochene Betonoberleitungsmast, der von der entgleisten Lok umgestoßen wurde.

Königswinter – „Viele Schwerverletzte wissen noch nicht, daß ihre Angehörigen nicht mehr unter den Lebenden sind“, schrieb die Bonner Rundschau auf einer Sonderseite am 16. September des Jahres 1958. „Schwerverletzt liegt in einem Krankenhaus eine Frau, deren drei Kinder ums Leben gekommen sind, während das vierte mit dem Tode ringt. Der Mann liegt ebenfalls, allerdings nicht so schwer verletzt in einem Hospital.“

Es war ein furchtbares Drama, das sich am Sonntag, 14. September, gegen 18.45 Uhr auf der Drachenfelsbahn ereignete. Die Lok entgleiste und einer von drei Personenwaggons wurde komplett zerstört. 17 Menschen starben und 112 wurden verletzt. So die Zahlen der Bergbahnen im Siebengebirge AG, die am kommenden Freitag eine Eisenstatue an der Außenwand der Talstation enthüllt, um an die Opfer des Unglücks zu erinnern, das sich vor 60 Jahren ereignete. In einigen Berichten ist von 16 Toten die Rede, doch dabei habe man wohl, so der heutige Vorstand der Bergbahnen AG, Klaus Hacker, auf Anfrage, einen Heizer vergessen, der ebenfalls zu Tode kam.

Das virtuelle Brückenhofmuseum des Heimatvereins Oberdollendorf und Römlinghoven hat eine Bildstrecke mit Aufnahmen des Unglücks, Berichten der Feuerwehr und Zeitungsartikeln ins Netz gestellt, um an das Unglück zu erinnern. „An der Unfallstelle“, heißt es dort im Einsatzbericht der Freiwilligen Feuerwehr Königswinter, datiert vom 17. September 1958, „bot sich folgendes Bild: Die Lokomotive des talwärts fahrenden Dampfzuges war entgleist und lag an der rechten Seite des Bahndamms. Die drei folgenden Personenwagen waren in der ganzen Länge weiter gelaufen (...), wobei der erste Wagen aus den Schienen sprang, und von den nachfolgenden gegen einen Betonmast und anschließend gegen einen Baum geschleudert und eingedrückt worden“ (sic). Zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz und der Polizei kümmerten sich die Retter um die Verletzten und bargen die Toten.

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Erschütternde Suche nach Vermissten

Von 16 Toten und 87 Verletzten berichtete die Rundschau am 16. September, zwei Tage nach dem „Schwarzen Sonntag“, wie es in dem Bericht hieß. In den Polizeirevieren spielten sich demnach erschütternde Szenen ab, weil die Menschen nach Angehörigen suchten. Die meisten der verunglückten Ausflügler hatten keinen Personalausweis dabei. Bis zum Mittag des Montags seien im Krankenhaus Verletzte operiert worden.

Auslöser der schweren Unglücks war, so ergaben die späteren Untersuchungen, eine Kombination aus menschlichem und technischem Versagen. In der Panik, so der heutige Vorstand Klaus Hacker, habe der Lokführer wohl seinerzeit alles vergessen, was ihm beigebracht worden sei und das Maximale aus den Bremsen herausgeholt, was die Lok – als alle Bremsen griffen – aus der Zahnstange springen und gegen einen Baum kippen ließ. Der erste von drei Personenwaggons wurde zerstört.

„Fest steht“, schrieb die Rundschau auf ihrer Sonderseite über den Unfallhergang: „Die äußeren, normalen Räder des Zuges sind dann über die Eisenbohlen des Bahnkörpers gerollt. Sie haben deutlich Einbuchtungen hinterlassen. Es ist fast als ein Glücksumstand anzusprechen, dass der Zug in dem an der Böschung stehenden Baum ein unüberwindliches Hindernis fand. Unvermeidlich wären sonst alle Wagen in der darauffolgenden Kurve, die in einer Überführung mündet, abgestürzt. So aber konzentrierte sich das Unheil auf einen Wagen.“

Auszüge aus der Geschichte

1882 beginnt die Deutsche Lokal- und Straßenbahngesellschaft mit den Bauarbeiten zur Drachenfelsbahn. Insgesamt müssen 23 000 Kubikmeter Erdreich bewegt sowie 4537 Kubikmeter Mörtelmauerwerk und 1211 Kubikmeter Trockenmauerwerk hergestellt werden. Am 17. Juli 1883 wird die Bahn in Betrieb genommen. Deren Kosten bis dahin: rund 617 000 Mark.

Im März 1913 kauft Ferdinand Mülhens, der Inhaber von „4711 – Echt kölnisch Wasser“, das Bergbahnunternehmen von der Deutschen Lokal- und Straßenbahngesellschaft. Im Juli 1923 werden die Petersberger und die Drachenfelser Zahnradbahn unter dem Namen „Bergbahnen im Siebengebirge AG“ zusammengelegt. Im März 1955 beginnen nach 72 Jahren Elektrotriebwagen die Dampftriebwerke abzulösen. Die Dampfloks verrichten aber noch bis 1960 ihren Dienst. Im Juli 1957 wird der Bahnhof in der Talstation umfassend umgebaut. Er bekommt seine bis heute erhaltene Charakteristik durch Beton, Stahl und Bruchsteinwände.

Im Oktober 2004 beginnen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen in der Talstation. 1,97 Millionen Euro werden zu gleichen Teilen von der Bergbahnen im Siebengebirge AG und dem Bund im Rahmen des „Bonn-Berlin-Ausgleichs“ getragen.

In Jahren 2010 und 2011 erhält im Rahmen des NRW-Förderprogramms Regionale 2010 die Mittelstation ein neues Gesicht, darauf folgt die Neugestaltung der Bergstation im Zuge der Erneuerung des Bergrestaurants und dem Bau des Glaskubus. (csc)

www.drachenfelsbahn.de

Vor zehn Jahren, als die Drachenfelsbahn ihr 125-Jähriges feierte, war Firmenchef Dieter Streve-Mülhens Senior den Tränen nahe, als er sich daran erinnerte, wie er als Jugendlicher zusammen mit seiner Mutter die Schwerverletzten in den Krankenhäusern besuchte.

Nach dem Unglück, so heißt es in der Ankündigung der Drachenfelsbahn zur Enthüllung der Eisenstatue am kommenden Freitag, gab es umfangreiche Überlegungen und Änderungen in allen Sicherheitsbereichen und Materialien. Die augenfälligste Änderung: Der Betrieb mit Dampfloks fand bald endgültig ein Ende, der schon eingeleitete Umstieg auf Strom wurde durchgezogen. Laut Hacker wurden aber beispielsweise auch die Bremssysteme neu ausgelegt, damit sich solch ein Unglück nicht wiederholen konnte.

Und tatsächlich gab es seither keine gravierenden Unfälle mehr, zweimal sprang eine Lok aus dem Gleis, ohne dass etwas passierte, so Hacker. Dass die Zahnradbahn zum Drachenfels trotz des Unglücks vor 60 Jahren ein sicheres Verkehrsmittel ist, belegen die Zahlen: Insgesamt befördert sie rund 250 000 Menschen jährlich, in den 135 Jahren ihres Bestehens waren es rund 38 Millionen Gäste, und die Bahn legte seither fast drei Millionen Kilometer zurück.

Die zwei Meter hohe Statue, die am Freitag um 18.30 Uhr im Rahmen einer Gedenkfeier an der Talstation enthüllt wird, hat der Königswinterer Künstler Burkhard Mohr geschaffen. Sie zeigt den römischen Gott Merkur, der als Gott des Verkehrs, der Reisenden und der Wissenschaft gilt.

www.virtuellesbrueckenhofmuseum.de

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