Lockerungen in der GastronomieNeustart mit angezogener Handbremse

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Kein Ausschank am Tresen, Desinfektionsmittel und die Hygienehinweise: Auch bei Dieter Piel im Gasthaus Spargel Weber herrschen strenge Hygienevorschriften.

Kein Ausschank am Tresen, Desinfektionsmittel und die Hygienehinweise: Auch bei Dieter Piel im Gasthaus Spargel Weber herrschen strenge Hygienevorschriften.

Seit vergangener Woche dürfen große Teile der gastgewerblichen Betriebe in NRW wieder öffnen. Mitte März hatten Restaurants, Cafés, Kneipen und Bars den Regelbetrieb infolge der Coronakrise einstellen müssen. Viele Restaurants waren dazu übergegangen, Speisen zum Abholen anzubieten oder sogar einen Lieferdienst zu organisieren. Wenn die ersten Tische und Stühle nun wieder besetzt werden, geschieht dies unter speziellen Bedingungen. Die Regularien, unter denen die Gastwirte ihre Kundschaft empfangen, sind weit vom Normalbetrieb entfernt. Hygienevorschriften sind ebenso streng zu beachten wie die Abstände zwischen den Plätzen. Die Gastronomen müssen ihre Gäste namentlich registrieren und empfehlen ihren Gästen, besser einen Tisch zu reservieren als spontan vorbeizukommen. Beim Betreten des Restaurants und beim Gang zur Toilette muss ein Mund- und Nasenschutz getragen werden.

Gedämpfte Erwartungen in Alfter

In der Regel herrscht im Alfterer Hotel und Gasthaus Spargel Weber im Frühjahr Hochbetrieb. Sobald der Spargel gestochen wird, sind die Plätze bestens besetzt. Deshalb traf der Shutdown Gabriele und Dieter Piel zum ungünstigsten Zeitpunkt. Seit Montag bewirten die Piels ihre Gäste wieder. Die Küche hatte in den vergangenen zwei Monaten pausiert. „Speisen zur Abholung bereitzustellen war für uns keine Option“, sagt Dieter Piel. Spargel Weber gehört zu den größeren Gaststätten im Vorgebirge, daher lassen sich die Abstandsregeln einfacher einhalten als in manch anderem Restaurant. „Außerdem haben wir zwei Eingänge, was uns jetzt ebenso hilft“, erklärt er. Trotzdem hadert Piel mit den Bedingungen, die zuweilen zu grotesken Situationen führen können. So dürfen etwa die Kollegen eines Bautrupps, die bei Spargel Weber übernachten, abends nicht mit mehr als zwei Personen an einem Tisch sitzen, obwohl sie tagsüber miteinander arbeiten. „Aber was soll’s, wir müssen die Situation akzeptieren und schauen, ob sich der Betrieb für uns lohnt.“

Ähnlich gedämpft sind die Erwartungen bei Nadia Hohmann aus dem Gasthaus „Zur Krone“ in Alfter. „Dass wir weiterhin keine größeren Gesellschaften empfangen können und die Kegelbahn nicht in Betrieb ist, erschwert unsere Situation.“ Maximal 50 statt der üblichen annähernd 150 Sitzplätze können gegenwärtig genutzt werden. Die Auflagen empfindet die Hausherrin als belastend. Nach jedem Gast die Tischdecke zu wechseln und auf Dekoration zu verzichten sind für Nadia Hohmann „gewöhnungsbedürftige Maßnahmen“. „Zudem geraten viele Menschen in eine wirtschaftlich angespannte Lage. Für manchen könnte der Restaurantbesuch zu einem Luxusgut werden“, befürchtet sie. Stammtische kämen zudem auch nicht mehr. „Wie soll man sich über fünf Tische hinweg unterhalten?“, fragt Hohmann.

Große Außenbereiche werden beneidet

Für Kai Rohloff ist die Situation noch beherrschbar. In seinem Gasthaus „Waldesruh“ in Villiprott hat er gute Bedingungen, um die Vorgaben einzuhalten. Er verfügt über ein großes Grundstück und kann auch bei strikter Einhaltung der Abstandsregeln noch 150 Plätze im Außenbereich anbieten. Das ist eine Kapazität, um die ihn viele andere Gastwirte augenblicklich beneiden. Im Innenbereich können zudem sieben Tische gleichzeitig bewirtet werden. Die Küche der „Waldesruh“ blieb während der vergangenen Wochen durchgängig geöffnet. Speisen konnten abgeholt werden und das schöne Wetter trug dazu bei, dass viele Kunden diesen Service in Anspruch nahmen. Pommes frites, Currywurst und Hamburger ließ sich mancher Gast auf einer Bank direkt am Waldrand schmecken. Obwohl Rohloff bislang gut durch die Krise gekommen ist, findet auch er kritische Worte. „Ich habe etwa zehn Stunden investiert, um die genauen Regeln, unter denen wir wiedereröffnen dürfen, zu ergründen. Meine Fragen sind trotzdem nicht vollständig beantwortet“, sagt er. Dabei habe er unter anderem mit der DEHOGA, der Krombacher Brauerei und der Gewerbeaufsicht der Gemeinde Wachtberg gesprochen. Vor allem die Gemeinde sei sehr kooperativ gewesen.

Marie Theres Roos betreibt das Hotel und Restaurant Dahl in Niederbachem. Sie betrachtet den Neustart als Experiment. „Wir müssen sehen, wie es läuft und ob sich der Betrieb lohnt.“ Weder Salz- und Zuckerstreuer noch Servietten dürfen auf den Tischen stehen, Speisekarten sollen ständig desinfiziert werden und Gläser nur noch in der Spülmaschine gereinigt werden. „Derartige Vorschriften erschweren den Betrieb.“ Am Montag habe zum Beispiel eine Gruppe von neun Personen reserviert. Sie mussten sich über zwei Tische verteilen, da sie aus mehr als zwei Haushalten kamen. Von zuvor 80 Sitzplätzen sind aktuell 40 übrig geblieben. Der Betrieb leidet zudem unter dem Verlust von Tagungen, Seminaren und Banketten.

Veranstaltungen als Standbein fallen weg

Schon in der vergangenen Woche haben die Golfer den Schläger wieder in die Hand genommen. Jetzt können sie sich auch in Brenig wieder am Rande des Grüns stärken. Marc Wadehn und sein Team haben den Betrieb innerhalb weniger Tage wieder hochgefahren. „Das war eine große Herausforderung, denn wir haben nicht damit gerechnet, so rasch wieder starten zu dürfen“, sagt der Koch und Gastgeber des Restaurants „Culinarisch.es“ im Römerhof. Jetzt hofft er, ohne Veranstaltungen und Familienfeiern, die auch für ihn ein wichtiges Standbein sind, über die Runden zu kommen. Was ihn zusätzlich umtreibt ist die Frage, wie die Regeln im einzelnen einzuhalten sind: „Wir wissen nicht immer, wer sich mit wem trifft.“

Wie viele ihrer Kollegen bietet Familie Schemerka im „Brauhaus Rheinbach“ ein reduziertes Speiseangebot. Außerdem öffnet das Brauhaus vorläufig erst ab 15 Uhr. „Wir hoffen auf gutes Wetter, um den großen Außenbereich nutzen zu können“, sagt Juniorchef Markus Schemerka. Er rechnet mit 30 bis 50 Prozent des sonst um diese Jahreszeit üblichen Umsatzes. Damit käme man halbwegs über die Runden. Die Schemerkas haben während des Shutdown den Innenbereich renoviert.

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