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Restaurant in AltendorfOhm Hein bietet „Gans to go“ gegen den November-Blues

Lesezeit 6 Minuten
Constantin von Hochberg präsentiert Variationen der Gans-to-go vom Restaurant Ohm Hein in Altendorf.

Constantin von Hochberg präsentiert Variationen der Gans-to-go vom Restaurant Ohm Hein in Altendorf.

Meckenheim-Altendorf – Der zweite Lockdown ist für viele Gastronomen eine hohe Hypothek. Insbesondere die beiden letzten Monate eines Jahres zählen in der Branche zu den umsatzstärksten. Wenn es draußen dunkler wird, rückt man gerne zusammen und verbringt den Abend in Gesellschaft. Rund um den Martinstag wird dabei so mancher Abend von einem zünftigen Gänseessen gekrönt. All das fällt in diesem Jahr der Pandemie zum Opfer. Deshalb gehen viele Restaurants neue Wege.

Werbezettel selbst erstellt und auch ausgetragen

Vor der Krise zu kapitulieren und den Kopf in den Sand zu stecken ist keine Lösung. Speisen zu bestellen und abzuholen oder gar einen Lieferservice zu organisieren, hat sich daher mittlerweile für viele Gastronomen als probates Mittel erwiesen, um der Krise die Stirn zu bieten. Darauf lässt sich im Herbst aufbauen, so muss auch niemand auf den traditionellen Gänseschmaus verzichten.

Das Angebot, unter dem Slogan „Gans to go“, also Gänse im Wirtshaus abzuholen oder bis zur Haustüre liefern zu lassen, hört sich nicht nur originell an, sondern ist für viele Betriebe auch ein Mittel gegen den November-Blues.

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Seit drei Jahren leiten Volker Deuster und Küchenchef Constantin von Hochberg das Restaurant Ohm Hein in Altendorf. Als die erneute Schließung aller gastronomischen Betriebe am 28. Oktober beschlossen wurde, war das für die beiden keine Überraschung.

Schon Ende Oktober auf Einschränkungen vorbereitet

Daher hatten sie schon Tage vorher beim Einkauf darauf geachtet, sich ausreichend mit Verpackungsmaterial einzudecken. „Als der erneute Lockdown schließlich klar war, haben wir uns zusammengesetzt und unser Vorgehen abgestimmt“, sagt Deuster. Die Entscheidung, neben Schnitzeln, Salaten und Tagesgerichten auch Gänse anzubieten, abholen zu lassen und auszuliefern, war schnell gefallen. Schließlich spielen Gänse in der Küche im November und Dezember die kulinarische Hauptrolle.

Es wurde ein Werbezettel konzipiert und 5000-fach kopiert. „Die Flyer haben wir dann im Umfeld verteilt“, erzählt Volker Deuster. Dabei habe die gesamte Belegschaft mitgemacht und sei so manchen Kilometer gelaufen, um die Haushalte in Altendorf, Ersdorf, Gelsdorf, Hilberath, Wormersdorf und im Meckenheimer Zentrum zu erreichen. Auf dem Faltblatt findet sich neben dem Gänseangebot auch die sonstige Speisekarte inklusive wechselnder Tagesgerichte mit dem Hinweis, die aktuelle Karte per E-Mail abonnieren zu können.

Die Gänsebraten-Tradition zu Sankt Martin

Warum muss es gerade ein Gänsebraten zum Martinstag sein? Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand und hängt mit dem heiligen Martin von Tours zusammen. Der Legende nach versteckte er sich in einem Gänsestall, als seine Bischofsweihe bevorstand.

Als Asket hielt er sich nicht würdig für dieses hohe Amt. Die Gänse schnatterten allerdings so laut, dass Martin gefunden und doch geweiht wurde.

Es kann aber auch sein, dass sich der Brauch auf den Martinstag bezieht, an dem die Lehnspflicht fällig war – oftmals gab der Bauer eine Gans. Ebenso pragmatisch ist die Sage, dass eine Gänseschar sich in den Kirchraum verirrt hätte, als Bischof Martin gerade predigte. Sie wurde gefangen und gegessen. Historiker favorisieren übrigens die Lehnspflicht. (lh)

Schon im Laufe der ersten Woche hat sich herausgestellt, wie sehr sich der Einsatz gelohnt hat. Der E-Mail-Verteiler ist kräftig gewachsen, auch das Gänseangebot erzeugt große Resonanz. „Es läuft richtig gut“, sagt Deuster.

„Vor allem für den Martinstag haben unglaubliche viele Gäste Gans bestellt.“ Der erfahrene Gastronom bewertet den Service in erster Linie nicht als Kompensation für das ausfallende November-Geschäft, sondern vielmehr als Pflicht gegenüber den Gästen, denen das Team vom Ohm Hein etwas zurückgeben möchte.

Wie man Schnitzel, Reibekuchen oder Pastagerichte so verpackt, dass sie ohne Qualitätsverlust zu Hause auf dem Teller landen, hatte es schon im Frühjahr bewiesen. Die Gans ist allerdings eine besondere Herausforderung. So werden Gänsekeulen und -brüste in Alufolie eingeschlagen, bevor sie fest in Styropor verpackt werden.

„Dass dabei viel Abfall anfällt, stört uns schon“, räumt Constantin von Hochberg ein, „doch im Augenblick funktioniert es noch nicht anders“. Für die Zukunft suche man allerdings nach umweltfreundlicheren Alternativen.

Neben der sorgfältigen Verpackung spielt Schnelligkeit eine große Rolle. „Daher kommen die Gänse erst aus dem Ofen, wenn der Kunde die Gaststätte bereits betreten hat“, sagt Deuster. Tempo ist zudem beim Ausliefern oberstes Gebot.

Außerdem weist man die Kunden schon bei der Bestellung darauf hin, zu Hause den Ofen auf 70 bis 100 Grad Celsius vorzuheizen, sobald er losfährt, um die Gans abzuholen. Zu Hause kann er sie dann noch einmal für einige Minuten in den Ofen schieben und auf Temperatur bringen.

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Gänse, die einen etwas weiteren Weg zurücklegen müssen, können bei höherer Temperatur im heimischen Backofen noch einmal erhitzt werden. „Sie dürfen allerdings keinesfalls in die Mikrowelle. Da werden sie zäh“, warnt Chefkoch von Hochberg.

Obwohl das Angebot sehr gut angenommen wird, ist ein Service wie „Gans to go“ kein gleichwertiger Ersatz zum Normalbetrieb in der Vorweihnachtszeit. Aber es trägt dazu bei, dass bislang keiner der Mitarbeiter entlassen werden musste. „Wir arbeiten alle ungefähr halb so viel wie sonst“, sagt Deuster. Kurzarbeit ist für alle Beschäftigten beantragt worden, aber das Team bleibt komplett.

Nachbarschaftshilfe bei Apfel-Engpass

Zusammenhalt und Solidarität sind in Krisenzeiten Werte, die jetzt noch wichtiger sind als sonst. Das zeigt sich auch dadurch, dass das Ohm Hein möglichst viele Waren aus dem direkten Umfeld bezieht. So zählen etwa Bratäpfel wie auch Maronen, Rotkohl und Klöße zu den Beilagen zur Gans. Als die Äpfel am vergangenen Sonntag auszugehen drohten, konnte man beim benachbarten Biohof Heinrichs anklopfen und schon war der Apfel-Engpass behoben.

Solidarität beweist sich zwischen Gästen und Restaurantbetreibern. Viele der Stammgäste bestellen mindestens einmal in der Woche. Für manche ist dieses Angebot wichtig, da sie einfach keine Zeit oder keine Lust haben, selbst zu kochen. Für andere ist es aber auch eine Geste. Denn schließlich hoffen alle, auch nach dem Ende der Corona-Krise wieder gemütlich einkehren zu können.

Dass die Kunden dafür die Angebote der Gastronomie wahrnehmen und so einen Beitrag leisten, scheint vielen bewusst zu sein. „Wir lassen uns gegenseitig nicht im Stich“, fasst Nicolas von Hochberg die aktuelle Stimmung zusammen.

Das Beispiel des Restaurants Ohm Heim verdeutlicht, wie ein Traditionsbetrieb eine Durststrecke überwinden kann. Bleibt zu hoffen, dass Restaurants, die noch nicht so lange existieren, ebenso Mittel und Wege finden, die Krise zu überstehen.

Neben dem Ohm Hein gibt es im Rhein-Sieg-Kreis und in Bonn zahlreiche weitere Restaurants, die einen ähnlichen Service rund um die Gans anbieten. Dazu zählen unter anderem das Anna Seibert in Rheinbach, das Redüttchen in Bad Godesberg, der Vorgebirgsblick in Merten, der Lambertushof in Witterschlick, die Weinmühle in Oberdollendorf, das Parkrestaurant RheinAue oder das Graf Belderbusch in Miel.

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