MissbrauchsskandalGeschädigte kritisieren mangelnde Aufklärung am Aloisiuskolleg

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Der Missbrauchsskandal am Aloisiuskolleg ist aus Sicht der Opfer nicht ausreichend aufgearbeitet, es seien nicht die nötigen Konsequenzen gezogen worden.

Der Missbrauchsskandal am Aloisiuskolleg ist aus Sicht der Opfer nicht ausreichend aufgearbeitet, es seien nicht die nötigen Konsequenzen gezogen worden.

Bonn – „Wir glauben Ihnen nicht“: Mit diesen Worten hat sich der Verein „Eckige Tisch Bonn“ (ETB), der Geschädigte des Aloisiuskollegs (AKO) in Bad Godesberg vertritt, in einem offenen Brief an den Rektor der Schule, Pater Martin Löwenstein SJ, gewandt. In dem Schreiben wird deutlich, dass auch zehn Jahre nach dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals die Vorfälle zumindest aus Sicht der Betroffenen nicht ausreichend aufgearbeitet und die nötigen Konsequenzen nicht gezogen worden sind.

Seit 2017 keine Fortschritte bei der Aurarbeitung

Der ETB wirft den Jesuiten und dem Kolleg vor, dass sie „entweder nicht Willens oder nicht dazu in der Lage sind, eine umfassende Aufarbeitung zu leisten“. Alle nennenswerten Initiativen zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals seien bislang von Betroffenen ausgegangen oder dem Druck der Öffentlichkeit geschuldet. Das sieht Pater Löwenstein SJ anders: „Wir sind froh, dass durch die Neuaufstellung des Kollegs und der Schule in den vergangenen Jahren sehr viel geleistet wurde. Dazu gehört neben den umfangreichen wissenschaftlichen Berichten ein neues Schulprogramm mit Qualitätsanalyse und ein breit erarbeitetes und umgesetztes Präventionsprogramm.“

Bereits 2017 hatte der ETB die Gespräche mit dem Orden für gescheitert erklärt und betont, dass der Dialog nicht weitergeführt werden soll, weil es keine Fortschritte bei der Aufarbeitung gebe. Die Vielzahl von Übergriffen in dem Kolleg waren 2010 durch Betroffene ans Tageslicht gekommen. „In den den 40 Jahren davor sind von Jesuiten und Mitarbeitern am AKO Missbrauch an schätzungsweise hunderten Kindern und Jugendlichen begangen worden“, so der ETB.

Mögliche Höchststrafe: Entlassung aus dem Dienstverhältnis

Bis heute werde aber „der Schutz der Anonymität der kriminellen Mitbrüder über die Wahrheitsfindung für deren Opfer“ gestellt: Die Klarnamen der zumeist lange verstorbenen Täter aus den Dokumentationen des Ordens seien bis heute nicht veröffentlicht worden, lautet ein weiterer Vorwurf an die Jesuiten. „Wir halten uns bei der Nennung von Namen an das in Deutschland in dieser Frage bindende Recht und Gesetz. Die Namen derer jedoch, die öffentlich Leitungsverantwortung hatten, durften wir benennen und haben wir öffentlich benannt“, entgegnet Löwenstein.

Aber der Rektor räumt auch ein, „dass sich derjenige, der über die letzten Jahrzehnte für viele, wenn nicht alle, der Hauptrepräsentant des Kollegs gewesen ist, Pater Theo Schneider, dem öffentlichen Gespräch konsequent verweigert, ist eine bleibende Belastung für jeden Dialog.“ Das gelte auch für die Tatsache, dass Täter nicht bestraft wurden. „Zu unserem Bedauern ist es auch dort, wo ein Täter noch lebte, trotz Anzeige zu keiner Verurteilung gekommen; Entlassung aus dem Dienstverhältnis ist in diesem Fall die einzig mögliche Höchststrafe“, so der Rektor.

Die neue Präventionskultur hat sich bewährt

Der ETB bemängelt, dass die beiden Berichte zu den Vorfällen an der Schule lediglich einen Teil der Übergriffe auf Schutzbefohlene behandeln. Viele Fälle aus Schule, Internat und Ako-Pro kämen aus diversen Gründen nicht vor. Handlungsempfehlungen der Wissenschaftler in den Berichten seien ignoriert worden, sodass es 2017 zu einem erneuten mutmaßlichen Übergriff durch einen Mitarbeiter des AKO an Schutzbefohlenen gekommen sei.

Für Pater Löwenstein SJ zeigt dagegen der Vorfall von 2017, dass sich die neue Präventionskultur bewährt habe. Die Schüler hätten Vertrauen gehabt und sich gemeldet, die Leitung habe unmittelbar reagiert und sofort die Aufsichtsbehörden informiert und den Lehrer suspendiert. „Wenige Tage später haben wir uns nach sorgfältiger Prüfung von ihm getrennt. Auch wo es keine strafrechtliche Handhabe gibt, kann und muss eine Schule reagieren, wenn sie das Vertrauen in die fachliche Zuverlässigkeit nicht mehr hat“, betonte Löwenstein SJ.

„Kontinuierlich Kontakt zu den Betroffenen“

Auch den Vorwurf des ETB, dass die Betroffenen bei allen wichtigen Fragen auch nach zehn Jahren noch im Regen stehen gelassen werden, weist der Rektor zurück: „Betroffene melden sich bei den beiden ,Unabhängigen Beauftragten’ und auch direkt bei uns. Sie erhalten Unterstützung bei den Therapiekosten und bei der Geldzahlung, durch die anerkannt wird, dass diese Menschen aus unserer Institution heraus geschädigt wurden.

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Bei der Anerkennungszahlung für erlittenes Unrecht ist der Orden seit 2011 und bis heute Vorreiter in Deutschland“, erklärte der Rektor. „Auch ich selbst suche und habe kontinuierlich seit Jahren Kontakt zu Betroffenen und anderen Altschülern, führe Gespräche und würde mich freuen, wenn auch der Verein Eckiger Tisch Bonn wieder zu Gesprächen bereit ist.“

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