Nach der FlutLinksrheinischer Rhein-Sieg-Kreis bleibt Katastrophengebiet

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Das Gebiet um den Orbach weist noch die meisten Probleme auf.

Das Gebiet um den Orbach weist noch die meisten Probleme auf.

Rhein-Sieg-Kreis – Der Rhein-Sieg-Kreis ist in Folge der Flutkatastrophe nach wie vor Katastrophengebiet. „Dieser Status bleibt wahrscheinlich noch einige Tage bestehen. Wir werden ihn Ende der Woche überdenken“, sagte Landrat Sebastian Schuster. Ingo Freier, der Leiter des Amtes für Bevölkerungsschutz beim Kreis, erklärte bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten, was das für die Menschen bedeutet: „In Rheinbach und Swisttal ist die Infrastruktur nachhaltig geschädigt, die Rathäuser, die Straßen und Brücken. Im Katastrophenfall kann der Landrat alle 17 Kommunen in die Verantwortung nehmen und Anweisungen geben. Doch das ist hier nicht nötig, weil die kommunale Familie zusammensteht.“

Schuster selbst gab den aktuellen Stand bekannt: „Wir sind mit der Schadensfeststellung vorangekommen und arbeiten an der Entsorgung. Nun geht es um die mögliche Umweltbelastung, etwa beim Abpumpen der Keller.“ Der Bevölkerung dankt der Landrat „für überragende Unterstützung“. Diese habe es über den Rhein-Sieg-Kreis hinaus gegeben: „Wir bekommen weiterhin Unterstützungsangebote und auch Angebote für Sachspenden.“ Die Spendenbereitschaft nennt der Landrat „herausragend“. Auf den beiden Spendenkonten des Kreises sei zusammen bereits mehr als eine Million Euro eingegangen. In den nächsten Tagen entscheide die Kreiskämmerei, wie das Geld verteilt werden könne und solle.

Laut Kreisdirektorin Svenja Udelhoven wächst die Zahl der Anträge auf Soforthilfe „exponentiell“. Die erste Viertelmillion sei ausgezahlt, bis Dienstagabend sollte es bereits eine Million sein. Das Geld geht ausschließlich in die Gemeinde Swisttal, weil der Kreis in dieser Angelegenheit im Namen der Gemeindeverwaltung handelt, die selbst stark vom Hochwasser betroffen ist.

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Die Stadt Rheinbach hat eine Summe in selber Höhe ausgezahlt, wie der Rheinbacher Bürgermeister Ludger Banken erklärte: „Wir machen das für Rheinbach selbst.“ Zwar ist auch in der Glasstadt das Rathaus durch Wasser beschädigt, allerdings ist es in Teilen wieder in Betrieb. Trotz der Hilfe des Kreises sind aber alle Kommunen selbst für die Hilfszahlungen zuständig. So werden auch die Swisttaler Anträge in der Gemeinde erfasst und auch dort einer Plausibilitätsprüfung unterzogen.

Welche Konsequenzen folgen

Vor allem aus dem Ausfall des Digitalfunks sollen Konsequenzen gezogen werden. Auch der Umgang mit den Warnungen des Wetterdienstes und die Alarmierungsketten stehen im Fokus. Laut Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg aus dem Amt für Bevölkerungsschutz des Rhein-Sieg-Kreises muss die Katastrophenvorsorge kreis-, land- und bundesweit nun ein Thema sein. Auch was die Auswertung von Wetterdaten angehe, sei das Ereignis „analytisch aufzuarbeiten“. Engstenberg: „Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, an dieser Stelle aus der Hüfte zu schießen.“ Von der Risikowahrnehmung des Bürgers bis zur einzelnen Sirene gebe es einen „großen Verbund“: „Dazwischen gibt es Hunderte Bausteine, die es zu berücksichtigen gilt.“ Landrat Schuster ist dabei gefragt worden, ob er im Kontakt mit Innenminister Herbert Reul stand und antwortete: „Ich kam von der Regierungspräsidentin, war ab 16.30 bis Mitternacht im Lagezentrum und meine Leute hatten Kontakt mit dem Krisenstab der Bezirksregierung. Ich wüsste auch nicht, wie Herr Reul mir hätte helfen sollen.“

So ist die Lage in Rheinbach

In vielen Häusern gibt es noch keinen Strom. „Viele Elektriker sind vor Ort, die schauen und reparieren“, sagte Bürgermeister Ludger Banken (parteilos): „Jeder Elektriker, der zu uns kommt, ist herzlich willkommen.“ Abfall sei ein „nachwachsendes Thema“. Eigentlich habe die Stadt geglaubt, die Deponieplätze seien bereits aufgelöst. „Das dachten wir aber nur“, so Banken. Menschen luden am gewohnten Platz ab. „Das fahren wir aber auch noch ab. Zwei Deponien sind nun geschlossen, eine halten wir aufrecht“, versicherte Banken und fügte hinzu: Ich hoffe, dass mein Abfall auch abgefahren wird.“ Das Rheinbacher Rathaus ist seit Montag wieder geöffnet. „Aber nicht im Regelbetrieb“, berichtete Banken: „Wir arbeiten die Dinge ab, die anliegen.“ Wann es wieder das „normale Geschäft“ geben könne, entziehe sich seiner Kenntnis. Und wenn er die Schäden sehe, alleine schon die der Kommune ... „da wird mir übel. Da kommt einem das Grauen“. Auch Banken dankt den Helfern und bewundert, „wie die Bürger zusammengestanden haben, das war einfach nur phänomenal“. Doch ohne Hilfe von außen wäre das nicht gegangen, sagt er.

Zum Vorwurf, evakuierte Menschen aus der Notunterkunft im Jugendwohnheim geworfen zu haben, sagte Banken: „Es gab offensichtlich Kommunikationsprobleme: Wir hatten diese Notunterkunft wegen des drohenden Dammbruchs eingerichtet.“ Sie ist nach der Entwarnung aufgelöst worden, denn der Betreuungszug sei abgezogen worden, der sich ehrenamtlich um das Jugendwohnheim gekümmert habe. Banken: „Danach hatten wir keine Kräfte mehr.“ Die Bundeswehr sei gefragt worden. Zudem seien die dort Untergebrachten einzeln befragt worden, wer zurück in die Häuser könne und wer nicht. Dazu sei ein Team zusammen mit dem Sozialamt eingesetzt gewesen. Banken: „Mit jedem Einzelnen ist gesprochen worden. Wir haben niemanden rausgeschmissen, wer bleiben will, kann das tun. Wir haben allen gesagt: ,Sprecht mit der Hausleitung, wie das gehen kann.‘“

Der Vorwurf lautet auch, dass von den Untergebrachten für einen weiteren Aufenthalt Geld verlangt worden sei: Dabei soll laut Banken auf den Einzelfall geschaut werden, „wer es sich nicht leisten kann“. Der Bürgermeister betont zudem: „Die Versorgung war jederzeit sichergestellt. Einige Leute wohnen auch noch dort. Heute morgen waren es noch zehn Rheinbacher und 30 Swisttaler. Bei Schulen und Kitas sind laut Banken die Schäden „Stand heute nicht so groß, dass es nach den Ferien keinen Unterricht geben könnte“. Allerdings funktioniere in keiner Schule die Heizung.

So ist die Lage in Swisttal

Laut Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner (CDU) wird derzeit in Swisttal die Stromversorgung flächendeckend geprüft. In der Bachstraße muss speziell die Oberleitung separat untersucht werden. Das Gute: „Es geht weiter.“ Die Müllbeseitigung sei eine „Mammutaufgabe“. Vieles müsse noch geräumt werden, die Bevölkerung sei aufgefordert, den Müll zur Sammelstelle zu bringen, weil nicht alles abgeholt werden könne.

Im Swisttaler Rathaus nimmt an diesem Mittwoch der Bürgerservice wieder seinen Dienst auf. Ende der Woche, so sei es geplant, soll das Rathaus wieder offen sein. Kalkbrenner kündigte an, dass die ehrenamtlichen Kräfte – besonders in Odendorf und Heimerzheim – ihre Hilfe zurückfahren müssten wegen ihrer Kapazitäten. In Essig und Ludendorf gebe es auch noch viel zu tun. „Die Auszahlung der Hilfsgelder klappt wunderbar“, freute sich Kalkbrenner: „Auch per Scheck, falls jemand kein Konto hat.“

Aus Sicht der Bürgermeisterin war rückblickend der Zusammenbruch der Kommunikation das größte Problem. Das Rathaus stand unter Wasser, es gab keinen Strom und auch keinen Funk. Sicherzustellen, dass das nicht noch einmal passiere, sei die wichtigste Aufgabe.

In Folge der Katastrophe sind noch zahlreiche Flutopfer im Haus Rheinbach untergebracht. Die Gemeinde hat die Kostenübernahme des Aufenthalts geklärt und arbeitet nun individuell an mittelfristigen Wohnungsangeboten für die Betroffenen. Odendorf hat laut Kalkbrenner derzeit noch die meisten Probleme: Die Bürger sind weiterhin angehalten, das Trinkwasser abzukochen und es gibt noch nicht überall Strom. Die Straßen „In der Freiheit“ und die Orbachstraße seien am schlimmsten betroffen. Auch die Brücke über den Orbach konnte nach Prüfung durch das THW noch nicht freigegeben werden.

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Ein Hoffnungsschimmer sei der Zustand der Grundschule am Zehnthof. Sie ist bis auf zwei Klassenräume und die Sport- und Gymnastikhalle nutzbar. Dort soll der Unterricht nach den Sommerferien regulär beginnen. Ganz anders sieht die Situation in Heimerzheim aus: Die Swistbachschule steht in unmittelbarer Nähe zum Bach, das Wasser stand im gesamten Erdgeschoss. Dementsprechend ist mit Ende der Ferien noch nicht an regulären Betrieb zu denken. Noch schlimmer hat es den Kindergarten an der Quellenstraße getroffen. „Es ist nicht klar, ob dort überhaupt noch einmal der Betrieb aufgenommen werden kann. Wir arbeiten intensiv an einer Container-Ersatzlösung“, so Kalkbrenner.

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