ProzessJagdhund beißt Joggerin

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Bonn – Der kleine Waldweg im Kottenforst ist für eine 50-jährige Joggerin immer die letzte Schleife auf dem Weg nach Hause. An diesem Wintermorgen, es ist der 16. Januar, gegen 9.30 Uhr, sah sie plötzlich einen Jagdhund unangeleint auf sie zukommen: „Ich bin sofort stehen geblieben, damit der Halter das Tier festhält“, erzählte die joggende Ärztin gestern als Zeugin vor dem Bonner Amtsgericht. Aber der Jagdhund „griff mich sofort an, fletschte die Zähne und biss dreimal zu, in den rechten Arm, dann in die Hüfte und schließlich in den Oberschenkel.“ Der letzte Biss ging richtig tief. Besonders geschockt war die Joggerin bis gestern noch über die Reaktion des Hundehalters, der nach der Attacke erklärte: „Mein Hund hat sie nicht gebissen“ – und weiterging. Daraufhin zeigte die Joggerin ihn an.

Der 70-jährige Geschäftsmann musste sich vor dem Amtsgericht verantworten und widersprach der gebissenen Ärztin: „Die Joggerin ist selber schuld“, dozierte der Hundebesitzer und passionierte Jäger vor Gericht. Die Frau sei so plötzlich um die Ecke gekommen. Da hätte sich der Hund, gerade neun Monate alt, erschrocken. Dann legte Geschäftsmann, der nach eigenen Angaben mindestens 10 000 Euro brutto im Monat verdient, nach: „Da wäre jeder Hund in eine solche Situation gekommen.“ Kein Wort des Bedauerns, keine Entschuldigung. Auch sein Verteidiger Bernd van Sambeck erklärte später im Plädoyer: „Die Joggerin hat die Verletzungen selbst verschuldet. Sie hat nicht aufgepasst. Der Hund jedenfalls ist nicht beißwütig.“ Sambeck forderte Freispruch.

Im Prozess entstand ein anderer Eindruck: Denn der Weimaraner, der von einem Profitrainer ausgebildet wird, war zweimal schon aufgefallen: Eine Woche vor dem Angriff auf die Ärztin hatte er ihren 53-jährigen Ehemann, ebenfalls Arzt, beim Joggen im Kottenforst angegriffen und in Gesäß und Wade gebissen. Und im Herbst 2011 hatte er einen fünfjährigen Jungen ins Bein gebissen, der furchtbar geweint hatte und seitdem, so seine Mutter, Angst vor Hunden hat. Auch in diesen Fällen war der Hund nicht angeleint gewesen, auch jetzt wollte der Besitzer die Wahrheit nicht wissen. Der junge Hund, so hieß es gestern verharmlosend, „hat doch nur spielen wollen.“ 

Selbstgerechtigkeit vorgehalten 

Staatsanwalt Thomas Geyer platzte im Prozess der Kragen: „Das Tier ist ein Jagdhund – mit einem voll ausgebildeten Gebiss und kein Schoßhund. Wenn Sie nicht in der Lage sind, das Tier zu erziehen, müssen sie ihm einen Maulkorb geben.“ Im Übrigen, so Geyer im Plädoyer, „waren Sie durch die beiden Vorfälle gewarnt, Sie wussten, dass er beißt.“ 18 000 Euro Geldstrafe forderte er als Sanktion.

Der Amtsrichter verurteilte den 70-Jährigen schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 12 000 Euro Geldstrafe und hielt dem Geschäftsmann seine Selbstgerechtigkeit vor. „Ein bisschen mehr Einsicht wäre schön gewesen.“

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