RheinaueRund 22 000 Besucher beim Open-Air-Festival „90er Live“

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90er live rheinaue

Bei den Besuchern der 90er-Party in der Rheinaue herrschte eine super Stimmung.

Bonn – Wie ein Duracellhase titscht Bastiaan Ragas über die Bühne. Links und rechts von ihm sprühen Feuerfontänen in die Höhe, der Niederländer säuselt „Love is everywhere“ ins Mikrofon, die Bässe wummern, das Publikum kreischt, und im Hintergrund lassen die anderen Jungs von „Caught in the Act“ im Gleichschritt die Hüften kreisen – alle mit schneeweißen Lederjacken, schwarzen Hosen, Konfetti im Haar und einem Lächeln zum Dahinschmelzen im Gesicht. Alles ganz genau wie früher also?

Naja, fast: „Wir sind 20 Jahre älter und 40 Kilo schwerer geworden“, scherzt Ragas, Leadsänger der Boygroup, nachdem die letzten Töne verklungen sind, lachend und ziemlich außer Atem.

Altbewährtes statt neuer Songs

Das Publikum in der Bonner Rheinaue ließ sich von dieser Nebensächlichkeit nicht stören: Beim „90er Live“ Open- Air-Festival in der Bonner Rheinaue ließen rund 22 000 Besucher die Vergangenheit wieder aufleben. Und wie ginge das besser als mit kultiger Musik von 90er-Stars wie Caught in the Act, Captain Jack, Culture Beat, La Bouche, Mr. President, Oli P. oder Blümchen?

Hintergrund

Das Festival „90er Live“ tourt seit mehreren Jahren durch Deutschland. Zum zweiten Mal nach 2018 fand das Event in Bonn statt. Rund 500 Helfer waren laut Markus Krampe während des Festivals im Einsatz. Die Veranstalter hatten etwa 400 Dixi-Klos auf dem Gelände aufgebaut, daneben standen gegen eine Gebühr von 50 Cent mehrere hundert Toiletten zur Benutzung zur Verfügung. Nächstes Jahr steigt das Nostalgie-Festival in 15 deutschen Städten. Auch die Bundesstadt soll wieder dabei sein – dann mit neuen alten Stars der 90er.

Altbewährtes statt neuer Songs lautete das Motto in der Rheinaue. So grölten die Fans gemeinsam mit den Idolen ihrer Kindheit unablässig Dauerbrenner wie „Coco Jamboo“, „Flugzeuge im Bauch“ und „Rhythm is a Dancer“, Culture Beat stimmten während ihres halbstündigen Auftritts gleich zweimal ihren Nummer-eins-Hit „Mr. Vain“ an. Zwischen den Acts heizte Mola Adebisi, früherer Moderator des Musikkanals Viva und „Godfather of the 90’s“, dem Publikum ein.

Neongelbe Stirnbänder und hüfthohe Glitzerhosen

Dem Anlass entsprechend hatten sich die Besucher in Schale geworfen: Neongelbe Stirnbänder, Batik-Shirts, lilafarbene Trainingsanzüge, Schnullerketten, Tennissocken, Bauchtaschen, bauchfreie Tops und hüfthohe Glitzerhosen tummelten sich zuhauf in der Rheinaue.

In der Überzahl waren an diesem Tag natürlich die Kids der 90er. Levent Klein (22) hat seine Eintrittskarte zum Geburtstag geschenkt bekommen: „Die 90er waren die Anfänge des Techno“, schwärmt der Lohmarer. Irina Hess (20), auch aus Lohmar, ist zwar erst 1999 geboren, „aber meine Eltern haben den 90er-Virus auf mich übertragen.“

Stimmen

Wir haben Besucher gefragt, was sie mit den 90ern verbinden:

Vera Schug (31) aus Köln: Meine große Liebe: den 90er-Jahre-Star Oli P. Ich gehe auf jedes Konzert mit ihm, ob am Ballermann oder in Deutschland.

Nicole Pick (35) aus Troisdorf: Mein erstes Konzert: die Backstreet Boys in einer Eishalle in Reutlingen. Das muss 1995 oder 96 gewesen sein.

Ralf Wunder (28) aus Bonn: Serien wie Die Dinos oder Duck Tales waren meine Kindheit.

Volker Heinen (40) aus Köln: Die geile Mucke natürlich! Dancefloor und Eurodance läuft heute ja leider nirgendwo mehr.

Tina Menzel (40) aus Köln: Schlechte Kleidung! Ich kann mich noch an die Rentierpulli-Fotos erinnern, die auf Familienfeiern entstanden sind. Dann fallen mir noch Buffalo-Schuhe, die Bravo und Zeichentrickfilme wie die Gummibärenbande ein. Und heimlich Tuttifrutti schauen, wenn niemand Zuhause war!

Oli Decker (38) aus Köln: Jeder hatte ein Tamagotchi. Sonntags haben wir solange das Testbild bei RTL geschaut, bis der Li-La-Laune-Bär kam. Und als die Rapper Kris Kross angesagt waren, die ihre Hosen verkehrt herum anhatten, haben wir uns vor der Schule heimlich auf dem Spielplatz umgezogen, um genauso auszusehen. Und noch was: Ich war total verliebt in Blümchen.

Gerd Niens (52) war vor zwanzig Jahren schon erwachsen, in seinen Regalen stapeln sich trotzdem CDs von La Bouche und Culture Beat. „Die 90er waren eine super Zeit“, erinnert sich der Siegburger. „Nicht so oberflächlich wie heute.“

Das Highlight des Abends ist „Blümchen“

Viele fiebern an diesem Tag auf einen ganz bestimmten Augenblick hin: Als letzte Künstlerin betritt gegen 21.30 Uhr „Blümchen“ die Bühne – roter Lackbody, kniehohe Stiefel und ihren Hit „Herz an Herz“ im Gepäck. Anderthalb Jahre habe er gebraucht, um die Sängerin, die mit bürgerlichem Namen Jasmin Wagner heißt, zu überreden, bei „90er Live“ aufzutreten, verrät Organisator Markus Krampe nicht ohne Stolz.

Und: „Bonn ist für Veranstalter ein Geschenk“. Die Location in der Rheinaue sei die schönste der Städte, durch die das Festival tourt. Wieso das kultige Jahrzehnt auch 2019 noch so im Trend sind? „Aktuelle DJ’s covern Hits der 90er. Das zieht viele junge Leute an“, glaubt Krampe.

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Nicht alle waren zufrieden mit dem Festival in der Rheinaue: „Zu viel Müll“, „unverschämte Preise für Essen und Trinken“ und „schlechter Sound“, ärgerten sich einige Besucher nach der Veranstaltung in den Kommentarspalten auf Facebook. Die Mehrheit aber wird heute wohl beseelt im Büro sitzen – mit klobigen Plateau-Tretern an den Füßen und einem leisen „Coco Jamboo“ auf den Lippen.

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