Geld einwerfen, Obst bekommenRheinbacher Firma trotzt mit Food-Automaten Coronakrise

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Matthias Cremerius mit Ehefrau Lea und Sohn Matthias bestücken die Automaten von der Firma BVS aus Rheinbach.

Rheinbach/Meckenheim – 3,8 Millionen Euro Umsatz hat die „Business Vending Solutions GmbH“ im vergangenen Jahr gemacht – Tendenz steigend. 24 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in seiner Rheinbacher Zentrale, zwei in der noch jungen Zweigstelle in Hamburg sowie drei extern im Vertrieb. Corona spielt dem Automatenvertrieb, der sich BVS abkürzt, gehörig in die Hände. Wer aus einem Automaten kauft, kann sich ja kaum mit einem Virus anstecken.

Obsthof in Meckenheim ist einer der ersten Kunden

Einen treuen Kunden hat das junge Unternehmen früh in Meckenheim gefunden: Den Obsthof von Matthias Cremerius junior. Der hat seine Eierverkaufsbude am Meckenheimer Ortseingang Richtung Adendorf schon vor Monaten durch Automaten von BVS ersetzt und will ab August in Rheinbach an der Raiffeisen-Tankstelle einen weiteren Automaten bestücken. Auch dort sollen dann Erdbeeren, Steinobst, Grillfleisch, Kartoffeln und Blumenkohl gegen Geldeinwurf zu haben sein.

„Das Grillfleisch ist vakuumverpackt und zweieinhalb Wochen haltbar“, sagt Junior-Chef und Bruder Marcel Cremerius. Lieferant ist Peter Hünten aus Löf an der Mosel, der zum Eifel-Netzwerk gehört und die notwendigen Liefermengen garantiert. „Alles andere kommt ganz frisch vom Hof.“ Von den schlechten Erfahrungen mit dem unpersönlichen Verkauf der Hofprodukte im vorigen Jahr haben sich die Brüder Cremerius nicht abschrecken lassen.

Damals gab es bei ihnen nur das „Eierbüdchen“. Dort stand das, was die Hühner legten, zum Abholen, und die Kunden sollten das Geld in einen Briefkasten legen. „Aber die Eier wurden schnell weniger, das Geld aber kaum mehr“, stellte Marcel Cremerius enttäuscht fest. „Wir haben häufig nachgezählt, um auszuschließen, dass jemand in den Briefkasten gegriffen hat.“ Er glaubt nun: „Viele Leute haben schlicht nicht bezahlt. Das Verkaufen auf Vertrauensbasis funktioniert hier nicht.“

Geld einwerfen, Obst und Fleisch mitnehmen

Da er aber längst geplant hatte, wertvollere Waren wie Obst und Früchte sowie Fleisch nicht nur im Hofladen an der Gerhard-Boeden-Straße, sondern auch für Abholer am Hof zu verkaufen, entschied er sich für die Automaten. Holzwände, ein offenes Dach, zwei Stellplätze – fertig war die Anlage.

Die Geräte kommen von einem Hersteller in China. Es handelt sich um in Rheinbach konfigurierte „Boxenshops“ oder „Mini-Märkte“, in denen die Ware hauptsächlich auf kleinen Förderbändern statt in Spiralen zum Verkaufsschlitz befördert wird. Kaufpreis etwa 6000 bis 7000 Euro. Landwirte, Weinhändler, aber auch Handelsketten kaufen bei BVS ein.

Ulrich Eckert, der Gründer von BVS, startete in Adendorf an der Töpferstraße. „Nach zweieinhalb Jahren sind wir aber so deutlich gewachsen, dass Adendorf einfach nicht mehr reichte“, sagt sein Stiefsohn Tobias Wall, der nun die kaufmännische Leitung hat. Darum der Umzug nach Rheinbach an den Heerstraßenbenden.

Mit Kaffeeautomaten und Verkaufsgeräten für Snacks in Büros hatte das Unternehmen schon einen Fuß im deutschen Markt, als Corona den Verkäufern an Ladentheken das Geschäft verdarb – und zunächst auch BVS. Denn viele Automaten standen in Büros, und die Mitarbeiter, die nun zu Hause arbeiten, kaufen dort keine Snacks mehr.

Lebensmittel selbst vermarkten per Automat

„Wir haben den Markt genau beobachtet. In den USA und in Japan sind Automaten im Alltag selbstverständlich – auf einem ganz anderen Niveau als hier“, erklärte Wall. Nur sind die bürokratischen Hürden für Automaten im öffentlichen Raum recht hoch, und so fand BVS schnell eine Marktlücke: Die zunehmend auf Selbstvermarktung setzenden Landwirte haben nicht das Personal, um den ganzen Tag mehrere Hofläden zu betreiben. Zudem ist der Verkauf von unverpackten Lebensmitteln in einem Automaten deutlich hygienischer, als wenn die Ware auch noch durch die Hände geht, die mit Bargeld hantieren.

Aus einer Kleinstadt bei München, wo das letzte Lebensmittelgeschäft geschlossen hatte, kam sogar der Wunsch nach dem Aufbau eines Automatenparks zur Nahversorgung. Und so kam eins zum anderen. Inzwischen hat das Unternehmen sogar kleine Hütten im Angebot, um Strom bei der Kühlung zu sparen.

„Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht“, freut sich Wall. Das Familienunternehmen benötigte sehr bald eine eigene Rechnungsabteilung und musste den Innen- vom Außendienst trennen. Mit Partner baut es sich gerade ein Netzwerk auf, das auch die Niederlande, Österreich und die Schweiz mit abdeckt. Mattias Cremerius ist jedenfalls mit seinen ersten beiden Geräten sehr zufrieden. „Per App kann ich sehen, wann ich wo was nachlegen muss.“ Das ist etwa zwei Mal am Tag nötig, am Wochenende auch öfter. „Mit der App steuere ich auch die Preise, allerdings muss ich noch die Preisschilder von Hand ändern“, sagt der Obstbauer.

Kinderkrankheiten merzen sich im laufenden Geschäft aus. So kippten die Pappschalen mit Erdbeeren auf dem Aufzug im Automaten oft um, weil ihr Boden nicht glatt genug ist. „Darum verwendet ich derzeit Plastikschalen, aber ich habe schon beschichtete Pappkörbchen gefunden, mit denen der Automat funktionieren sollte.“

www.b-v-s-gmbh.de

obsthof-cremerius.de

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