Impfzentrum RheinbachAus ganz Deutschland reisen Menschen hier zur Impfung an

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Zehn Impfkabinen stehen im Bestattungshaus zur Verfügung – für Rechts- und Linkshänder.

Rheinbach – Die Biologiestudentin Milena May wartet nur ein paar Minuten am Flatterband in der Rheinbacher Polligstraße auf den Einlass ins private Impfzentrum. Die 24-Jährige ist an diesem Dienstagnachmittag eine von etwa 200 Impfwilligen. Das haben die Helferinnen bei der Besprechung kurz vor 15 Uhr erfahren.

Zu dieser Zeit öffnet die Gemeinschaftseinrichtung. Jetzt bestimmt der Takt der Termine, wer dran ist. Anders als May kommen die meisten, die hier anstehen aber nicht aus Rheinbach. Ein Schüler ist sogar aus Ostfriesland angereist, um die Spritze zu bekommen, die gegen Corona immun machen soll.

„Das gehört zu den Anlaufschwierigkeiten“, erklärt Dr. Oliver Funken. Er ist der Ärztliche Leiter des privaten Impfzentrums, für das der Bestattungsunternehmer Ferdinand Pfahl Räume gestellt hat. Seit anderthalb Wochen ist es in Betrieb. Sehr viele Menschen von irgendwo haben es geschafft, kurzfristig einen Termin zu erhalten. „Es muss irgendeinen Algorithmus geben, mit dem weltweit das Einklinken in die Termine möglich ist“, spekuliert Funken. Er kündigt an, dass auf der Internetseite „Doctolib“, über die das Impfen in Rheinbach angeboten wird, ein Code eingebaut wird, der die Registrierung nur Patienten beteiligter Hausärzte ermöglicht. „Der Impfstoff kommt schließlich aus dem Kontingent dieser Ärzte“, erklärt Funken.

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Aber auch aus Rheinbach kommen Impfwillige

Der Rheinbacher, stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, ist bislang nur mit zwei Kollegen an dem Impfzentrum beteiligt. Beim Besuch der Rundschau ist der Ruheständler Karl Schneider der Arzt vom Dienst. Anders als Wartende, die sich auf Englisch mit den beiden Helferinnen verständigen, ist Milena May tatsächlich aus Rheinbach: Sie ist kurz vor der Impfung noch bei Dr. Funken in der Praxis gewesen. „Ich will im Herbst nach Costa Rica und habe darum gestern bei meinem Hausarzt angerufen“, berichtet sie. Den Fragebogen hat sie ausgefüllt, die Versichertenkarte bei sich. Bloß der Impfausweis fehlt. „Kein Problem“, sagt die erfahrene Helferin, die derzeit auch im benachbarten Testzentrum angestellt ist. „Es gibt dann eine separate Bescheinigung.“ Die Frau hat gerade erst jemandem geholfen, der glaubte, es genüge, alle Daten auf dem Handy zu haben. Ein blanko Fragebogen und ein Filzstift lösen das Problem.

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Milena May ist etwas zu früh dran, darf aber nach dem Letzten der ersten Gruppe auch durch das Hoftor von Haus 22. In der überbauten Einfahrt bilden Trennwände zwei Gassen, und Stühle sollen das Warten angenehm machen. Weil aber alles so schnell geht, sitzt kaum jemand. Vor der jungen Rheinbacherin steht auch jemand, dessen „Tante aus Euskirchen“ gesagt hat, dass er herkommen soll. Das hat seine Richtigkeit, wie eine separate Liste mit Namen bestätigt. Vor Milena May sind noch Leo Bodger (29) – ein Engländer in Köln – sowie Judith und Thomas Bollig aus Wachtberg an der Reihe, ebenso Nick Strunk aus Südbrookmerland. Der 18-Jährige ist von seinem Vater die 380 Kilometer nach Rheinbach chauffiert worden. „Meine Eltern sind geimpft. Bei uns ist die Schule wieder auf Szenario A, also Anwesenheit, umgestellt worden. Und da fühle ich mich einfach unsicher mit all den anderen in einem Raum“, sagt der Ostfriese. Urlaub machen, rausgehen? „Nein, das ist nur wegen der Schule“, sagt der junge Mann.

Inzwischen haben sich alle am Schalter angemeldet, wo hinter Plexiglasscheiben vier junge Damen sitzen und rasch den weiteren Papierkram erledigen. Dass alle Kreuzchen am rechten Ort sind und keine Unterschrift fehlt, haben die beiden Helferinnen am Eingang bereits sichergestellt.

Kabinen für Rechts- und Linkshänder

Schon geht es weiter, den am Boden klebenden roten Pfeilen hinterher in einen Raum mit zehn Kabinen – für Rechtshänder und für Linkshänder. „Geimpft wird in den Arm gegenüber von dem, den jemand hauptsächlich benutzt – für den Fall, dass Komplikationen auftreten“, erklärt eine der beiden Einweiserinnen. Nur drei statt zehn medizinische Fachangestellte bewältigen das Pensum an diesem Nachmittag. Sie sind in blaue Kittel gehüllt und tragen wie jedermann einen Mund-Nase-Schutz, aber auch Einweghandschuhe. Ein kurzer Einstich, Tupfer drauf, fertig.

Milena May ist überrascht und muss nun nur noch die Papiere beim Arzt vorzeigen, um die Impfbescheinigung zu erhalten. „Das hat sofort krass gepocht – ganz anders als bei anderen Impfungen“, sagt die junge Frau und macht sich auf dem mit Absperrungen für größere Gruppen künstlich verlängerten Weg durch die eigentliche Trauerhalle des Bestattungshauses Gedanken, ob der Impfstoff vielleicht zu kalt war oder doch zu ungeahnten Reaktion führen könnte. Sicherheitshalber hat sie ihr Auto auf einem Parkplatz abgestellt, wo es stehen bleiben könnte, wenn es ihr plötzlich nicht gut gehen sollte.

Die Formalien bei Dr. Karl Schneider, der sowohl die Aufsicht führt als auch die letzten Formalitäten erledigt, sind Sekundensache. Schneider klopft auf die hölzerne Tischplatte: „Seit dem ersten Tag habe ich noch niemandem nach der Impfung helfen müssen.“ Wie er die Atmosphäre im Bestattungshaus findet? „Jetzt ist es halt ein Impfzentrum – praktisch und zweckmäßig“, findet der 71-Jährige. „Priorisierung, Nachteile, jetzt auch noch der Wahlkampf – die Leute werden ja auch jeck gemacht.“ Im Zimmer am Ausgang ist die Luft trotz der offenen Tür zur Straße stickig. Die übliche Wartezeit spart sich Milena May. Acht Minuten hat sie vom Flatterband bis zum Ausgang gebraucht – inklusive Fotografieren und Auskunft geben für die Rundschau. Nun ist sie gegen Corona gefeit. Bereits in zwei Wochen wird sie als vollständig geimpft gelten, da sie den Impfstoff von Johnson und Johnson erhalten hat, von dem eine Spritze genügt. Ihren Freund hat sie dadurch überholt: Der muss noch zur zweiten Impfung.

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