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Kinderheim in Rheinbach abgeschottetWochenlang keinen Kontakt zu den Eltern

Lesezeit 4 Minuten
Auftritt in ungewohnter Distanz: Alice Eßer und Georg Brinkmann singen und juxen im Hof für Kinder mit Behinderung.

Auftritt in ungewohnter Distanz: Alice Eßer und Georg Brinkmann singen und juxen im Hof für Kinder mit Behinderung.

  • Das Kinderheim schottet sich wegen Virusgefahr so gut wie möglich von der Außenwelt ab
  • Die allgemeinen Lockerungen von Corona-Regeln werden erst in nächster Zeit wohl wieder Besuche von Eltern möglich machen

Rheinbach – Ein Spaziergang mit ihren Betreuern am Waldrand – viel mehr ist für die etwa 70 Kinder und Jugendlichen, die im Kinderheim Dr. Dawo in Rheinbach leben, derzeit nicht möglich. Die meisten Bewohner sind geistig-körperlich oder mehrfachbehindert. Viele können nicht sprechen. Die Schutzvorgaben, die Land und Landschaftsverband allen Heimen dieser Art gemacht haben, zwingen auch die Kinder am Mörikeweg zu ihrer eigenen Sicherheit in die Isolation. „Seit dem 12. März ist das bereits so“, berichtet Mitarbeiterin Elke Bohnen, bei der sich die Rundschau vor allem danach erkundigte, ob Heimkinder überhaupt noch Kontakt mit ihren Eltern haben können.

Kontakt nur übers Telefon

„Der Kontakt mit den Eltern ist sehr eng, aber er geht derzeit nur über das Telefon und ist darum leider nicht für jeden praktikabel“, erklärt Bohnen. „Jedes Kind, das wir aus dem Haus heraus und in andere Hände lassen, müsste zudem nach seiner Rückkehr zum Schutz der anderen Bewohner zunächst in Quarantäne.“ Tatsächlich ist auch extra eine solche Quarantänestation eingerichtet worden. Sie hat vier oder fünf Plätze, und weitere Plätze wären in den verschiedenen Wohngruppen schnell einzurichten. Aber sie werden in der Regel nur genutzt, wenn mal ein Kind ins Krankenhaus muss und dann zurückkommt. „Denn auch das kommt immer wieder mal vor“, sagt Bohnen.

Bald mit Terminabsprache Besuche möglich

Die allgemeinen Lockerungen von Corona-Regeln werden erst in nächster Zeit wohl wieder Besuche von Eltern möglich machen. „Aber auch dann nur hier auf dem Gelände, nach Terminabsprache – damit nicht zu viele gleichzeitig kommen – und unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt Dorothee Poschwatta, die Heimleiterin.

„Für einige Bewohner ist Corona mitsamt der Isolation nicht so schlimm. Ihnen fehlt das Gefühl für Zeit und Raum“, so Bohnen. „Anderen ist der Verlust an Kontakten mit den Angehörigen jedoch sehr klar und bewusst, ohne dass sie die Gesamtsituation verstehen könnten .“ Die Kinder müssen im Heim keinen Mund-Nase-Schutz tragen. Bohnen: „Aber wir tragen ihn. Aus Respekt, aber vor allem, weil wir nicht mit den Kindern in einer Wohngemeinschaft leben.“

Alle Mitarbeiter tragen Schutzkleidung

So besteht jeden Tag aufs Neue die Gefahr, das Virus von zu Hause oder durch einem Zufallskontakt auf der Straße mitzubringen. Und nicht nur Masken sind im Heim Pflicht: „Wir tragen Schutzkleidung und auch entsprechende Schuhe. Alles muss immer wieder desinfiziert werden.“ Das gilt für das gesamte Personal. 160 Mitarbeiter hat das Heim.

Im Freien zu Spielen ist somit gerade das höchste der Gefühle, oder gar in einer Kleingruppe am Waldrand einen Spaziergang zu unternehmen. „Es ist auch aus gesundheitlichen Gründen notwendig, mal das Haus zu verlassen, Abwechslung zu haben und an die frische Luft zu gehen“, so Bohnen.

Selbst unter den größten Sicherungsmaßnahmen, bedauert sie, ist bislang aber ein direkter Kontakt mit den Eltern nicht möglich. Kinder, die dazu in der Lage sind, behelfen sich darum mit der Kommunikationstechnik. „Aber hier leben auch blinde Kinder, die keine Videobotschaften austauschen können. Manche von ihnen würden nicht einmal die Stimme der Eltern erkennen. Und die meisten leben schon eine ganze Weile bei uns.“

Basteln, Backen, Hörspiele

Die Betreuer achten darauf, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten nicht ausgehen. Basteln ist derzeit noch beliebter als sonst. Backen, Kochen, Fotos bearbeiten und Hörspielen lauschen. „Im Grunde sind auch alle schulpflichtig. Aber einige der Kinder sind nicht in der Lage, die Abstandsregeln einzuhalten oder einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen“, sagt Bohnen. Sie hofft noch auf Sonderregelungen und steht in engem Kontakt mit den Schulen. Einige Bewohner arbeiten auch bei entsprechenden Werkstätten. „Heute haben wir noch einmal Post bekommen. Darin hieß es ,Wir vermissen Euch‘.“ Für Heimleiterin Poschwatta steht fest: „Den Besuch von Schule und die Arbeit in den Werkstätten werde ich sicherheitshalber so lange hinauszögern, wie das möglich ist.“

Clowns brachten ein Lachen

Aber alles will sie nicht verwehren. Während alle anderen Heime die Türen verschlossen, durften hier die Clowns vom Verein „Wir bringen ein Lachen“ auftreten. Seit 2017 sind sie einmal im Monat zu Besuch. Die beiden Künstler aus Bonn und Köln, Georg Brinkmann alias „Herrmann Braun“ und Alice Eßer alias „Selfe“, machten aber ausnahmsweise den Hof zu ihrer Bühne, und die Kinder durften nur auf die Balkone oder die Fenster als Loge nutzen. „Die Clowns machen das wunderbar, obwohl sie diesmal nicht mitten unter die Kinder gehen können“, freute sich Mitarbeiterin Nicole Willems, der aus zwei Gründen die Tränchen liefen. Zum Einen verlässt sie mit neuer Qualifikation nach 19 Jahren in Kürze das Haus. Zum anderen hat sie diese Clownsbesuche hier etabliert und bewundert die Wirkung: Ein Mädchen schlägt sich begeistert auf seine Armschiene, ein anderes versucht mit dem Rollstuhl näher zu rücken, ein Junge grölt vergnügt. „Jedes Kind spricht hier seine eigene Sprache, die aber ihre Betreuer verstehen.

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Wir erkennen, wer sich freut. Die Clowns dürfen Grenzen überschreiten, über die wir uns nicht hinwegtrauen würden.“ Die Schauspielerin aus Köln und der Musiker aus Bonn improvisieren auch aus der Distanz geschickt mit Wasser spritzender Flöte oder überbrücken die Distanz mit einer Bahn aus Klopapier. Da ist Corona kurz vergessen.

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