Abo

Pallotti-Kolleg in RheinbachNeuer Eigentümer bietet Flutopfern Wohnraum an

Lesezeit 4 Minuten
Eigentlich sollte das Pallotti-Kolleg abgerissen werden. 

Eigentlich sollte das Pallotti-Kolleg abgerissen werden. 

Rheinbach – „Klopft an, und euch wird geöffnet!“ Dieser Bibelspruch aus dem Matthäus-Evangelium steht noch immer an der Eingangstür einer kleinen Wohnung im zweiten Obergeschoss des ehemaligen Pallotti-Kollegs, obwohl der frühere Bewohner Pater Friedel Weiland schon lange ausgezogen ist. „Als ich diesen Spruch gelesen habe, sind mir die Tränen gekommen“, gab Ex-Bürgermeister Stefan Raetz offen zu.

Sammellager für Sachspenden

Er hat im Moment die Schlüsselgewalt über die eigentlich leerstehenden Gebäude der ehemaligen Pallottinerschule sowie der profanierten Pallotti-Kirche, die seit gut einer Woche als Sammellager für Sachspenden genutzt wird. Neben dieser Wohnung will der neue Besitzer Dirk Blumenthal von der BBS GmbH aus Eitorf 13 weitere Wohnungen und 30 Einzelzimmer Opfern der Flutkatastrophe zu Verfügung stellen, die vorläufig nicht mehr in ihr Haus oder ihre Wohnung zurückkehren können. Für etwa 20 Hochwasseropfer war am Samstag Ortstermin.

Betroffene können für bis zu zweieinhalb Jahre hier unterkommen

Für eine Übergangszeit von maximal zwei bis zweieinhalb Jahren können die Betroffenen hier unterkommen und währenddessen ihre Häuser oder Wohnungen wieder auf Vordermann bringen. „Wenn wir überhaupt wieder in unsere alte Wohnung zurück wollen“, schränkt Nicole Sommer ein, die sich mit ihrem Mann Peter für eine der Wohnungen interessiert. Das Rentnerehepaar wohnte bislang in einer Erdgeschosswohnung an der Ramershovener Straße, die von der Flutwelle durchspült wurde. Selbst das Auto vor der Tür wurde weggeschwemmt. „Wir haben alles verloren, unser ganzes Leben ist weg, alle Bücher, alle Papiere, alle Erinnerungen, alle Möbel. Immerhin konnten wir unser Stammbuch retten, weil es oben auf dem Schrank lag. Jetzt fangen wir mit über 60 Jahren noch mal ganz von vorne an“, sagt Nicole Sommer, und kann dabei die Tränen nicht mehr unterdrücken.

Viele Menschen haben ein Trauma

In ihre Wohnung können die beiden jedenfalls vorerst nicht zurück. Die Erlebnisse haben außerdem ein Trauma hinterlassen. „Gott sei Dank kam gerade ein Mitbewohner nach Hause, hat uns durch das Badezimmerfenster nach draußen geholt und ins Obergeschoss gebracht“, erinnert sich Peter Sommer mit Schrecken an die Nacht auf den 15. Juli. Erfreulicherweise sei die Hilfsbereitschaft und Unterstützung von vielen Bekannten und auch völlig unbekannter Leute extrem groß, die ohne zu fragen mit angepackt hätten bei den Aufräumarbeiten. So ist das Ehepaar Sommer auch regelrecht begeistert vom „großartigen Angebot“ von Dirk Blumenthal, denn dadurch habe man vielleicht bald wieder ein Dach über dem Kopf.

Erfahren haben die beiden von dem Angebot erstaunlicherweise aus Spanien, denn dort sitzt eine gute Freundin zurzeit mit ihren Kindern im Urlaub fest und versucht, von dort aus Betroffene zu unterstützen. „Und mit diesem Tipp hat sie uns wahnsinnig geholfen“, freuen sich die Sommers.

Bis sie einziehen können, wird es wohl noch ein paar Tage dauern, denn eigentlich sollten die Gebäude abgerissen werden, um einem Neubau für eine Seniorenresidenz Platz zu machen. Das wird nun vorerst verschoben. Doch es ist noch einiges zu tun, bis das Gebäude wieder bewohnbar ist. Zum einen müssen die Wasserleitungen ordentlich durchgespült und desinfiziert werden, zum anderen muss die gigantische Heizungsanlage wieder in Gang kommen, die auch teilweise unter Wasser stand. Nicht zuletzt müssen auch die Wohnungen selbst zumindest teilweise renoviert und die Stromversorgung wiederhergestellt werden. „Ich hoffe, dass ich die dafür notwendigen Handwerker bald bekomme“, sagt Dirk Blumenthal. Fünf Wohnungen seien bereits fest vergeben, weitere fünf Interessenten wollen es sich noch einmal überlegen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zum Nulltarif sind die Wohnungen nicht zu haben. „Schließlich müssen wir unsere laufenden Kosten decken, sonst ist unser Unternehmen am Ende insolvent“, begründet Blumenthal, dass von den künftigen Bewohnern ein geringer Mietzins zu erbringen ist. So soll eine 50-Quadratmeter-Wohnung 650 Euro warm kosten, ein günstiger Preis, wie Blumenthal findet. Die Wohnungen sollen übrigens nicht nur Hochwasser-Geschädigten aus Rheinbach zur Verfügung stehen, sondern Betroffenen aus der ganzen Region.

Mittagessen-Versorgung der Rheinbacher Kindertagesstätten und Grundschulen

In der ehemaligen Küche des Pallotti-Kollegs soll künftig die Firma Evation, deren Betriebsräume ebenfalls durch das Hochwasser zerstört wurden, vorübergehend unterkommen, um die Mittagessen-Versorgung der Rheinbacher Kindertagesstätten und Grundschulen auch nach den Ferien zu gewährleisten. Auch die benachbarten Kühlräume dürfen dank Raetz dafür genutzt werden.

In einem anderen Raum wurden Dutzende von Feldbetten, Schlafsäcken, Isomatten und Elektro-Weißware wie Waschmaschinen und Wäschetrockner gesammelt, die ebenfalls noch an Bedürftige verteilt werden sollen. „Die Dänische Staatsbahn hat gerade noch eine Lieferung von Heiztrocknern angekündigt“, so Raetz, der sich gerne für die Katastrophenhilfe ehrenamtlich reaktivieren ließ und hier seine zahlreichen Verbindungen sowie seine Ortskenntnis ausspielen kann. Raetz: „Immer in Absprache mit dem neuen Bürgermeister Ludger Banken, aber der lässt mir eigentlich freie Hand.“

Gleich nach dem Ortstermin schwang sich Raetz auf sein Fahrrad, um zum Gründer- und Technologiezentrum zu fahren, dessen Interims-Geschäftsführer er auch noch ist. „Dort hatten wir 1,5 Millionen Liter Wasser im Keller, Gott sei Dank haben wir die Sache jetzt wieder im Griff.“

Rundschau abonnieren