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Rheinbach denkt umViele Läden bieten Bringservice in Corona-Zeiten

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Mit Sportschuhen auf dem Weg zum Kunden: Händler Achim Phiesel beschreitet in Rheinbach neue Wege.

Mit Sportschuhen auf dem Weg zum Kunden: Händler Achim Phiesel beschreitet in Rheinbach neue Wege.

Rheinbach – Seit der staatlich angeordneten Schließung für alle Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomiebetriebe stehen die meisten Unternehmer in Rheinbach ohne Umsätze da. Viele Rheinbacher Einzelhändler wollen sich aber nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben. Immer mehr Betriebe gehen dazu über, ihre Kunden aus der Stadt mit einem Abhol- oder Lieferservice mit den gewünschten Produkten zu versorgen. Die Akzeptanz ist überwiegend gut, viele Kunden halten den Rheinbacher Geschäften auch in diesen schwierigen Zeiten die Treue.

Mehr als 60 Anbieter

Die Liste umfasste am Mittwoch bereits mehr als 60 Anbieter: 45 Läden – Sport- und Bekleidungs- sowie Schuhgeschäfte, Optiker, Obst- und Gemüsegeschäfte und -höfe, Metzger und Kunsthandwerker. Hinzu kommen elf Gastronomen und sieben Anbieter von Dienstleistungen – vom Baumarkt bis zum Computerservice.

Gutschein-Aktion

Der Gewerbeverein Rheinbach und die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft der Stadt Rheinbach (wfeg) unterstützen gemeinsam mit der Firma WOTEC die Rheinbacher Einzelhändler. Die wfeg sponsert den Start eines kostenlosen und kontaktfreien Lieferservices mit Gutscheinen im Gesamtwert von über 2000 Euro. Diese Gutscheine zu je 20 Euro können bei der Bezahlung gelieferter Ware eingelöst werden, verlieren aber auch nach der Krise nicht ihre Gültigkeit.

So funktioniert es: Der Kunde nimmt per E-Mail oder telefonisch Kontakt zum Händler auf, bestellt Ware und Gutschein. Nach Klärung der Zahlungsmodalitäten (z.B. Überweisung per Rechnung) erhält der Gewerbeverein den Auslieferungsauftrag samt Adresse und Kontaktdaten. Die Firma WOTEC führt die Lieferung aus.

„Meine Kunden nehmen das Angebot dankbar an“, freut sich etwa Melanie Korber, die mit ihrem Unternehmen „kunterbunt“ eine große Auswahl an Kinder- und Jugendbüchern anbietet sowie Hörbücher, bunte Rucksäcke, Babyspielzeug, Kuscheltiere und viele weitere Accessoires für das Kinderzimmer. „Die Leute sagen, sie unterstützen mich gerne, damit der Laden nach der Corona-Krise weiterläuft. Wir leben den Zusammenhalt.“

Allerdings ist es für beide Seiten eine große Umstellung, denn Melanie Korber ist es gewohnt, ihre Kunden individuell zu beraten und kann am Telefon, anders als im Geschäft, nicht direkt präsentieren, was sie empfiehlt: „Natürlich will man wissen, wie sich ein Plüschtier anfühlt oder wie ein Bilderbuch aussieht.“ Deshalb verschickt sie derzeit enorme Mengen von Fotos per E-Mail oder WhatsApp an mögliche Kunden, stets versehen mit individuellen Empfehlungen von „kunterbunt“. Schließlich wollen die Kinder in Zeiten von Corona zu Hause betreut und unterhalten werden, solange die Kindergärten und Schulen geschlossen sind. Da haben es einige Eltern eilig, damit die Pänz bei Laune bleiben. Die Beratung sei sehr viel zeitaufwendiger als sonst, sagt Korber, „aber es macht auch sehr viel Spaß.“

Ware wird vor die Haustür gestellt

Mit ihrem „kunterbunt-Taxi“ liefert die Chefin noch am selben Tag die bestellte Ware aus. Meist stellt sie die Lieferung vor der Haustür ab, um den direkten Kundenkontakt zu vermeiden. Ein Fall war durchaus kurios: Der Kunde wünschte, sie möge das Paket in der Biotonne ablegen. Da habe sie noch einmal nachgefragt, und der Kunde bestätigte: „Die Biotonne ist noch nie benutzt worden, das ist eine Art toter Briefkasten für uns.“ Händler, die sich den neuen Bedingungen stellen, können viele positive Erfahrungen mit der Beratung der Kunden per Telefon machen. Davon berichtet auch Melissa Eßer vom Esoterik-Laden „Amaris“. „Die Kundenkontakte sind zwar weniger als vor der Krise, aber wir können uns nicht beklagen“, sagt sie. Während sich die jüngeren Kunden im Onlineshop das Passende aussuchen und liefern lassen, ziehen die älteren, meist Stammkunden, eine Beratung am Telefon vor. Eine gute Gelegenheit, Sorgen und Ängste loswerden, findet Eßer. „Aber das Schönste ist, dass viele Kunden sich auch sorgen und fragen, wie es uns geht und uns viel Glück und Gesundheit wünschen. Das finde ich total süß.“

Kundenberatung nicht einfach

Nicht ganz so einfach ist die Sache für Achim Phiesel von „Achims Sportshop“, denn das Sportgeschäft ist spezialisiert auf Laufen, Wandern und Fitness. „Gestern haben immerhin zwei Leute angerufen, die Nachfrage ist überschaubar“, sagt er ganz offen. Denn wenn man sich neue Laufschuhe kaufe, müssten die eigentlich anprobiert und auf den persönlichen Laufstil abgestimmt werden. Dafür bietet er in seinem Ladengeschäft eine umfassende Laufbildanalyse an. Aber: „Das ist am Telefon nicht machbar.“

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Auch Ulrike Stollenwerk von Lederwaren Fingerhuth berichtet von einer eher geringen Nachfrage per Telefon oder Internet. Und das, obwohl sie auf Facebook immer wieder die Produkte des traditionsreichen Lederwarengeschäftes mit Fotos vorstellt. Gerade in der Zeit vor Ostern seien in der Vergangenheit immer die Schulranzen für das kommende Schuljahr gekauft worden, was in diesem Jahr leider nicht möglich sei. „Mal sehen, ob die Kunden dann nach Ostern wieder zu uns kommen. Jetzt halten alle ihr Geld zusammen, denn keiner weiß, was kommt.“

Hofladen gut besucht

Sehr positiv hingegen sind die Erfahrungen, die Sybille Fahl-Früh von Obstbau Früh in Queckenberg in den vergangenen Tagen gesammelt hat. Ihr Hofladen ist nach wie vor geöffnet, doch sehr viele Kunden ließen sich mit Obst und Gemüse aus Queckenberg beliefern. „Das sind meist Leute, die ich noch nie zuvor gesehen habe, vorwiegend ältere Personen oder Familien mit Kindern.“ Abends werden die Bestellungen ausgeliefert, wobei es sich als großer Vorteil entpuppt hat, dass die beiden Kinder derzeit im Homeoffice arbeiten und nach Feierabend mit ihren Privat-Pkw einspringen. Sorge bereitet ihr die bevorstehende Erdbeerernte. Denn Erntehelfer aus Osteuropa wird es diesmal nicht geben.

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