Rheinbacher StudentinGestrandet im Heimaturlaub in Südtirol

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Balkon statt Seminarraum: Elena Runggaldier startet das neue Semester an der Hochschule von Südtirol aus.

Balkon statt Seminarraum: Elena Runggaldier startet das neue Semester an der Hochschule von Südtirol aus.

Rheinbach/Südtirol – Umgeben von den Südtiroler Dolomiten und direkt unter dem Sellamassiv, einem plateauförmigen Bergstock, liegt das malerische Dorf Wolkenstein. Hier leben rund 2600 Menschen, auch die Familie von Elena Runggaldier. Die 22-Jährige studiert an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) Wirtschaftspsychologie. Eigentlich müsste sie jetzt in ihrer Bonner Wohnung sein und am Campus Rheinbach arbeiten, ihr Rückflug nach Deutschland fällt wegen der Corona-Krise allerdings vorerst aus. „Ein Plan geht halt nicht immer auf“, sagt die Südtirolerin pragmatisch. Im Gespräch mit der Rundschau berichtet sie, wie sie die Situation in ihrer Heimat erlebt.

Vom Urlaub zur Ausgangssperre

Seit dem 14. Februar, dem Ende ihres ersten Semesters in Rheinbach, ist Runggaldier nun bei ihren Eltern in Wolkenstein. Fast einen Monat lang war es für sie ein ganz normaler Heimaturlaub, am 10. März wurde dann eine Ausgangssperre verhängt. In den Supermarkt darf man nur mit Eigenerklärung, es herrscht Mundschutzpflicht.

H-BRS-Studierende im Ausland

Von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) befinden sich nach Angaben von Pressesprecherin Eva Tritschler elf Studierende zurzeit im Auslandssemester. Neun davon kommen vom Campus Rheinbach und sind derzeit in Schottland. Laut Tritschler hätten sie sich ausdrücklich dafür entschieden, dort zu bleiben. Ausländische Studierende, die in ihrer Heimat festsitzen, gebe es abgesehen von Elena Runggaldier keine. Auf der anderen Seite seien aber elf ausländische Studierende, die nach dem Wintersemester eigentlich in ihr Heimatland zurückkehren wollten, nun in Deutschland gestrandet. „Die sind aber alle gut versorgt und können hier Online-Kurse machen“, erklärt Tritschler. Ebenso könnten auch diejenigen Studierenden , die ihr Auslandssemester abbrechen mussten, hier Online-Kurse der Partnerhochschule machen. Das werde ihnen trotzdem als Auslandsemester angerechnet. Insgesamt sei der Austausch mit den Partner-Einrichtungen im Ausland sehr gut. „Durch die gegenseitige Hilfe haben sich die Partnerschaften jetzt noch einmal intensiviert“, so Tritschler. (mdh)

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„Am Anfang war das schon schlimm, irgendwie surreal“, erinnert sich die 22-Jährige. Neben der Ausgangssperre kommt in Wolkenstein hinzu: die meisten Menschen in der Gemeinde leben vom Gastgewerbe. Auch die Eltern der Rheinbacher Studentin sind betroffen, ihre Mutter leite Zuhause ein kleines „Bed and Breakfast“, ihr Vater sei Skilehrer. „Alle sind von den Beschränkungen relativ stark getroffen“, sagt Runggaldier. So ungewöhnlich die Situation nun sei, die meisten Menschen in Wolkenstein seien aber einigermaßen entspannt und würden sich an die Regelungen halten.

Das virtuelle Studium

Für die 22-Jährige sieht das Studium von Südtirol aus jetzt etwas anders aus. Die Hausarbeit, die sie zurzeit schreibe, sei nur mit E-Books ein bisschen schwieriger. „Daran scheitert es aber nicht“, so Runggaldier. Die Hochschule sei mit Online-Literatur, -Vorlesungen und Materialien vorbereitet und sie könne sich auch im Homeoffice gut motivieren.

Lage vor Ort

In der italienischen Provinz Südtirol, die rund 530 000 Einwohner in 116 Gemeinden zählt, sind nach Angaben der Südtiroler Landesregierung zurzeit (Stand: 21. April) 2412 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. In der Gemeinde Wolkenstein in Gröden mit etwa 2600 Einwohnern sind 46 Menschen infiziert. An den Folgen der Corona-Infektion sind in der Provinz bis Dienstag 252 und in der Gemeinde Wolkenstein sieben Personen gestorben. Als geheilt gelten in Südtirol 623 Personen. Hinzu kommen 245 Personen, die ein unklares Testergebnis hatten und in der Folge zweimal negativ getestet wurden. Zum Vergleich: In ganz Italien mit rund 60 Millionen Einwohnern sind laut Johns Hopkins Universität (Stand: 21. April) 181 228 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, gestorben sind bis dato 24 114 Menschen. Als genesen gelten 48 877 Personen. (mdh)

In Rheinbach ist die Südtirolerin eher zufällig gelandet. Nach dem Abitur habe sie erst gearbeitet, sich aber dann dazu entschlossen, doch zu studieren – und zwar Wirtschaftspsychologie. Als sie im vergangenen Jahr die Anmeldefrist bei einer anderen Hochschule verpasste und dann die Zusage für die H-BRS bekam, ging alles ganz schnell. Die ersten Wochen habe sie bei einer Kommilitonin auf dem Boden geschlafen, jetzt sei sie aber in Rheinbach angekommen. „Es ist schön dort, das war eine gute Entscheidung.“

In Wolkenstein vertreibe sich Runggaldier jetzt neben der Uni-Arbeit mit Puzzeln oder Kartenspielen mit ihren Eltern und ihrer Schwester die Zeit, die derzeit ebenfalls Zuhause ist. Auch im Garten verbringt die 22-Jährige viel Zeit, wie sie erklärt.

Auch in Südtirol lockern sich die Maßnahmen

Während in Deutschland Geschäfte bis 800 Quadratmeter und die Bibliotheken an Hochschulen unter bestimmten Umständen wieder offen haben, hat sich nun auch die Lage in Wolkenstein zumindest etwas gelockert. Man dürfe nun wieder das Haus – nicht nur zum Einkaufen – verlassen, allerdings nur alleine, berichtet Runggaldier. Diese Regelung, die nicht ganz Südtirol betreffe, gelte zunächst bis zum 3. Mai. „Wir haben gerade wunderschönes Wetter, das haben die meisten dann sofort genutzt, aber tatsächlich nur alleine“, so die 22-Jährige, die sich selbst schon auf ihre erste Wanderung seit Langem freut.

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So langsam wäre sie aber lieber wieder zurück in Deutschland, weil man sich hier freier bewegen könne. „Man merkt mittlerweile, dass die Isolation dann doch mal genug ist.“ Die Rückkehr gestaltet sich derzeit aber nicht so einfach: Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, hat Österreich einen Einreisestopp für Personen, die aus Italien kommen, veranlasst. Ebenso haben Deutschland und die Schweiz Kontrollen an den jeweiligen Binnengrenzen eingeführt. Beklagen möchte sich Runggaldier aber nicht, es gehe ihr in dieser für viele andere Menschen schweren Zeit noch recht gut.

Auch die Tatsache, dass sie in zwei Wochen Geburtstag hat und nicht wie gewohnt mit Freunden feiern kann, betrübt die 22-Jährige nicht. „Ich werde wohl nichts organisieren, ich glaube nicht, dass sich bis dahin viel ändert.“ Sie freue sich dennoch auf eine kleine Feier mit ihren Eltern und ihrer Schwester.

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