StadtgeschichteRheinbacher Pallottikirche aus Sicht des LVR ein Denkmal

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Palottikirche

Die  Pallotti-Kirche in Rheinbach 

Rheinbach – Die Rheinbacher Pallottikirche ist aus Sicht der Experten des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) ein Denkmal. Dies bestätigte das LVR-Amt für Denkmalpflege jetzt der Bonner Rundschau. Auch die Pallottiner als Eigentümer und die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Rheinbach seien über das Prüfergebnis informiert worden, so LVR-Pressesprecherin Birgit Parakenings. LVR-Experte Dr. Martin Bredenbeck hat ein umfassendes Gutachten dazu verfasst, das der Bonner Rundschau vorab zur Verfügung gestellt wurde.

Darin heißt es, mit der Planung der Pallottikirche habe Architekt Alois Möhring (Düsseldorf) 1962 oder 1963 begonnen. Die Kirchenplanung sei Teil einer Phase gewesen, in der die seit 1935 in Rheinbach ansässigen Pallottiner mit dem Neubau von Schul- und Internatsgebäuden expandierten und ihre Stellung in Rheinbach und für das Umland festigten. 1965 erhielten sie vom Land NRW die Genehmigung zum Betrieb einer „privaten Ersatzschule“ für Jungen, die gemeinsam mit dem Internat nunmehr „Vinzenz-Pallotti-Kolleg“ hieß. „Damit wirft das ausgedehnte Neubauvorhaben auch ein Licht auf die damalige Bildungspolitik in NRW, auf das Bemühen um eine Breitenbildung auch in kleineren Städten und im ländlichen Raum“, so Bredenbeck.

Wichtiger Teil der Stadtgeschichte Rheinbachs

Bei konfessionellen Trägern wie den Pallottinern erhielten die zu den Schulen gehörenden Sakralbauten eine besondere Bedeutung. Deshalb sei hier nicht nur eine Kapelle, sondern eine veritable, gestalterisch anspruchsvolle Kirche errichtet worden. „Die Kirche ist Ausdruck der Bedeutung von Religion und Erziehung in dieser Zeit, getragen von einem kirchlichen Orden, und sie ist ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte Rheinbachs als Zeugnis des Wirkens der Pallottiner.“

Innenausstattung wird noch geprüft

In der reichen rheinischen Nachkriegskirchenlandschaft wird die Rheinbacher Pallottikirche laut Gutachten des LVR-Amtes für Denkmalpflege als ein wichtiger Beitrag bewertet. Sie werde insgesamt als Denkmal erkannt. Zum Denkmalumfang gehören der eigentliche Kirchenbau in seiner bauzeitlich überlieferten Materialität innen und außen, der Gesamtraum mit seinem Raumeindruck, besonders auch das Betonglasband. Denkmalgeschützt sei außerdem der Turm in seiner bestehenden Form.

Ob auch Teile der Innenausstattung, etwa die Kirchenbänke, unter Schutz gestellt werden, werde aktuell noch untersucht. Mögliche Optionen für verändernde Eingriffe bei einer künftigen Nutzung sollen in einem zweiten Schritt nach der Unterschutzstellung behandelt werden. (jst)

Städtebaulich habe die Kirche mit ihrem Turm der Silhouette Rheinbachs damals ein weiteres Merkzeichen hinzugefügt. Der Turm sei ursprünglich deutlich höher geplant gewesen und hätte somit im Reigen der anderen Türme noch deutlicher mitgesprochen. Doch von Stadt und Landesdenkmalpflege seien in der Planungszeit Bedenken an der Turmhöhe und an seiner Gestaltung geäußert worden, und zwar gerade mit Blick auf die historischen Türme in der Stadt.

Der eigentliche Kirchenbau wirke städtebaulich in die Pallottistraße hinein, halte sich aber zurück. „Seine zentralisierende Form wird von außen nicht unmittelbar deutlich, stattdessen bietet sich eine abwechslungsreiche Außengestalt der verschiedenen Mauerscheiben.“ In ihrer Bedeutung erschließe sie sich erst dem Eintretenden, worin eine bewusste Inszenierung zu sehen sei. Ohnehin liege eine wichtige städtebauliche Bedeutung darin, dass die Kirche den geistigen wie architektonischen Mittelpunkt des Pallotti-Areals markiere. In einer Neubebauung könnte ihr dieser Stellenwert wiedergegeben werden, glaubt Bredenbeck.

Ein Erinnerungsort

„Wir sehen uns in unserer Einschätzung bestätigt, dass die Pallottikirche auf jeden Fall ein Denkmal ist“, freut sich Ralf Eschweiler, Vorsitzender des Vereins „Viel Platz für Kultur“ (VPK). Mit dem Prüfergebnis durch das LVR-Amt für Denkmalpflege sei die erste Hürde zum Erhalt der Pallottikirche genommen.

Jetzt sei die Stadt Rheinbach am Zug, damit die Pallottikirche auch offiziell ein Denkmal werde. Der VPK hatte im August 2020 bei der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Rheinbach und beim LVR-Amt für Denkmalpflege angeregt, zu prüfen, ob die Pallottikirche ein Denkmal ist. Als baulicher und geistiger Mittelpunkt des ehemaligen Vinzenz-Pallotti-Kollegs sei die Pallottikirche Erinnerungsort für die mehr als 80 Jahre währende Präsenz der Pallottinergemeinschaft in Rheinbach und Umgebung. Für Bürger der Stadt und für ehemalige Schüler des Vinzenz-Pallotti-Kollegs stelle die Kirche zudem ein Stück persönlicher Geschichte dar . (jst)

Bedeutung als Typus Zeltkirche

Architektonische Bedeutung habe die Kirche als qualitätvoller Vertreter des Typus Zeltkirche auf zentralisierendem Grundriss. Die Zeltform sei theologisch abgeleitet, und zwar gleich mehrfach: vom alttestamentarischen Bundeszelt als „Wohnstätte Gottes im wandernden Bundesvolk“, von der „Wohnung Gottes unter den Menschen“ und aus der Volk-Gottes-Theologie des Zweiten Vatikanums. Bei der Pallottikirche ergebe sich das Zelt hauptsächlich als Innenraumerlebnis: Über das freigestellte Skelett der zusammenlaufenden Betonstützen erscheine die holzverkleidete Decke gespannt.

„Die sehr zeittypische Skelettbauweise ist hier anspruchsvoll zu einem raumprägenden Baldachin gesteigert, der als Mitte der zusammenlaufenden Stützen mit dem vieleckigen Betonreif sogar noch eine Andeutung eines Gewölbeschlusssteins zeigt“, so Bredenbeck.

Als Fenstergestaltung wurde ein umlaufendes Betonglasband gewählt, eine Art hybride Struktur von Wand und Fenster und anspruchsvoll in der Herstellung. Diese Fenstergestaltung trage dazu bei, den Alltag außen zu halten und den Innenraum als besonderen, sozusagen störungsfreien Ort zu qualifizieren. Es trage als wesentliche Lichtquelle und Mittler zwischen Wand und Decke auch zum schwebenden Zelteindruck bei.

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Mit ihrer Materialität stelle die Kirche den Anschluss an die Alltagserfahrungen der damaligen Zeitgenossen her: Gerade Beton und verschiedene Formen von Backstein seien prägende Materialien bei verschiedenartigen Bauten gewesen. Breidenback: „Die besondere Bedeutung der Kirche ergibt sich aus der künstlerischen Überhöhung dieser Materialien.“

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