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Serie „Oasen der Ruhe“Warum es sich im Kottenforst richtig gut ausspannen lässt

Lesezeit 5 Minuten
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  • Ein Kunstwerk im Museum, die Stille einer Kirche, ein besonderes Bauwerk, ein Spaziergang im Wald – es sind ganz verschiedene Orte, an denen Menschen Kraft tanken können.
  • In einer Serie stellt die Rundschau in den Sommerferien Oasen der Ruhe vor. Heute: der Kottenforst

Rhein-Sieg-Kreis – Es ist, als riesele die Sonne durch das grüne Blattwerk der Eichen im Kottenforst, kleine Stäubchen scheinen in der Luft zu tanzen, die Füße berühren Moos und Laub, irgendwo in der Höhe hämmert ein Specht gegen Holz, ab und zu ist ein leises Rascheln zu hören, aber sonst: Stille. Und saubere Luft, um die Lunge richtig vollzupumpen. Ein Spaziergang im Wald ist die reinste Erholung, der Wald ein Ort zum Auftanken.

Der Kottenforst zwischen Bonn, Meckenheim, Heimerzheim, Buschhoven, Alfter und Witterschlick ist 40 Quadratkilometer groß – also eine gigantische Tankstelle für gestresste Menschen.

Vogelgezwitscher statt Straßenlärm

Denn Wald tut gut: Die Bäume haben eine entspannende Wirkung auf unsere Psyche; japanische Forscher haben zudem herausgefunden, dass ein Waldspaziergang den Blutdruck senken kann. Waldluft wirkt sich positiv auf das Herz-Kreislaufsystem aus. Ätherische Öle aus Tannennadeln und Rinde stärken die Abwehrkräfte, die Augen entspannen sich beim Blick ins Grüne, die Gedanken können kreisen und im Hirn Platz schaffen für neue Ideen. Vogelgezwitscher statt Straßenlärm beruhigt das Gehör, der weiche Waldboden schont die Gelenke – ein Besuch im Busch kann also pures Glück auslösen.

Der Kottenforst

Der 40 Quadratkilometer große Kottenforst bildet den Ostrand des Naturparks Rheinland. Er ist bis heute weitgehend unbesiedelt, bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde er als Viehweide genutzt, für die Freiflächen in den Wald geschlagen wurden. Kurfürst Clemens August ließ den Kottenforst vermessen und darin für seine Parforcejagden breite Alleen anlegen, die heute als Wanderwege genutzt werden. Weite Teile des Kottenforsts, der sich überwiegend im Landesbesitz befindet oder aber der Stadt Bonn gehört, sind Naturschutzgebiet. Er ist über den Bahnhof Kottenforst der Voreifelbahn und mehrere Buslinien mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.

Einkehrmöglichkeit: Waldschänke Im Zuschlag, Alfter, Schmale Allee 1. Geöffnet: mittwochs bis samstags 12 bis 22.30 Uhr, sonntags 10.30 bis 22 Uhr.

Bahnhof Kottenforst, an der Bahnlinie der S 23 (Bonn-Euskirchen). Geöffnet: dienstags bis sonntags ab 11 Uhr.

Radtour-Tipp: Start und Ziel Haltestelle Uedorf der Stadtbahnlinie 16, dort auch Parkmöglichkeiten. 49 Kilometer lange Rundtour über Bornheim, Brenig, Röttgen und Roisdorf.

Wandertipp: Start und Ziel Bahnhof Kottenforst, 11 Kilometer lang, Dauer etwa 3 Stunden. Empfohlene Wanderkarte: Rheinbach/Alfter Nr. 6 des Eifelvereins. (dbr)

Im strengen Corona-Lockdown, als man nur zu zweit vor die Tür durfte, waren die Waldwege voller als sonst. Laufen normalerweise durchschnittlich 290 Passanten pro Tag in den Kottenforst, wurde an den Zählstellen des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft in den Monaten März und April die dreifache Menge ermittelt. Die Stadtmenschen wollten, so darf vermutet werden, angstfrei ausschreiten und mal nicht darüber nachdenken, ob sie von Covid 19 infiziert werden, ob das klappt mit dem Homeoffice und dem Homeschooling, sondern Ablenkung finden vom Alltag.

Der Wald also als Ort der Sehnsüchte. Was haben ihn die Romantiker besungen! Friedrich Rückert beispielsweise in seinem „Abendlied“: „Ich stand auf Berges Halde, als heim die Sonne ging, und sah, wie überm Walde des Abends Goldnetz hing. Des Himmels Wolken tauten der Erde Frieden zu, bei Abendglockenlauten ging die Natur zur Ruh.“ Und Joseph von Eichendorff schwärmte: „O Täler weit, o Höhen, o schöner grüner Wald, du meiner Lust und Wehen, andächt’ger Aufenthalt“. Die Bornheimer Autorin Iris Schürmann-Mock nennt Erich Kästners „Trostlied im Konjunktiv“ und Christian Morgensterns „Die zwei Wurzeln“ als ihre Lieblingsgedichte über den Wald (siehe Interview).

Man sollte also seinen Eichendorff einpacken und zum Waldbaden gehen. Das ist ein Wellnesstrend, der aus Japan zu uns gekommen ist: Ist der Akku leer, tauche ein in die angenehme Atmosphäre des Waldes, wo es würzig riecht, das Licht milde schimmert und die Wipfel der Bäume sich im Wind wiegen. Dann gehe spazieren oder setze dich ins Moos oder auf einen Baumstumpf und atme tief ein. Man kann das natürlich für sich allein machen, aber auch fürs Waldbaden gibt es mittlerweile Experten.

Waldbaden hilft gegen Stress

Das Gut Leidenhausen am Rande der Wahner Heide bietet Seminare zum Thema „Waldbaden zum Stressabbau“ (www.gut-leidenhausen.de) an. Im Bröltal oder im Siebengebirge können Stressgeplagte mit dem „zertifizierten Waldbademeister“ Fritz Herkenrath aus Hennef, Gründer der Organisation RobinWoods, gleichsam durchs Grün schwimmen (www.henneferbaumdienst.de). Aber Vorsicht: Zecken, der Fuchsbandwurm oder neuerdings der Eichenprozessionsspinner vermögen einem den Spaß unterm Dach der Wipfel zu verderben. Die Stadt Bonn hat jüngst zwei Waldwege auf dem Hardtberg und auf dem Venusberg gesperrt, weil dort Nester dieser gesundheitsschädlichen Raupen gefunden wurden. Ihre feinen Haare sind giftig und können beim Menschen schwere allergische Reaktionen auf der Haut auslösen. Durch Einatmen der sogenannten Brennhärchen sind nach Angaben der Stadt Atemwegsreizungen und Asthma möglich. Wer vor lauter Juchzen über die Waldeslust die Realität also nicht aus den Augen verliert und auf Plagegeister achtet, sieht auch, dass die Bäume leiden. An der Venner Allee im Kottenforst ist der in zwei Menschengenerationen entwickelte Forst tot, abgestorben durch Borkenkäferfraß und Dürre, teilt das Regionalforstamt mit.

An den Gerippen der Bäume haben im Juni die Künstler Carmen Dietrich und Gregor Merten aus Burscheid den Schriftzug „Zeitenwende“ angebracht – als Menetekel. Aber auf der Kahlfläche regt sich bereits neues Leben. Förster haben Eichen, Hainbuchen und Linden gepflanzt, in einem Teich sollen Springfrosch und Geburtshelferkröte laichen. Am Rande der Anlage sollen weitere 13 Baumarten wie Esskastanie, Roterle und Vogelkirsche den heimischen Laubmischwald stärken. Damit der Mensch dort weiter Kraft tanken kann.

Nächste Folge: Schloss Miel

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