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„Unerklärbare Schicksale“Uni Bonn informiert über seltene Krankheit ALS

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Bruno Schmidt (m.) wurde von Dr. Patrick Weydt und Dr. Eva Koch von der Hertie-Stiftung für sein Engagement ausgezeichnet.

Bruno Schmidt (m.) wurde von Dr. Patrick Weydt und Dr. Eva Koch von der Hertie-Stiftung für sein Engagement ausgezeichnet.

Bonn – Etwa 8000 Menschen in Deutschland leiden an Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Dabei handelt es sich um eine schrittweise eskalierende Muskellähmung. Erkrankte sind häufig schnell auf einen Rollstuhl angewiesen. Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Universitätsklinikum Bonn hatten am Samstag zu einem Informationstag eingeladen. Außerdem stellte sich die Motoneuronambulanz der Universitätsklinik vor, eine der wenigen spezialisierten Zentren in Deutschland.

Dr. Patrick Weydt, der Leiter der Ambulanz, erklärt die mannigfaltigen Ausprägungen des Krankheitsbilds: „Am Anfang sind die Störungen noch vergleichsweise harmlos. Erkrankten geht zum Beispiel die Kraft in den Händen verloren, oder die Stimme verändert sich.“ Alle Symptome seien ein Zeichen für abnehmende Muskelkraft. „Im weiteren Verlauf breitet sich die Lähmung auf den ganzen Körper aus“, sagt Weydt. Patienten seien dann schnell auf einen Rollstuhl angewiesen oder würden ihre Sprachfähigkeit verlieren. Wenn die Krankheit dann auch noch die Atemmuskulatur befalle, führe sie schnell zum Tod – „meistens innerhalb von wenigen Jahren“, ergänzt Doktor Weidt. Fälle wie der des Astrophysikers Stephen Hawking, der 50 Jahre mit ALS lebte, seien Ausnahmen.

„Unerklärbare Schicksalsfälle“

Die Gründe für die Krankheit sind nach Angaben der Fachleute unklar. Erwiesen ist, dass sie entsteht, weil Nervenzellen, die Signale an die Muskeln übermitteln, absterben. Etwa fünf Prozent der Fälle ließen sich auf genetische Faktoren zurückführen, der Rest seien „unerklärbare Schicksale“ so Weidt.

Bei Bruno Schmidt aus Gereonsweiler im Kreis Düren wurde die Krankheit 2014 im Alter von 49 Jahren diagnostiziert. Da sie bei ihm langsam verläuft, ist er noch nicht auf einen Rollstuhl angewiesen. „Als der Arzt meine Ergebnisse gesehen hat, wusste ich sofort, dass irgendwas nicht in Ordnung ist“, so Schmidt. Die Diagnose sei ein schwerer Schlag für ihn gewesen: „Ich habe zwei Wochen den Kopf in den Sand gesteckt und auch an Selbstmord gedacht.“ Eines Tages habe er aber genug vom Selbstmitleid gehabt: „Ich schaute morgens in den Spiegel und fasste eine neue Devise: Optimistisch nach vorne schauen. Das tue ich bis heute. 90 Prozent der Zeit gelingt es mir sogar.“

Preisgeld für die ALS-Forschung

Schmidt gründete den Verein „Alle lieben Schmidt“, kurz ALS. Unter seinem Dach macht er Öffentlichkeitsarbeit, sammelt Spenden und betreibt Patientenhilfe. „Ich will anderen Betroffenen helfen, ihr Schicksal positiver zu nehmen“, erklärt Schmidt seine Motivation. Für sein Engagement erhielt er am Samstag den „Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe“, der mit 7500 Euro dotiert ist. „Weil ALS eine relativ seltene Krankheit ist, fehlt uns einfach die Lobby. Da helfen solche Preise natürlich“, erklärte er die Herausforderungen bei der Vereinsarbeit. Mit dem Preisgeld unterstützt der Verein die ALS-Forschung am Uniklinikum Bonn.

Viele Erkrankte wüssten über Hilfsangebote nicht Bescheid oder könnten sich teure Umbauten für Wohnung und Autos nicht leisten. Sein Verein hilft Betroffenen nicht nur dabei diese Herausforderungen zu bewältigen. Laut Schmidt ist es für Betroffene besonders wichtig, nicht zu verzagen:„Jeder kann etwas bewegen und zwar immer. Selbst wenn es nur im eigenen Kopf ist.“ (söb)

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