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Bekannt aus dem TatortRoland Riebeling inszeniert eigenes Theater im Schauspiel Bonn

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Verkehrte Welt auf der Bühne im Schauspiel Bonn.  

Bonn – Fernsehzuschauer kennen den Schauspieler Roland Riebeling als Darsteller des Kommissars Norbert Jütte in den Kölner „Tatort“-Folgen. Im Schauspielhaus Bonn hat er jetzt nach „Über Männer“ und „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ zum dritten Mal Regie geführt. Das aktuelle Stück „Istanbul“ ist ein Abend mit Liedern des türkischen Popstars Sezen Aksu. Unser Reporter Dieter Brockschnieder sprach mit Riebeling über die Arbeit fürs Fernsehen und fürs Theater.

Mensch, Jütte, hätte ich bald gesagt: Mit Ihrem letzten „Tatort“-Film „Der Reiz des Bösen“ haben Sie mir böse Träume verursacht.

Roland Riebeling: Ich hoffe nicht ich, sondern der Mörder. Aber es freut mich, dass die Spannung gestimmt hat. Ich mag Krimis gerne mit dem klassischen „Wer war es?“-Schema, und bin dann umso verblüffter, wenn ich wie in diesem „Tatort“ erfahre, wer es denn wirklich war.

Sonst sind Sie im „Tatort“ ja meist der Stichwortgeber für Schenk und Ballauf, der Akten bringt oder am PC sitzt. Jetzt haben Sie die dritte Hauptrolle gespielt. War das eine neue Erfahrung für Sie?

Das war in der Tat eine schöne Erfahrung, dass die Rolle des Jütte ausgebaut worden ist. Da ist noch viel Potenzial drin, die Zuschauer haben einiges über seine Vergangenheit gesehen, aber es gibt noch viel mehr über ihn, als man bisher weiß.

Sie sind zum dritten Mal am Theater Bonn als Regisseur tätig gewesen. Ist ein Schauspieler wie Sie als Regisseur kumpelhafter zu den Kolleginnen und Kollegen als jemand, der „nur“ Regisseur ist? Oder ist er strenger?

Ich denke, dass ich total entspannt bin, aber ob das die anderen auch so sehen, weiß ich nicht (lacht). Aber ich weiß aus eigener Erfahrung: Wenn ein Schauspieler Regie führt, redet er ganz anders mit den Schauspielerinnen und Schauspielern.

Theaterstück Istanbul

Das Theaterstück „Istanbul – ein Sezen Aksu-Liederabend“ funktioniert nach dem Was-wäre-wenn-Prinzip: Arbeitslose Deutsche wandern in den 60ern auf der Suche nach Arbeit in das Wirtschaftswunderland Türkei aus.

Die Geschichte wird unterlegt mit Songs von Sezen Aksu, der 67 Jahre alten Königin des türkischen Pop, die 1974 ihre erste Single herausbrachte.

Vorstellungen sind am 15., 21. und 22. Oktober, jeweils 19.30 Uhr, Schauspielhaus, Bad Godesberg, Am Michaelshof. (dbr)

Er weiß, welche Sprache er sprechen muss, um eine Idee umzusetzen. Ich lasse den Akteuren sehr viel Zeit für sich. Damit sie mit großer Ruhe in die Proben gehen, damit sie sich auf ihr Spiel konzentrieren können und nicht von einem Tag auf den anderen eine neue Fassung präsentiert bekommen.

In „Istanbul“ wird eine Gastarbeitergeschichte aus anderer Perspektive erzählt, ein Bonner Klaus Gruber aus Graurheindorf wandert in den 60ern aus dem armen Deutschland in das Wirtschaftswunderland Türkei aus, um dort zu arbeiten. Was kann man daraus lernen?

Verständnis, Verständnis und nochmal Verständnis, oder, ganz klassisch: Nächstenliebe aufbringen für mein Gegenüber. Das Kerngeschäft am Theater ist ja, sich als Ausführender und als Zuschauer hineinzuversetzen in das, was ich nicht bin, und dann zu verstehen, zu begreifen und mich dadurch bereichern.

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Das macht diesen Abend besonders schön, weil man ins Nachdenken kommt. Man kann dadurch die deutsche und die deutsch-türkische Geschichte nachfühlen.

Volker Lösch hat zur Jahreswende 2020 an der Bonner Oper Beethovens Oper „Fidelio“ hoch politisch inszeniert und explizit Kritik an der Politik der türkischen Regierung unter Erdogan geübt. „Istanbul“ kommt ohne Politik aus. Warum?

Das stimmt nicht. Der Abend ist sehr politisch, weil wir die jetzige Situation von Türkinnen und Türken in Deutschland, auch in zweiter und dritter Generation, beleuchten. Erdogan lassen wir an diesem Abend außen vor, aber politisch bleibt der Abend trotzdem, weil es um die Verständigung geht von Deutschen mit türkischen Wurzeln, von Türken, die hier leben, und von Deutschen. Wir machen einen Unterhaltungsabend, und darin steckt das Wort Haltung. Haltung zeigen heißt: Wie gehen wir in Deutschland miteinander um?

Haben Sie eigentlich eine Sezen Aksu-CD Zuhause?

Mittlerweile ja. Sie singt sehr leidenschaftliche, ja herzzerreißende Lieder, die im Ohr bleiben.

Das Ensemble singt die Songs auf Türkisch, als wenn es seine Muttersprache wäre. Wie haben Sie das hingekriegt?

Wir hatten sehr viele Helfer. Einmal der musikalische Leiter Torsten Kindermann, der mit einer Türkin verheiratet ist und die Sprache relativ gut spricht; dann den türkischen Regieassistenten Yunus Wieacker und die türkische Choreografin Arzu Erdem-Gallinger. Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben die Texte bereits im März zugeschickt bekommen und konnten sich seitdem damit beschäftigen.

Was ist Ihr nächstes Projekte? Wieder eines am Theater Bonn?

Ich habe hier sehr gerne gearbeitet und könnte mir vorstellen, dass es ein Wiedersehen gibt.

Als Schauspieler oder als Regisseur?

Das verrate ich noch nicht.

Zur Person Roland Riebeling

Roland Riebeling wurde 1978 in Essen geboren. Er wollte evangelischer Pfarrer werden, bewarb sich dann aber an der Westfälischen Schauspielschule Bochum und schloss dort im Jahr 2001 sein Schauspielstudium ab.

Engagements führten ihn unter anderen an das Theater Oberhausen, das Theater Bonn, das Schauspiel Bochum, die Stadsschouwburg Amsterdam oder die Volksbühne Berlin.

Als Fernsehschauspieler zu sehen war bzw. ist er unter anderem in „Mensch Markus“, „Großstadtrevier“ oder „Das Duo“. Seit 2018 gehört er als Assistent Norbert Jütte zum festen Team des Kölner „Tatort“.

In der „Tatort“-Episode „Der Reiz des Bösen“ (Erstausstrahlung: 19. September 2021) geht es um Frauen, die sich in Häftlinge verlieben und diese nach deren Entlassung bei sich aufnehmen. (dbr)  

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