Es fehlen zwei Millionen EuroBonner Stadtdechant Schumacher war nicht zu halten

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Hat den Schlüssel der katholischen Kirche in Bonn abgegeben: der zurückgetretene Stadtdechant Wilfried Schumacher.

Hat den Schlüssel der katholischen Kirche in Bonn abgegeben: der zurückgetretene Stadtdechant Wilfried Schumacher.

Bonn – Diese Nachricht ist für viele Bonner ein Schock – und die, die Wilfried Schumacher näher kennen, reagieren meist mit Fassungs- und Sprachlosigkeit: Monsignore Schumacher hat seinen Rücktritt erklärt und verzichtet damit mit sofortiger Wirkung auf seine Aufgaben als Stadtdechant und als Pfarrer der katholischen Münsterpfarrei St. Martin. Grund dafür ist ein millionenschwerer Finanzskandal in der Kirchengemeinde, für den das Erzbistum Köln Schumacher verantwortlich macht.

Mit seiner Entscheidung kam der 68-Jährige, der knapp 20 Jahre Stadtdechant und Münsterpfarrer in Bonn war, offenbar einer Beurlaubung durch den Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zuvor. Dieser nahm den Verzicht an und dankte dem Geistlichen für seinen priesterlichen Einsatz. Schumacher selbst gab am Freitag keine Stellungnahme zu dem Vorgang ab.

Interne Abmahnung keine Option

Von 2009 bis 2014, so die Vorwürfe des Kölner Erzbistums in einer am Freitagmittag verbreiteten Erklärung, habe die Kirchengemeinde aus ihrem Substanzvermögen unzulässig knapp eine Million Euro zur Finanzierung defizitärer Gemeindeeinrichtungen verwendet.

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Namentlich genannt wird das Münster-Carré, ein 2009 eingeweihtes Tagungs- und Veranstaltungshaus, zu dem auch der Münsterladen gehört, in dem Kerzen, Bibeln und Bücher verkauft werden, der aber wegen Unwirtschaftlichkeit zum 30. September schließt. Diese Entscheidung hatte der Kirchenvorstand schon Anfang Mai bekanntgegeben.

Prachtbau: Das Bonner Münster ist das Herz der Stadt. Die katholische Kirche in der Bundesstadt wird nun von einem Finanzskandal erschüttert.

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Außerdem, so das Bistum weiter, hätten interne Prüfungen ergeben, dass es bei Bauprojekten der Kirchengemeinde „zu Liquiditätsengpässen in vergleichbarer Höhe“ gekommen sei. Dies betreffe nicht die derzeitige 20 Millionen Euro teure Renovierung des Münsters. Die Rücklagen der Gemeinde – insgesamt geht es jetzt um rund zwei Millionen Euro – müssten nach Ablauf ihrer jeweiligen Laufzeit verpflichtend wieder angelegt werden: „Dies“, heißt es in der Erklärung, „ist hier nicht geschehen.“

Eine „besondere Aufsichts- und Vermögensbetreuungspflicht“ sieht das Erzbistum in der Person des bisherigen Stadtdechanten Schumacher mit der zuständigen Rendantur (Finanzverwaltung), betont aber ausdrücklich: „Den Verantwortlichen wird keine persönliche Bereicherung vorgeworfen.“

Mit Schumacher, so die Pressestelle des Bistums auf Anfrage der Rundschau, seien mehrere Gespräche geführt und seine Ausführungen „im vorläufigen Untersuchungsbericht und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt“ worden. Vor allem der Vermögensrat der Diözese sei zur Auffassung gekommen, dass „unverzüglich die personellen Konsequenzen gezogen werden müssten“. Die Möglichkeit einer bloß internen Abmahnung sei „angesichts der Tragweite des festgestellten Sachverhalts“ ausgeschieden.

Der Betroffene schwieg gestern zu den Vorwürfen. „Alle Anfragen werden vom Erzbistum beantwortet“, verwies Wilfried Schumacher gegenüber der Rundschau auf das Kölner Generalvikariat.

Schumacher genießt hohes Ansehen

In Bonner Kirchenkreisen wurde die Nachricht aus Köln, die an Christi Himmelfahrt öffentlich wurde, vielfach mit Bestürzung aufgenommen. Schumacher genießt in weiten Teilen des Bonner Stadtlebens hohes Ansehen – und es ist ein offenes Geheimnis, dass seine Beziehung zum Kölner Erzbistum schon unter Woelkis Vorgänger Joachim Kardinal Meisner nicht einfach war.

Der gebürtige Bonner gilt als liberal und als erklärter Gegner der geplanten Pastoralreform im Erzbistum. Ist dieses nun froh, einen unbequemen Mann loszuwerden? „Diese angeblichen Gerüchte entbehren jeder Grundlage“, ließ das Generalvikariat wissen. „Leider“ seien die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, dass Schumacher seine wichtigen Funktionen in der Martinspfarrei nach den Vorwürfen hätte fortführen können.

Vorstand des Katholikenrats bedauert Rücktritt

Vom Kirchenvorstand der Martinsgemeinde, dessen Vorsitzender Schumacher war, gab es keine Stellungnahme zu den Vorwürfen. Der Vorsitzende der Bonner Münster-Stiftung und des Bonner Münster-Bauvereins, Dr. Ludwig Klassen, erklärte: „Die Vorstände beider Institutionen sprechen Monsignore Schumacher ihr uneingeschränktes Vertrauen aus und danken ihm für seine konstruktive, stets gute Zusammenarbeit.“

Dorothee Schwüppe, Vorsitzende des Katholikenrates, kann zum Sachverhalt selbst nichts sagen, da dieser Sache der Kirchengemeinde sei. Doch bedaure der Vorstand des Katholikenrats den Rücktritt Schumachers sehr: „Wir haben immer gut mit ihm zusammengearbeitet. Das war konstruktiv, ideen- und hilfreich.“

Der Bonner Superintendent Eckart Wüster bezeichnete das Ausscheiden Schumachers als „großen Verlust für unsere Stadt“: „Wir als evangelische Kirche haben die ganze Zeit über sehr vertrauensvoll und gut zusammengearbeitet in vielen Projekten und Gottesdiensten.“ Oberbürgermeister Ashok Sridharan bedauerte „zutiefst, dass es zu diesem Schritt gekommen ist. Für mich schmälern die aktuellen Vorwürfe nicht die sonstigen Verdienste, die sich Monsignore Schumacher erworben hat“.

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