Reuterstraße und BelderbergStadtverwaltung und Verbände sauer über Fahrverbote

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Gehört zu den befahrensten Straßen von Bonn: die Reuterstraße, auf der der Grenzwert an Stickstoffdioxid überschritten wird.

Gehört zu den befahrensten Straßen von Bonn: die Reuterstraße, auf der der Grenzwert an Stickstoffdioxid überschritten wird.

Bonn  – Mit Verärgerung und Unverständnis haben Stadtverwaltung und Verbände, aber auch Politiker auf das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts reagiert, in Bonn ab April 2019 streckenbezogene Fahrverbote einzuführen. Betroffen sind die Reuterstraße und der Belderberg. Auf beiden wird der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid je Kubikmeter Luft überschritten, auf der Reuterstraße um 9, auf dem Belderberg um zwei Mikrogramm.

Auf der Reuterstraße gilt dann ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge mit Euro-5/V-Motoren und Benziner der Klassen Euro 1 und 2. Der Belderberg ist ab April 2019 tabu für Dieselfahrzeuge mit Euro-4/IV-Motoren und älter sowie für Benziner der Klassen Euro 1 bis 3. Außerdem verfügte das Gericht eine zeitnahe Nachrüstung der städtischen Busflotte im Hinblick auf die Immissionssituation am Belderberg mit SCRT-Filtern. Diese Maßnahmen sollen zusätzlich zu jenen gelten, die bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplanes im Oktober formuliert worden waren.

Ein „Schlag für die Bevölkerung“

Die Fahrverbote seien ein „harter Schlag für die Bevölkerung und den Wirtschaftsstandort“, kommentierte Oberbürgermeister Ashok Sridharan das Urteil zur Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Nordrhein-Westfalen zum Luftreinhalteplan für Bonn. Die Verwaltung hatte im Vorfeld auf die „sehr problematischen Folgen“ von Fahrverboten in einer Stadt mit vielen Baustellen hingewiesen.

Damit müssten Land und Stadt nun umgehen. Es sei auch noch nicht klar, wie die Verbote umgesetzt werden könnten. Auch wenn der OB versprach, alles zu tun, um die Verbote schnell wieder aufheben zu können und den Dialog mit Verkehrs-, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden zu suchen, so ist er doch verärgert:„Jetzt haben wir den ,worst case’. Wenn Hardware-Nachrüstungen der Autohersteller rechtzeitig vorgenommen worden wären, hätten wir das Problem nicht.“

Ein Fahrverbot verhängte das Gericht auch für den Belderberg. Zudem müssen hier die Linienbusse nachgerüstet werden.

Ein Fahrverbot verhängte das Gericht auch für den Belderberg. Zudem müssen hier die Linienbusse nachgerüstet werden.

Mit Unverständnis reagierte auch Stefan Hagen, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg, auf das Urteil. Wegen weniger Mikrogramm Stickstoffdioxid werde „ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden in Kauf genommen“. Viele Wirtschafts- und Pendlerverkehre würden erschwert – ein „herber Schlag für die Attraktivität des Standorts und die betriebliche Mobilität. Wie sollen in Zukunft dringend benötigte Lieferungen und Abholungen zeitnah gewährleistet werden?“. Für diese Verkehre müsse eine Ausnahmeregelung her, die in den Luftreinhalteplan eingearbeitet werden müsse, fordert Hagen. Der im Übrigen beklagt, dass sich Versäumnisse der Vergangenheit rächten: „Eine vorhandene Südtangente hätte die Belastung mit Stickoxiden zumindest anders verteilen können – die Reuterstraße wäre entlastet worden.“

Versorgungsengpass für Bonn

Regelrecht „entsetzt“ über den „unmöglichen Schnellschuss“ der Verwaltungsrichter ist Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher aus Meckenheim. Er sieht einen Versorgungsengpass auf Bonn zukommen, falls es keine Ausnahmegenehmigungen für Handwerker gebe, die zu 80 Prozent in Dieselfahrzeugen unterwegs seien, und für Anwohner mit solchen Wagen. Sauer ist er darüber, dass sich die Politik von der Deutschen Umwelthilfe „wie an einem Nasenring durch die Arena ziehen lässt“. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid sei „willkürlich und völlig an der Realität vorbei“. Die Arbeitsstättenverordnung sehe einen Grenzwert von 960 Mikrogramm vor, ein Adventskranz produziere 200.000, eine Zigarette 100.000: „Da müssten die Leute ja reihenweise tot umfallen.“

Zu Wort meldeten sich auch die Bonner Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Katja Dörner (Grüne). Beide sehen auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in der Verantwortung. Dieser habe nicht genügend Druck aufgebaut, damit der Hauptverantwortliche, die deutsche Automobilindustrie, die technische Nachrüstung übernehme. Beide fordern eine Nachrüstpflicht auf Kosten der Hersteller. Allein in Bonn, so Dörner, seien mehr als 33.000 Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 4 und 5 betroffen – ohne ältere Wagen und den Pendlerverkehr in die Stadt. Im Rhein-Sieg-Kreis seien es knapp 66.000 Diesel-Pkw dieser Norm. Kelber bezeichnet das Fahrverbot als „herben Schlag“ für Besitzer von Dieseln und als „Katastrophe“ für den Verkehr wegen notwendiger Umleitungen. Er wirft auch der Lokalpolitik Versäumnisse vor: Seit Jahren gehe es beim Ausbau des Radverkehrs ebenso wenig voran wie bei dem von Bus und Bahn.

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