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Therapiezentrums in Bonn-BeuelVater lehnt Impfstoff für Tochter ab

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Astrazeneca

Ampullen mit dem Corona-Impfstoff des Herstellers AstraZeneca stehen in kleine Kartons verpackt in einem Kühlschrank.

Bonn – Die Reihenfolge, in der die Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden sollen, wird derzeit ebenso diskutiert wie die Wirkung der drei bislang in Deutschland zugelassen Impfstoffe. Während die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech Pfizer und Moderna eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent haben, hat sich der vektorbasierte Impfstoff von Astrazeneca bisher zu rund 70 Prozent als wirksam erwiesen. Zudem fehlen beim Astrazeneca-Impfstoff Daten, die einen verlässlichen Schutz für Menschen über 65 Jahre belegen. Die Impfverordnung des Bundes sieht daher derzeit vor, dass allen Menschen unter 65 Jahren, denen aufgrund der Priorisierung ein Impfangebot gemacht wird, der Impfstoff von Astrazeneca angeboten werden soll, teilt das NRW-Gesundheitsministerium mit.

Lange auf Impftermin gewartet

Kritik daran kommt von Norbert Knüppel, Vater einer Bewohnerin des TZ Therapiezentrums in Beuel. Die Tochter des Wirtschaftsanwalts ist aufgrund einer Behinderung pflegebedürftig und daher in der Einrichtung untergebracht. Lange wartete die Familie auf einen Impftermin für ihre Tochter. Mitte Februar ist die Impfung nun in der Einrichtung geplant. Einen Einfluss auf den Impfstoff hat die Familie aber nicht, so der Wirtschaftsanwalt: „Die Kassenärztliche Vereinigung bietet nur den Astrazeneca-Impfstoff an“, sagt Knüppel. Als rechtlicher Betreuer der 32-Jährigen ist der in Köln lebende Vater empört: „Menschen mit Behinderungen werden hier zu Menschen zweiter Klasse gemacht“.

Die Leiterin des TZ, Sabine Rickes, bestätigt den Impftermin. Geimpft werden können gut 170 Personen. Bewohnern von unterschiedlichen Standorten und Mitarbeitern bietet die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Impfung an.?Rickes hatte sich nach eigenen Angaben für einen frühen Impftermin eingesetzt und ist froh, dass nun ein Datum feststeht. „Wir sind eine der ersten Einrichtungen der Wiedereingliederungshilfe in Bonn, die überhaupt geimpft werden“, sagt sie. Auch ein Großteil der Bewohner und Mitarbeiter freue sich über das Angebot der KV.

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Impfstoff ist nicht frei wählbar

Zur Diskussion über den Impfstoff sagt sie: „Wir können den Impfstoff nicht aussuchen, wie alle anderen auch nicht, obwohl sich das viele wünschen.“ Unabhängig davon, wer nun das Mittel liefern wird, setzten Bewohner, Mitarbeiter und viele Angehörige darauf, dass die Impfung ihnen mehr Sicherheit geben wird. Klar sei jedoch, dass die über 65-Jährigen im TZ mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden.

Die KV äußerte sich auf Anfrage zum Fall der Familie Knüppel. „Wir sind nicht für die Klassifizierung oder Beurteilung von Impfstoffen zuständig“, heißt es. Es sei jedoch positiv, dass es bereits drei Impfstoffe gibt. Weiter teilt die KV mit: „Da der am 29. Januar zugelassene Impfstoff von Astrazeneca in Deutschland nicht an Personen ab 65 Jahre verimpft werden darf, bedarf es weiterer Regelungen zu dessen Anwendung.“ Die Vereinigung betont ebenfalls, dass es noch keine „Impfstoff-Wahlmöglichkeit“ gibt.

An Laumann gewandt

Norbert Knüppel hat sich mittlerweile auch an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gewandt und hofft, dass er auf diese Weise die Möglichkeit bekommt, den Impfstoff für seine Tochter auszuwählen. In der E-Mail, die der Redaktion vorliegt, schreibt er: „Die Kassenärztliche Vereinigung will Behinderte und Kranke mit dem minderwertigen Impfstoff von Astrazeneca abspeisen.“ Er fürchtet zynisch:?„Bewohner von Einrichtungen für Behinderte dürfen sich nach der Impfung in trügerischer Sicherheit wiegen und sich bei Pflegern, Angehörigen und Besuchern oder bei ihrer Arbeit in den Behindertenwerkstätten infizieren.“

Sein Vorwurf: Der angebotene Impfstoff schütze längst nicht so gut wie die Impfstoffe von Moderna und Biontech. Das Robert Koch-Institut veröffentlichte Ende Januar eine Mitteilung der Ständigen Impfkommission, in der es um die Wirksamkeit der Impfstoffe ging. Sie bewertete trotz der Unterschiede alle Impfstoffe als geeignet.

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Das Gesundheitsministerium will sich nach eigenen Angaben „zeitnah“ bei Norbert Knüppel melden, wie es auf Anfrage mitteilte. Das Ministerium widerspricht zugleich der Kritik des Vaters. „Der zugelassene Impfstoff von Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse. Der Impfstoff zeigt eine gute Wirksamkeit und eine gute Verträglichkeit, um schwere Erkrankungen mit SARS-CoV 2 zu verhindern.“Dass sich die Menschen den Impfstoff noch nicht aussuchen können, hänge mit den „derzeit begrenzten Impfmengen“ zusammen.

Das Ministerium weist aber auch darauf hin, dass es jedem frei stehe, „das Impfangebot wahrzunehmen und eventuell auf einen zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Impfstoff zu warten, wenn dieser ausreichend zur Verfügung steht“. Wann dies der Fall sein wird, könne derzeit jedoch noch nicht gesagt werden. 

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