Stimmungsvolle Gedenkfeier75 Jahre nach dem „Wunder von Remagen“

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Sehr stimmungsvoll war die Gedenkfeier im Tunnel unter der Erpeler Ley. 

Sehr stimmungsvoll war die Gedenkfeier im Tunnel unter der Erpeler Ley. 

Erpel – Nur noch die vier Brückentürme zeugen von dem Drama, das sich vor 75 Jahren auf der Ludendorff-Brücke abspielte: Am 7. März 1945 nahmen amerikanische Soldaten die Rheinbrücke ein, die Remagen und Erpel miteinander verband, und rückten so erstmals auf die rechte Rheinseite vor. Ein Ereignis, das den Zweiten Weltkrieg um Wochen verkürzte, wie sich Historiker heute einig sind. Zum 75. Jahrestag der Geschehnisse erinnerte der Erpeler Kunst- und Kulturkreis „Ad Erpelle“ im Eisenbahntunnel unter der Erpeler Ley mit Führungen und Vorträgen an das „Wunder von Remagen“.

In dem Tunnel, der sich rechtsrheinisch an die Brücke anschließt, sucht die Erpeler Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg Schutz vor den Bombenangriffen der Alliierten, wie Edgar Neustein, Ex-Ortsbürgermeister und Vorsitzender des Vereins „Ad Erpelle“, berichtet. Bei Fliegeralarm flüchten die Menschen sich in die Nischen des rund 380 Meter langen Tunnels, durch den eine zweispurige Eisenbahnlinie führt. Jeder Familie wird eine eigene Nische zugewiesen, die sie mit Decken und Bänken einrichtet.

Beim Gedenken in Remagen interviewte Andrew Denison (r.) den 95-jährigen Dr. Jürgen Tegethoff aus Heisterbacherrott zu seinen Erlebnissen.

Beim Gedenken in Remagen interviewte Andrew Denison (r.) den 95-jährigen Dr. Jürgen Tegethoff aus Heisterbacherrott zu seinen Erlebnissen.

An jenem 7. März harren rund 150 Zivilisten in dem kalten und zugigen Tunnel aus. Als die Amerikaner Remagen erreichen, finden sie zu ihrer Überraschung die noch intakte Brücke vor. Sie ist eine der letzten Brücken, die von der Wehrmacht beim Rückzug noch nicht zerstört wurde. Gegen den Auftrag der Obrigkeiten, auf der linken Rheinseite Verbände zu sammeln und einen Korridor auf der anderen Rheinseite freizubomben, um die eigenen Soldaten zu schonen, erreicht gegen Mittag eine Vorhut unter Führung des amerikanischen Leutnants Karl H. Timmermann den Rheinübergang, berichtete Neustein. Die Deutschen versuchen, die Brücke zu sprengen, um die Amerikaner am Vormarsch zu hindern – ohne Erfolg. Die Wirkung ist zu gering, die Sprengung hebt die Brücke zwar kurz aus ihren Lagern, zerstört sie aber nicht. Als die US-Armee den Rhein überquert, leistet die Wehrmacht keinen Widerstand. Es fehlen Munition, funktionstüchtige Waffen und einsatzbereite Soldaten.

Brückenkopf Remagen

Brückenkopf Remagen

Im Erpeler Eisenbahntunnel bricht Panik aus: „Es war chaotisch, wurde durcheinander gebetet und geschrien“, heißt es in einem Zeitzeugenbericht, den Edgar Neustein zitiert. Von beiden Seiten feuern die Amerikaner in den Tunnel: „Wir saßen in der Mausefalle.“ Einige Zivilisten stürmen mit weißen Tüchern zu den Ausgängen, darunter auch der Erpeler Willi Feldens. Der Eisenbahner wird in seiner schwarzen Dienstkleidung von einem Scharfschützen für einen SS-Mann gehalten und von einer Kugel getroffen. Er verstirbt Stunden später im Tunnel. Ein Einschussloch in seiner Brieftasche, so groß wie eine Fingerkuppe, zeugt von der Attacke. Feldens soll das einzige Todesopfer bleiben, das der 7. März in Erpel fordert. Innerhalb von 24 Stunden überqueren 8000 amerikanische Soldaten den Rhein. Militärlaster, Geschütze und Panzer der US-Army rollen über die Brücke, die Einsatzkräfte begleiten die deutschen Zivilisten nach Hause.

Die Brücke

Die Ludendorff-Brücke war eine zweigleisige Eisenbahnbrücke über den Rhein zwischen Remagen und Erpel, die nach dem General Erich Ludendorff benannt war. Sie wurde im Ersten Weltkrieg errichtet, um den Transport von Kriegsmaterial nach Frankreich zu beschleunigen.

Zwischen den beiden Weltkriegen diente sie dem Transport von Touristen zwischen Königswinter und Ahrweiler. Bei Bombenangriffen auf die im Zweiten Weltkrieg strategisch wichtige Brücke 1944 und 1945 starben mehr als siebzig Zivilisten. Heute erinnern ein Friedensmuseum in einem der beiden Brückentürme in Remagen und ein Theater im Erpeler Eisenbahntunnel an die Geschichte der Brücke.

Anlässlich des 75- Jahrestags des „Wunders von Remagen“ hat der Erpeler Kunst- und Kulturkreises „Ad Erpelle“ eine Publikation veröffentlicht. Das Heft „Die Brücke – Der Tunnel“ dokumentiert die Geschichte von Brücke und Eisenbahntunnel und ist für zehn Euro beim Verein erhältlich. (mo)

„Wir sind im Gänsemarsch hinter ihnen hergelaufen“, erinnert sich Matthias Ott im Gespräch mit der Rundschau. Der heute 90-Jährige harrt damals im Alter von 15 Jahren tagelang im „Zwergenloch“ aus, einem Bergwerksstollen einige hundert Meter nördlich des Tunnels, den sein Vater zum Bunker ausgebaut hat. Am 17. März, zehn Tage nach dem Vormarsch der Amerikaner, stürzt die Stahlkonstruktion der Ludendorff-Brücke unter der hohen Belastung ein und reißt 28 amerikanische Soldaten mit in den Tod.

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