Fundplatz in Swisttal-OllheimDiese Gräben geben Archäologen Rätsel auf

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Eine beachtliche Anlage haben die Archäologen bereits freigelegt. Gräben wie diese sind vor allem aus Österreich bekannt.

Eine beachtliche Anlage haben die Archäologen bereits freigelegt. Gräben wie diese sind vor allem aus Österreich bekannt.

  • Was ist das? Die Vermutungen reichen von Befestigungsanlagen und Viehgrale über Kultplätze bis hin zu astronomischen Observatorien.

Swisttal-Ollheim – Einen bislang einzigartigen Fundplatz für die Region haben die Archäologen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) jetzt in Ollheim entdeckt. Bei Luftaufnahmen stießen sie knapp 100 Meter hinter der Ortsgrenze auf drei kreisförmig angelegte Gräben, die konzentrisch um einen zentralen Innenbereich herum verlaufen. Bisher sind die genaue Funktion und vor allen die Datierung dieser im Außendurchmesser etwa 65 Meter großen Anlage allerdings noch unklar. Deshalb führt das Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland (ABR) derzeit eine Ausgrabung an diesem besonderen Fundplatz durch, um nähere Erkenntnisse zu gewinnen.

Vergleichbare Grabenkonstruktionen sind aus Sachsen-Anhalt, Bayern und vor allem Österreich bekannt. Bei dem Fund in Ollheim handelt es sich um den bislang westlichsten Standort in ganz Europa. Die bisher bekannten Anlagen variieren in ihrem Aussehen insbesondere hinsichtlich der Anzahl der Gräben und der Position der Unterbrechungen in den Grabenverläufen, die man vielleicht als Eingänge werten könnte, so Dr. Erich Claßen, Leiter des ABR, gestern vor Ort. Oftmals gebe es auch noch zusätzlich Palisaden und Wälle, wovon in Ollheim jedoch bislang jede Spur fehlt.

Nur zwei keine Stücke Ton sichergestellt

Ohnehin ist die Ausbeute an Fundstücken aus der mutmaßlichen Entstehungszeit äußerst dürftig, gerade einmal zwei winzige Stücke gebrannten Ton konnten die Archäologen sicherstellen. Allen gemeinsam ist allerdings die Kreisform der Gräben. „Über die Funktion dieser Anlagen wird in der Forschung viel diskutiert. Die Vermutungen reichen von Befestigungsanlagen und Viehgrale über Kultplätze bis hin zu astronomischen Observatorien“, erläutert Claßen mit Hinweis auf die jungsteinzeitlichen Steinkreise im englischen Stonehenge. „Über die Anlage in Ollheim wissen wir aber derzeit noch zu wenig, um sie einordnen zu können.“

Die bisher bekannten Fundplätze mit drei Kreisgräben datierten hauptsächlich in die mittlere Jungsteinzeit. Daher sei es naheliegend, dass auch die Anlage bei Ollheim aus dieser Zeit stamme, also die Epoche zwischen 4900 bis 4300 vor Christus. „Sicher können wir uns da aber erst sein, wenn wir aussagekräftige Funde in der Hand halten, die eine Datierung erlauben“, so Claßen.

Bereits 2015 habe ein Hobbyarchäologe die Kreisgrabenanlage in einem Luftbild entdeckt. Das sei eine mittlerweile gängige Methode in der Archäologie, denn aus Flugzeugen aufgenommene Fotos ließen archäologische Strukturen im Boden anhand von Merkmalen im Bewuchs auf Feldern und Wiesen sichtbar werden. Je nachdem, welche Überreste sich im Boden verbergen, wachsen Pflanzen darauf unterschiedlich gut und geben so indirekt ein Abbild der Strukturen im Boden wieder.

Luftbilder zeigten die Bodenstrukturen

Auch die drei kreisförmigen Gräben in Ollheim sind auf diese Weise besonders im Frühjahr auf der Oberfläche sichtbar. Aufgrund der Luftbilder wurden vor Ort über die Jahre bereits verschiedene zerstörungsfreie Untersuchungen durchgeführt. Unter anderem hatten die Wissenschaftler eine geomagnetische Prospektion vorgenommen, bei der mithilfe des Erdmagnetfelds Bodenstrukturen nachgewiesen werden können. Auf diese Weise konnten die Gräben aus dem Luftbild bestätigt und lokalisiert werden, ohne in den Boden einzugreifen.

Doch um die Funktion der Anlage und ihr Alter zu bestimmen, sei es notwendig, eine Ausgrabung vorzunehmen. „Leider ist die Kreisgrabenanlage nicht mehr vollständig erhalten“, bedauert Dr. Jens Berthold, Leiter der zuständigen Außenstelle Overath des ABR. „Insbesondere in der Mitte der Anlage stören moderne Überbauungen den Befund.“ So verläuft ein Wirtschaftsweg mitten durch die Anlage. Die Experten des LVR sind dennoch optimistisch, bis Ende Juli genügend Informationen zum Auswerten nach Abschluss der Ausgrabungen zu gewinnen. Dafür werte man quasi mit kriminalistischen Methoden den Fundplatz aus. „Aber derzeit stochern wir ein wenig im Nebel“, gibt Berthold zu.

Anlage aus der Jungsteinzeit

Für die Grundlage dieser Auswertung sorgt gegenwärtig Alexandra Ziesché, die unter der wissenschaftlichen Leitung von Berthold die Grabung zusammen mit weiteren Kollegen vornimmt. Für sie ist dies nicht nur wegen der einzigartigen Kreisgrabenanlage ein besonderes Projekt. Sie absolviert beim ABR eine Fortbildung zur Grabungstechnikerin und absolviert in Ollheim ihre Prüfungsgrabung. „Die im Luftbild und in der Geomagnetik sichtbaren Gräben haben wir durch die Ausgrabungen erfasst“, fasst Ziesché zusammen. „Wir hoffen, dass wir durch die Untersuchungen vor Ort bald mehr über die Anlage sagen können.“

Klar sei aber schon, dass die Anlage von einer größeren Gruppe von jungsteinzeitlichen Menschen errichtet worden sei, das gehe aus den Ausmaßen hervor. Die Erbauer müssten allerdings nicht direkt im Umfeld gewohnt haben, es könne sich auch um eine Art „Pilgerstätte“ gehandelt haben.

Da es zur damaligen Zeit noch keine Metallwerkzeuge gab und Steinwerkzeuge für diesen Zweck eher ungeeignet sind, gehen die Forscher davon aus, dass hier Geweihhacken und Holzschaufeln zum Einsatz kamen.

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