Serie „Oasen der Ruhe“Schloss Miel ist eine echte Freude für die Augen

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Schloss Miel in Swisttal

Schloss Miel in Swisttal

  • Ein Kunstwerk im Museum, die Stille einer Kirche, ein besonderes Bauwerk, ein Spaziergang im Wald – es sind ganz verschiedene Orte, in denen Menschen Kraft tanken.
  • In einer Serie stellt die Rundschau in den Sommerferien Oasen der Ruhe vor. Heute: Schloss Miel

Swisttal – Wer sich von Osten, also von der Eingangsseite her dem Schloss nähert, spürt eine merkwürdige Ruhe. Es leuchtet pastellgelb an diesem wolkenverhangenen Mittag, als wir über die Brücke des Wassergrabens, über dem sich eine mächtige Eiche neigt, zum Herrenhaus schreiten. Ja, der Besucher schreitet, er geht nicht, er verlangsamt unwillkürlich den Schritt, wie man es tut, wenn man einem Objekt der Schönheit nahekommt, von dem man nicht möchte, dass es verschwindet.

Ein echter Augenschmaus

Denn Schloss Miel ist eine Freude für die Augen. Der zweigeschossige Kubus von klassizistischer Schlichtheit hat vorn einen flachen Mittelvorbau mit der aus Stein gehauenen Eingangstreppe, die zum Vestibül führt, darüber ein Balkon mit hoher Tür, durch die abends hell das Licht strahlt. Links und rechts davon sind je Etage drei Fenster in die Wände eingelassen. Rückwärts, auf der Parkseite, ebenfalls ein Vorbau mit dem Gartensaal darin, die Fenster dort haben die gleiche Größe wie vorn – alles ist im schönsten Ebenmaß berechnet. Die Rückfront spiegelt sich im alten Burggraben, als ob das Schloss im Wasser träumt.

Das Gesamtbild löst ein Glücksempfinden aus: Wenn man etwas vollkommen Harmonisches, also Schönes erblickt, verursacht es Wohlsein, weil Glückshormone ausgeschüttet werden, Botenstoffe, die Empfindungen und Gefühle ans Gehirn weiterleiten, weiß die Wissenschaft. In Kombination mit frischer Luft und Bewegung führen diese Hormone zu einem Wohlfühl-Mix.

Anmut und Würde

Und es kommt noch etwas hinzu, etwas Größeres: „Es gibt zwei Arten von Schönheit: In der einen liegt Anmut, in der anderen liegt Würde“, hat der römische Staatsmann Marcus Tullius Cicero gesagt. Schloss Miel weist beides auf: Anmut und Würde.

Als es ab 1767 binnen vier Jahren im Stil eines französischen Jagdschlosses aus der Zeit von König Ludwig XIV. anstelle einer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch einen Brand weitgehend zerstörten Burg errichtet wurde, diente es als „Maison de Plaisance“ (Lustschloss) seines Bauherrn, des Reichsgrafen Caspar Anton Freiherr von der Heyden genannt Belderbusch (1722–1784). Der Begriff Lustschloss passt, denn Belderbusch, als Premierminister unter Kurfürst und Erzbischof Max Friedrich von Königsegg-Rothenfels der eigentliche Herrscher von Kurköln, nutzte es mit seiner Lebensgefährtin Caroline von Satzenhofen (1728–1785) als Liebesnest. Sie war Äbtissin des Damenstifts Vilich, er als Deutschordensritter dem Zölibat verpflichtet, doch derlei geistliche Funktionen hielten die Herrschaften nicht davon ab, sich auch den Freuden der Liebe hinzugeben. 20 Jahre dauerte die Beziehung. Belderbusch soll zudem noch ein Verhältnis mit einem Offizier der Garnison Bonn gehabt haben, hinterbrachte der französische Gesandte am kurfürstlichen Hof, Graf François de Monteynard.

Die Gräben und den Park legte der Poppelsdorfer Hofgärtner Johann Cunibert Lenné an, der Großvater des königlich-preußischen Gartenbaudirektors Peter Joseph Lenné.

Die Gräben und den Park legte der Poppelsdorfer Hofgärtner Johann Cunibert Lenné an, der Großvater des königlich-preußischen Gartenbaudirektors Peter Joseph Lenné.

Der Premierminister ließ für seine Freundin im ersten Stock des Schlosses ein Apartment anlegen. Damit beide den Gottesdienst nicht in der Dorfkirche feiern mussten, wo sie ja in ihrer Zweisamkeit hätten gesehen werden können, erbat Belderbusch von Papst Clemens XIV, in seinem Domizil ein Oratorium (Privatkapelle) einrichten zu dürfen. 1772 wurde die Bitte genehmigt. 20 Jahre dauerte die Liaison, die auch über dem Haupttor von Miel sichtbar wird: Dort ist das Doppelwappen derer von Belderbusch und Satzenhofen angebracht. Aber niemand hätte damals daran Anstoß nehmen können, denn offizieller Nutzer des Hauses war Franz Antons Bruder Maximilian, der mit einer Schwester Carolines verheiratet war. Maximilian trat sogar nach außen hin als Käufer der Immobilie auf, um den Preis zu drücken. Denn wenn bekannt geworden wäre, dass der mächtige Belderbusch Interesse an der Burgruine bekundet, hätte der Verkäufer mehr verlangt.

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Es traf sich, dass zu der Zeit der Bonner Baumeister Johann Georg Leydel für die Äbtissin die Stiftskirche St. Peter renovierte, so dass sie ihn ihrem Freund als Architekten für Miel empfahl – eine spezielle Art des rheinischen Klüngels: Man liebt sich, man hilft sich.

Im Originalzustand

Schloss Miel ist noch weitgehend im Originalzustand der Bauzeit erhalten. Es war Jahrzehnte im Besitz der Familien Belderbusch und von Kintzel, 1991 wechselte der Komplex in das Eigentum der Familie Thelen, die ihn umfangreich renovieren ließ.

Sport: Seit 1996 ist das Schloss Zentrum eines Golfclubs mit 18-Loch-Anlage, die sich über 80 Hektar in Richtung Niederdress erstreckt. Geplant hat sie der englische Architekt David Ashton. Eine Golfrunde durch die herrliche Landschaft mit altem Baumbestand und zahlreichen Wasserflächen ist sechs Kilometer lang.

Gastronomie: Das Clubhaus mit dem Restaurant „Graf Belderbusch“ befindet sich in der Remise neben dem Haupthaus.

Hinter den Kulissen: Die Besichtigung des Schlosses ohne Betreuung durch einen Mitarbeiter kostet 3 Euro, Kinder 1 Euro, eine zehnminütige Führung kostet 5 Euro, die große Schlossführung ab zehn Personen 10 Euro pro Person. Die Räume können für Events gebucht werden. Kontakt: (0 22 26) 100 50. Im Schloss darf im fürstlichen Ambiente geheiratet werden, es ist Zweigstelle des Standesamts Swisttal: (0 22 55) 309 330.

Anfahrt: über die A 61, Ausfahrt Miel, dann den Hinweisschildern folgen. Navigations-Adresse: Miel, Schlossallee 1. (dbr)

Der Trachyt für die Wände wurde aus dem Siebengebirge geliefert, das Bauholz kam aus dem Flamersheimer Wald, 69 000 handgeschmiedete Nägel sind verarbeitet worden, berichtet der Historiker Wolf D. Penning, der die Bauakten studiert hat. Die Bilder im Innern, gerade die im rechteckigen Gartensaal, zeigen vor allem die damals im Adel beliebten Szenen des Landlebens, möglicherweise geschaffen von François Rousseau, dem Maler des Bonner Hofs.

Die Gräben und den Park legte der Poppelsdorfer Hofgärtner Johann Cunibert Lenné an, der Großvater des königlich-preußischen Gartenbaudirektors Peter Joseph Lenné, der die Flora in Köln und den Tiergarten in Berlin gestaltete. Die Außenanlagen in Miel sind zwar kleiner als jene, aber eine Pracht. Sie beginnen an der Obstwiese, von der aus man einen wunderbaren Blick auf die Rückseite des Schlosses hat, der Rasen fühlt sich weich an, als stehe man auf einem Teppich. Kein Wunder, seit 1996 wird an Schloss Miel auf einem 18-Loch-Platz Golf gespielt, und die Landschaftsgärtner verstehen ihr Handwerk (siehe Kasten). Im Park fällt eine Sonnenuhr des Bonner Bildhauers Anton Schmitz auf. Wer sich auf eine Bank setzt und auf das Schloss schaut, über dem jetzt der Himmel blau-weiß aufgerissen ist, meint zu glauben, als zeige ihm die Uhr nur glückliche Stunden an.

Nächste Folge: der Hexenturm in Walberberg

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