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Swisttal im Schlamm versunkenOdendorfer wollten nicht auf die Evakuierung warten

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Swisttal – „Wenn wir jetzt nicht hier bleiben, werden die Schäden noch größer.“ Das sagten die Odendorfer, die trotz der Warnung der Polizei am Samstag zurück in den Ort gekommen waren. Eigentlich ist Odendorf Mittwochnacht und Donnerstag ebenso evakuiert worden wie Essig, Ludendorf und Miel. Auch Samstag und Sonntag waren die Bürger angewiesen, nicht in die Orte entlang der Swist zurückzukehren, da es noch keine Entwarnung für die instabile Dammwand der Steinbachtalsperre gab. Die Dorfbewohner ließen sich davon aber nicht abhalten.

Allerdings wirkten sie hilflos, da keine Rettungskräfte in dem evakuierten Gebiet waren. Nur vereinzelt sperrten Polizisten die Straßen. Die Odendorfer waren auf sich allein gestellt. Einige transportierten den Matsch mit Schubkarren aus den Häusern. Andere schauten verzweifelt zu, wie es ein einziger Radlader mit den Schlammmassen vor den Gebäuden aufnahm.

Tropfen auf den heißen Stein

Die Bemühungen wirkten wie ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Verwüstung, die die Flut hinterlassen hatte. Die Straßen waren voller Schlamm, bei jedem Schritt klebten die Schuhe am Boden fest. Autos lagen quer im Flussbett, in das die Swist sich wieder zurückgezogen hat. Sie waren mitgerissen worden. Andere Pkw lagen auf den Gleisen, die Wassermaßen hatten die parkenden Fahrzeuge im Ort verteilt. Es waren Bilder wie in einem Endzeit-Film. An Strom war nicht zu denken. Die Stimmung war getrübt, düster, die Dorfbewohner waren still, schockiert und bedrückt.

Im Zentrum vor dem Dorfsaal war die Luft staubig. Der Schlamm, der aus der Eifel kam und Verwüstung über den kleinen Swisttaler Ort gebracht hatte, war getrocknet und wurde aufgewirbelt. Mit dem Auto war nicht durch durchzukommen, alles war verschlammt. So etwas hat Christian George in Odendorf noch nie erlebt. Er betreibt die Behring-Apotheke im Ortszentrum in zweiter Generation. Dabei hatte George Glück, das Wasser füllte zwar den großen Keller bis zum Anschlag, doch der Geschäftsraum blieb halbwegs verschont. „Das Wasser stand einige Zentimeter in der Apotheke, aber das konnten wir in die Abläufe ziehen“, schilderte der Apotheker. Angesichts der Ausmaße der Flutkatastrophe fehlten auch ihm die Worte.

Er berichtete von einer Art Schlammwelle, die den Ort mitten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag getroffen haben soll. Vermutlich kurz nachdem die Steinbachtalsperre – die mehr als eine Milliarde Liter Wasser fasst – übergelaufen war. Bilder der Talsperre zeigten, wie viel Erdreich das Wasser mitgerissen und in die Orte entlang der Erft und Swist gespült hatte.

Noch keine Rückkehr möglich

Auch am Sonntagmorgen sollten die Bewohner noch nicht in die evakuierten Dörfer zurückkehren. Die Talsperre war weiterhin instabil. Die Einsatzkräfte hatten dort das Ablaufventil von Unrat befreit, doch der Wasserpegel konnte nur einen Meter innerhalb von zwölf Stunden gesenkt werden, um den Druck gleichmäßiger verteilen zu können. Stand Sonntag hieß es von den Fachkräften, dass mindestens ein Drittel des Stausees abgelassen sein muss, bevor die Dorfbewohner wieder in ihre Orte können.

In Odendorf sorgte allerdings nicht nur die Swist für Schäden. Auch der Orbach, der sonst im Sommer fast austrocknet, wurde zum reißenden Fluss. Die Orbachstraße wurde unterspült, große Teile der Fahrbahn weggerissen. Die Bäume entlang des Bachs hielten den Wassermassen nicht stand und kippten um.

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Nicht einmal ein Kilometer entfernt war der Nachbarort Essig wie ausgestorben. Nur wenige Anwohner gingen das Risiko ein, trotz Warnung die Schäden in ihren Häusern zu sichten. „Wir sind eigentlich gar nicht hier,“, sagte eine Frau, die vermatschte Bücher aus ihrem Keller trug, in dem das Wasser bis zu zwei Meter hoch gestanden hatte. Die Polizisten hatten die Anwohner gesehen und gewarnt, aber nicht verscheucht. Auch in Essig ist das Wasser verschwunden, der Schlamm aber geblieben, ebenso wie in Ludendorf und Miel. Vorgärten wurden teilweise weggeschwemmt, das Wasser drückte Autos in Böschungen und Mauern. Manch einer hatte seine Haustür vor dem Regen noch mit Brettern vernagelt. Doch es half nur bedingt.

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