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Vom Glück nach der KatastropheMietwohnung der Familie Kraus in Odendorf ist fertig

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Das Ehepaar Kraus ist mit der Wohnung fertig und hängt passend zum Wasserstand vor einem Jahr ein Schild ins Wohnzimmer.

Swisttal-Odendorf – Es ist geschafft. Die Mietwohnung der Familie Kraus an der Frankenstraße in Odendorf ist nach der Flutung durch den Orbach wiederhergestellt. „Eines Tages sagten Besucher: ,Bei Euch riecht es ja gar nicht mehr nach der Flut.' Aber da waren wir auch schon sehr weit“, berichtet Yvonne Kraus. „Wir hatten diesen typischen Geruch schon lange nicht mehr wahrgenommen, so sehr waren wir daran gewöhnt“, ergänzt Ehemann Christian.

Tochter Lucy, die inzwischen auf die Marienschule in Euskirchen geht, ist heilfroh darüber. Sie ist einfach nur noch genervt von den Flutgeschichten, der 1001. Erzählung, wie die drei Kaninchen zwar die Flut überstanden, eines vom Marder gefressen wurde und letztlich nur noch eines da ist. „Können wir nicht einfach über Karneval oder was anderes Schönes reden?!“

Aber in Odendorf wird es noch lange Gespräche über die Flut geben, und auch bei der Familie Kraus. „Darum finde ich, muss auch über die Erfolge gesprochen werden, über das Positive nach der Flut“, findet die Mutter und räumt die Kaffeetasse beiseite, die eben noch auf einer durchsichtigen Schontischauflage auf dem neuen Küchentisch gestanden hatte. Wer einmal alles verloren hat, der hält die neuen Dinge mehr in Ehren. „Die Küchenbank ist gespendet, die Waschmaschine haben wir von den Johannitern bekommen, weil uns irgendwer auf die Liste gesetzt hatte“, beginnt Yvonne Kraus mit einer Aufzählung der Wohltaten, die sie nach der Flut erlebt hat.

Glück beim Wiederaufbau

Der schnelle Wiederaufbau für die dreiköpfige Familie hat freilich mit einigen glücklichen Umständen zu tun. Die Vermieter sind die Eltern von Yvonne Kraus, und die waren bestens versichert. „Wir zwar nicht mit dem Hausrat, aber der Wiederaufbau der Wohnung konnte früh beginnen.“ Bei der Wiederbeschaffung des Inventars hatte sich die Familie zunächst an die üblichen Hilfsorganisationen gewandt, doch die lehnten ab: „Den Maltesern verdienten wir zu viel, da wir beide ein Einkommen haben, die Johanniter schickten uns einen schier endlosen Fragebogen.“

Letztlich habe es den gedeckelten Landessatz von 22.500 Euro für drei Personen abzüglich der Soforthilfe von 3500 Euro gegeben. „Das deckte die Hälfte des Schadens – ohne das Auto“, stellt Christian Kraus nüchtern fest. Während der Zeit, in der Odendorf wegen des möglichen Brechens der Staumauer an der Steinbach evakuiert war, war am Haus auch nichts zu retten. „Als wir zurück durften, gab es bereits von der Versicherung die Freigabe, wir dürften alles entfernen, wo das Wasser dran war“, sagt Kraus. Seine Familie aus Much und befreundete Handwerker von dort rückten an.

„Hier war schon kein Handwerker mehr zu bekommen. Die waren alle im Einsatz bei Bekannten oder an der Ahr.“ Die Versicherung checkte alle Angebote, und so lief der Wiederaufbau flott. „Bis auf ein paar Kleinigkeiten sind wir jetzt am Ziel“, stellt Christian Kraus fest.

Fassade und Garten stehen noch aus

Die Fassade soll im Herbst erneuert werden, für die Wiederherstellung des Gartens, in dem noch Schlamm eingetrocknet ist, hofft Kraus auf Spenden. Bei seinen Schwiegereltern nebenan sieht es noch nicht ganz so gut aus, obwohl auch dort jetzt die Möbel rein können, nachdem vor ein paar Wochen die Heizung eingebaut wurde. In der Mietwohnung steht neuerdings ein Ofen für Pellets, dessen Schornstein auch für einen Holzofen geeignet wäre. „Er kann die untere Etage mit warm machen“, sagt Yvonne Kraus – zumal noch eine Schiebetür zwischen Küche und Flur fehlt.

Dass nun irgendwie alles wie vorher wird, ist aber eine Illusion. Schon der Gang vor die Haustür zeigt, wie zerstört noch einige Nachbarhäuser sind. Vor wenigen Tagen ist erst wieder eines abgerissen worden. „Man hat gehört, wegen eines ausgelaufenen Öltanks.“ Auch die Erinnerungen an die Nacht bleiben, in der das Wasser doch immer höher stieg und letztlich nur die Zuflucht im Obergeschoss möglich war. „Leider habe ich nur die Handtasche mit nach oben genommen und etwas zu trinken, aber nichts zu essen“, bedauert Yvonne Kraus heute noch. Die ganze Nacht über hörte sie, wie der große Van der Familie, dem das Wasser bis übers Dach gestanden hätte, wenn er nicht aufgeschwommen wäre, in der Einfahrt immer wieder gegen die Fassade gedotzt wurde.

Die Kraus leben nun mit Powerbank und Taschenlampe in Reichweite und einem gepackten Rucksack für den Notfall. Da sind Kleidung für jeden drin, Tabletten gegen Bluthochdruck und Schmerzen. „Man fängt an zu überlegen, was man in jede Schublade packt“, sagt Yvonne Kraus. Niemals würde sie mehr alle Schuhe im Erdgeschoss verwahren, und jedes Mal, wenn es regnet, beginnen die Gedanken zu kreisen.

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