Vorgebirge und in der VoreifelWie der Martinszug in Corona-Zeiten ablief

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Als Sankt Martin ritt Petra Wilden durch Kardorf. 

Als Sankt Martin ritt Petra Wilden durch Kardorf. 

Rhein-Sieg-Kreis – Als der heilige Martin einst seinen roten Militärmantel mit einem Bettler teilte, kann es nicht viel einsamer gewesen sein, als bei einigen Ersatz-Martinszügen im Corona-Jahr im Vorgebirge und in der Voreifel. Statt mit rabimmel, rabammel, rabumm und einer Schar singender Kinder hinter sich, reitet Sankt Martin nach der Absage aller Traditionszüge nur hier und dort durchs Dorf, um wenigstens die gewohnten Wecken zu verteilen. Im Schritt, begleitet durch Sicherheitskräfte mit Mund-Nase-Schutz, geht es von Kind zu Kind.

In Bornheim-Kardorf allerdings war Musik dabei. Der Waldorfer Musiker Michael Kuhl, vormals „Kuhl un de Gäng“, war frühzeitig fest entschlossen, die Tradition lebendig zu halten. Daher fragte er seinen befreundeten Mertener Musikerkollegen Willi Wilden, ob er nicht mit seinem Pferd Leo, dem Lieblingspferd seines Sohnes, der ebenfalls auf den Namen Leo hört, als St. Martin durch Kardorf ziehen möchte? Quasi passend zum „Lockdown light“ nun „St. Martin light“. Wilden war von der Idee sofort begeistert – ebenso Kardorfs neuer Ortsvorsteher Gottfried Düx und der in Kardorf beheimatete Bornheimer Altbürgermeister Wolfgang Henseler, der sich dieses Ereignis mit seinem zweijährigen Enkel John nicht entgehen lassen wollte. Vor den Hallen des Busunternehmens Grüsgen ging es bei Einbruch der Dämmerung los. Michael Kuhl ließ sich mit einem per bunter Lichterkette geschmückten Jeep durch den Ort fahren und spielte auf seiner Trompete die bekannten Martinslieder. Etliche Bürger standen vor ihren Häusern mit bunten Laternen und Kerzen und freuten sich über den abgespeckten „Umzug“. Und sie erlebten noch eine Überraschung. Hoch zu Ross ritt kein „Heiliger Mann“ sondern eine „St. Martina“, Willi Wildens Ehefrau Petra. Der Grund: Willi Wilden hatte „Rücken“, und auch sein Neffe Heinz Willi Nelles, der derzeitige Kardorfer St. Martin, war verhindert. Weil ansonsten alles wunderbar geklappt hat, überlegen die Musiker, ob sie ihre Aktion nicht in den anderen Vorgebirgsorten wiederholen werden.

In Alfter-Impekoven gibt es wegen der Pandemie ein „Laternenfenster“ statt des Martinszuges zu sehen. „Im Sinne von Sankt Martin soll das Licht von bunten Laternen in dieser herausfordernden Zeit Hoffnung schenken“, wünschen sich die Organisatoren. Alle Impekovener seien bis zum 14. November eingeladen, ihre Fenster mit bunten Laternen und Lichtern zu dekorieren und gemeinsam die Dunkelheit zu erhellen. In Volmershoven-Heidgen hat der Ortsausschuss ebenfalls umgeplant: „St. Martin – Einmal ganz anders“ sollte die Aktion lauten, bei der der Heilige auf einem Pferd durch den Ort reitet und Wecken verteilt. Doch auch diese Aktion ist wegen Corona abgesagt worden. Stattdessen rufen die Vorsitzenden Anja Frenkle und Hans-Peter Schneider dazu auf, sich an der Aktion „leuchtende Fenster“ zu beteiligen.

In Swisttal hat die Gemeinde kurzerhand alle Martinszüge abgesagt. Damit nahm sie den einzelnen Ortsteilen die Entscheidung ab, aber es gibt auch noch andere Ideen und Mitstreiter dafür. In Dünstekoven hat die KG Freundschaftsbund am schnellsten reagiert. Sie ersetzte den ausgefallenen Martinszug kurzerhand durch eine Aktion, in der St. Martin die Wecken per Bollerwagen an jede Tür brachte – coronabedingt als Lieferservice mit einer Ablage vor der Tür.

Die Kinder durften dabei dem heiligen Martin ihre Laternen zeigen, wenn auch aus der gebotenen Distanz. „Wir haben nur positives Feedback auf die Aktion bekommen, und die Kinder haben sich sehr gefreut“, erklärte Heinz Peter Braun, der den Heiligen verkörperte. Das Vorstandsmitglied der KG freute sich, dass einige Kinder noch länger stehen blieben und St. Martin beobachten.

In Heimerzheim folgten etliche Menschen dem Aufruf von Rainer Schmitz und ließen am gestrigen Montag, dem Tag des abgesagten Martinszuges, Laternen und Kerzen in Fenstern leuchten. „Heimerzheim soll leuchten, den Kindern zuliebe“, hatte sich der Wahl-Heimerzheimer gewünscht, und genau so kam es auch.

In Rheinbach, wo üblicherweise zehn Musikkapellen und tausende Teilnehmer mit Sankt Martin singend durch die Stadt ziehen, hat die Feuerwehr, die seit 1903 den Umzug organisiert, das örtliche Liedgut zum Martinsfest zu einem Liedblatt zusammengestellt. Es enthält „Sank Märte es ad wedde he“, „Dörch all die Stroße trecke mir“ und „Heiliger Martinus“, drei Lieder, die der Mitbegründer der Feuerwehr, Wilhelm Bendermacher (1850–1934), komponierte. Jürgen Esser, der in Rheinbach Sankt Martin verkörpert, wünscht sich, dass es in Kitas und Seniorenheimen gut ankommt.

In Wachtberg hat sich der Ortsfestausschuss Pech nach der Absage des Martinszuges entschlossen, die Grundschüler und den Katholischen Kindergarten mit Martinswecken zu versorgen. Der Ortsfestausschuss und der Heimatverein Pech haben sie gesponsert. Senioren aus dem Dorf erhalten von einigen Ausschussmitgliedern noch bis zum 15. November Stofftaschen mit Schutzmasken. Mit beiden Aktionen möchte der Ausschuss in Zeiten der Pandemie nicht nur Traditionen erhalten, sondern auch „ein Zeichen der Solidarität innerhalb der dörflichen Gemeinschaft setzen“. Ansonsten sind in der Gemeinde Wachtberg alle 14 Martinszüge strickt abgesagt und laut Gemeindeverwaltung auch keine „abgespeckten“ Martinsveranstaltungen genehmigt worden. Dies ließ ausschließlich Raum für kleine Aktionen in Schul- und Kindergartengruppen – aber ohne Sankt Martin und ohne Verwandte.

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