Wahl im Rhein-Sieg-KreisRöttgen mit Direktmandat – SPD glücklich über Aufholjagd

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In Swisttal-Miel wurde in einem Zelt auf dem Sportplatz gewählt, weil das Dorfhaus nach der Überflutung als Wahllokal nicht zur Verfügung stand.

In Swisttal-Miel wurde in einem Zelt auf dem Sportplatz gewählt, weil das Dorfhaus nach der Überflutung als Wahllokal nicht zur Verfügung stand.

Rhein-Sieg-Kreis – Trotz erheblicher Stimmenverluste hat Norbert Röttgen (CDU) erneut das Direktmandat im Wahlkreis 98 errungen und geht in seine achte Legislaturperiode. Erstmals ist sein Stimmenanteil gestern allerdings an die 40 -Prozent-Marke gefallen. 2017 hatte er 46,5 Prozent erreicht, bei Wahlen zuvor über 50 Prozent. Dr. Katja Stoppenbrink (SPD) erreichte ein Ergebnis, das in etwa auf dem Niveau der Bundes-SPD lag. Den größten Zuwachs bei den Erststimmen verbuchte Richard Ralfs (Bündnis 90/Die Grünen), während Nicole Westig (FDP) wie 2017 rund acht Prozent erhielt. Sie zieht über die Landesliste der Liberalen wieder in den Bundestag ein. Ein Mandat erhält wohl ebenso Roger Beckamp (AfD). Enttäuschend verlief der Abend für Andreas Danne (Die Linke).

Norbert Röttgen freute sich über das „persönliche Vertrauen“ der Wähler in der Region. Sein Erststimmenergebnis sei immer noch deutlich höher gewesen als der Zweitstimmenanteil. Im Wahlkampf seien ihm die Bürger durchweg positiv begegnet. „Ich habe gespürt, dass die Menschen etwas mit dem anfangen können, wofür ich stehe.“ Für die CDU allgemein werde es darum gehen, in der Zukunft die Verankerung in der Gesellschaft wieder stärker hinzubekommen. „Das gilt für die gesamte Bandbreite. Bei den jungen Leuten, bei den Akademikern, in den Städten.“

SPD glücklich über Aufholjagd

Gegenkandidatin Katja Stoppenbrink (SPD) allerdings fand: „Wir haben Norbert Röttgen sein schlechtestes Ergebnis jemals beschert!“ Und die SPD sei wieder „zweitstärkste Kraft im Kreis“. Obwohl sie selbst mit Platz 42 der Landesliste denkbar schlechte Karten für einen Einzug in den Bundestag hat, sagte sie am Abend: „Es ist noch zu früh, über meine Zukunft zu sprechen. Dazu braucht man die Zahl der Direktmandate, das Ergebnis der CSU, Überhangmandate...“ Am Abend fieberten in Königswinter Fraktionskollegen mit ihr. Optimistisch sei sie, und froh „dass die Aufholjagd, die wir seit einem Jahr hingelegt haben, so von Erfolg gekrönt ist.“ Damit meint sie das Ansehen der SPD im Bund. Eines sei doch klar: „Die Wähler wollen keinen Kanzler Laschet.“ Sie sei für Rot-Grün angetreten. „Ob die Linke drin sein wird, zeigt sich noch.“ Stoppenbrink hatte per Brief gewählt und so am Wahltag Zeit für einen Ausflug mit der Familie nach Burg Blankenberg. „Die Familie ist im Wahlkampf zu kurz gekommen. Heute ist unser zweiter Hochzeitstag, darum haben schon die Sektkorken geknallt: ein traumhafter Tag.“

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FDP verkraftet Verluste

Nicole Westig (FDP) bedrückten die mehr als vier Prozent Verluste für die FDP im Wahlkreis 98, die kurz vor 21 Uhr angezeigt wurden, wenig. „Das können wir verkraften. Es rüttelt nicht daran, dass wir eine starke Kraft der politischen Mitte sind und auch so wahrgenommen werden.“

Um 18 Uhr wurde im Alfterer Rathaus die prall gefüllte Briefwahlurne geöffnet und mit der Auszählung begonnen.

Um 18 Uhr wurde im Alfterer Rathaus die prall gefüllte Briefwahlurne geöffnet und mit der Auszählung begonnen.

Für sie – abgesichert auf Platz zehn der Landesliste – stehen die Zeichen auf „Weitermachen“. Westig: „Ich denke, das geht so weit klar. Ich würde mich freuen, meine Arbeit im Gesundheitsausschuss fortzusetzen. Im Zeichen der Pandemie gibt es noch viel Arbeit und wir müssen auch die Pflege voranbringen.“ Ob sie die FDP an der künftigen Regierung beteiligt sieht? Sie lachte: „Genau das Thema wird morgen besprochen. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Leitplanken wegen der Inhalte sind gesteckt: Entlastung für die Bürger, keine Aufweichung der Schuldenbremse. Darin bewegen wir uns.“ Um 7 Uhr starte sie Richtung Flughafen, zumal sie nicht wisse, wie es auf der B42 aussehe. „In der Landesgruppe NRW der Fraktion wird das besprochen, um 16 Uhr ist dann Fraktionssitzung mit den alten und den neuen Kollegen.“ Mit einer Runde Inlineskaten ist sie in den Wahltag gestartet. Briefwahl kam nicht in Frage: „Erstmals konnten wir in der Familie zusammen wählen. Die Kinder sind nun 21 und 19. Danach ging es gemütlich in den Biergarten am Fähranleger.“

Grünen wollen richtig mitmischen

Für den Grünen Richard Ralfs lag das Positive auf der Hand: „Es ist unser historisch bestes Ergebnis. Nun sind wir nicht mehr eine kleine Oppositionspartei, sondern können ordentlich in der Regierung mitmischen.“ Weniger gefiel ihm das Verhalten der Wechselwähler und Unentschlossenen. Nicht der Umweltschutz als abstraktes Thema habe für viele den Ausschlag gegeben, sondern die soziale Ungerechtigkeit sei zum Schluss das Hauptthema gewesen. Zudem stellte Ralfs fest, dass sich die Wahl zwischen den Spitzenkandidaten der CDU und SPD zugespitzt habe. Mehr Stimmen für Annalena Baerbock hatte sich der Bündnisgrüne erhofft. Mit seinem eigenen Ergebnis war er sehr zufrieden, der Rückstand auf die SPD sei nochmals kleiner geworden. Sein Listenplatz hätte allerdings nur dann gereicht, wenn die Grünen mehr als 20 Prozent geholt hätten.

Auszählung in Alfter

Auszählung in Alfter

Andreas Danne aus Königswinter, der für die Linke angetreten war, bezeichnete das Resultat seiner Partei als „Katastrophe“: „Wir haben herbe Verluste zu verzeichnen, das ist unbefriedigend. Damit hatten wir nach den Prognosen nicht gerechnet.“ Schwer im Magen lag ihm vor allem der Verlust des Bundestagsmandats von Dr. Alexander Neu, der im rechtsrheinischen Kreisgebiet kandidiert hatte. Sein persönliches Ergebnis von knapp drei Prozent fand Danne „ganz ordentlich. Bei den Zweitstimmen haben wir zudem gut abgeschnitten.“ Danne forderte eine genaue Analyse im Hinblick auf die Landtagswahl im Mai 2022. Der Linken-Politiker dankte seinen Kollegen vor Ort, die in den vergangenen Wochen viel geleistet hätten. Das wünsche er sich auch für die übrigen Mitglieder im Land: „Nach diesem Resultat brennt bei uns der Baum.“

Grund zum Jubel gab es bei der SPD Rhein-Sieg, als kurz nach 18 Uhr die Zahlen auf dem Bildschirm erschienen: So knapp wie einhellig erwartet, aber mit einem Vorsprung für die Sozialdemokraten präsentierte sich die erste ZDF-Prognose mit 26 und 24 Prozent. „Man muss mal überlegen, wo wir herkommen“, sagte Sebastian Hartmann, der Kreisvorsitzende und Direktkandidat für den rechtsrheinischen Wahlkreis 97. „Wir haben in der Kampagne ganz stark aufgeholt, ich bin überwältigt.“ Er sehe eine Chance, dass Olaf Scholz jetzt auch Kanzler werde.

Die SPD Rhein-Sieg hatte sich in ihrer Kreisgeschäftsstelle am Burghof in Troisdorf versammelt. „Das ist die entscheidende Wahl im 21. Jahrhundert“, so der 44 Jahre alte Bornheimer, „jetzt müssen Weichen gestellt werden.“ Die großen Themen im Wahlkampf seien die soziale Sicherheit, Wohnen und Mieten gewesen. Immer wieder hätten ihn Wähler auch auf das Thema Rente angesprochen - und natürlich auf der Klimawandel.

Olaf Scholz habe einen großen Vertrauensbeweis erhalten, für die SPD gebe es eine klaren Auftrag, die Regierung zu führen, so Hartmann. Angesichts der aktuellen Situation sei eine „Ampel“ mit Grünen und FDP angezeigt. Ein rot-schwarz-grünes Bündnis spielt seiner Ansicht nach keine Rolle, da die CDU signalisiert habe, vom zweiten Platz aus keine Regierung bilden zu wollen. „Die CDU muss man jetzt an ihren Worten messen.“ Hartmanns Bundestagsmandat hatte nicht in Frage gestanden, da er auf Platz 3 der Landesliste stand.

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