Zimmerern geht der Werkstoff ausHolzknappheit macht regionalen Betrieben zu schaffen

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Friedhelm Hommes

Friedhelm Hommes

Rhein-Sieg-Kreis – Friedhelm Hommes hält die letzte OSB-Platte fast ein bisschen andächtig fest. Die Wange für den Dachaufbau ist für den Zimmerermeister aus Rheinbach nicht nur das letzte Bauteil zu einer Wandverkleidung auf seiner Baustelle in Heppingen (Kreis Ahrweiler). Sie ist auch die letzte Grobspanplatte in seinem Bestand. „Dieser Tage bekomme ich noch ein Paket OSB-Platten. Ich habe es quasi vom Laster weg gekauft. Die Lieferzeit beträgt aktuell aber acht Wochen statt zwei Tage.“ Auf weitere Platten, die er vor sechs Wochen bestellt habe, müsse er bis Mitte Mai warten.

Der Mangel an OSB-Platten und ein sprunghafter Anstieg beim Holzpreis sorgen derzeit dafür, dass immer mehr Zimmerleute trotz voller Auftragsbücher an Kurzarbeit denken. In anderen Regionen geht es schon nicht mehr ohne. Der Markt an „KVH“ – das ist Konstruktionsvollholz und meistens Fichte – sei „von Chinesen und Amerikanern leer gekauft“, sagt Hommes.

Handelskrieg mit großem Ausmaß

Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher aus Meckenheim, zugleich Präsident der Tischler und Schreiner Deutschlands: „Der Handelskrieg zwischen den USA und Kanada zieht riesige Kreise und ergibt mit anderen Faktoren eine seltsame Gesamtmarktlage für die Bauwirtschaft.“ Laut Radermacher fahren viele Speditionen aus Osteuropa wegen der Pandemie nicht in Westeuropa. Es fehle an Transportkapazitäten. Der Preis für Überseecontainer, die in Südostasien gebraucht würden, sei von 2000 auf 12 000 Euro gestiegen, und nicht zuletzt die Havarie im Suezkanal habe den Ölpreis sowie Baustoffe teurer werden lassen.

Arbeiten mit dem letzten Holz: Friedhelm Hommes Söhne Mathias (l.) und Stefan.

Arbeiten mit dem letzten Holz: Friedhelm Hommes Söhne Mathias (l.) und Stefan.

Zimmerer wie Hommes baden es aus. Selbst sein Lieferant in Süddeutschland, bei dem er seit 20 Jahren das Konstruktionsholz beziehe, habe die Preise mehr als verdoppelt. „Dabei verkauft er absichtlich nicht nach China und in die USA. Aber er kann seinen Käufern ja keine Vorschriften machen“, so Hommes. Die Holzpreisexplosion hat für Hommes vor allem eine Ursache: „Wir produzieren Holz in Deutschland offenbar zu billig. Sonst würden es die Ausländer nicht kaufen.“ Sein Schwager, der nach Kanada ausgewandert sei, erlebe dort das gleiche Phänomen. Das vor Ort produzierte Holz bleibe durch Schädlingsbefall liegen: „Aber die Chinesen kaufen es auf.“ Radermacher weiß warum: Wegen anderer Vorschriften dürfe es in China zu Leimbindern verarbeitet werden, hier jedoch nicht.

Preisexplosion

Die Bauindustrie schlägt Alarm: „Der Konjunkturmotor Bau droht, durch explodierende Preise bei Baumaterialien und Lieferengpässe ins Stocken zu geraten“, sagt Beate Wiemann, die Hauptgeschäftsführerin des Unternehmerverbandes „Bauindustrie NRW“. Bei Holz, Dämmstoffen, Bitumen, Stahl und Blechen, aber auch bei Dachpappe und Schrauben, Kunststoffen, PVC sowie Farben und Lacken gebe es drastische Preissprünge.

Innerhalb eines Jahres hätten sich die Weltmarktpreise beim Holz verdreifacht. Für Kanalgrundrohre verdoppelte sich der Preis, Baustahl wurde seit Jahresbeginn 40 Prozent teurer Stabeisen für Beton legten um ein Viertel zu, Bitumen um ein Fünftel.

Die Prognose ist ungünstig: „Wir sehen in den nächsten Monaten leider keine Anzeichen für eine Entspannung. Zahlreiche Hersteller und Lieferanten haben bereits weitere Preissteigerungen angekündigt“, so Wiemann. Der Verband will zunehmend „Preisgleitklauseln“ in Verträgen nutzen. (mfr)

Derweil geht Hommes und seinen Kollegen das Material aus. „Einer von ihnen hat noch zwei Häuser bei sich liegen, also die Holzmenge dafür. Danach wird er trotz voller Auftragsbücher seine Leute wohl nach Hause schicken müssen.“

Kurzarbeit, so Radermacher, sei „ein Segen. Da beneidet uns die gesamte Welt drum. Denn niemand mag Fachkräfte entlassen.“ Allerdings verabscheut Radermacher die „Trittbrettfahrer“, die das Geld kassierten, aber die Belegschaft voll arbeiten ließen. „Wer aber Not hat, für den ist es ein geniales Instrument.“

Bauen ist nicht erst dieses Jahr teuer geworden. „Es liegt auch an den vielen Auflagen und Normen“, findet Hommes: „Wer versteht oder braucht eigentlich die Wärmeschutzberechnungen und Statiken, die Schallschutznachweise und all das in dem Umfang, wie es heute erstellt wird? Wir auf der Baustelle vielleicht nur zu einem Drittel.“ Manchmal fühlt sich der Zimmerermeister auch auf den Arm genommen. „Ein Jahr war ich auf der Schule und habe den ,Energieberater‘ gemacht. Danach hat man uns gesagt, wir dürften den Titel nicht benutzen, wenn wir im Beruf arbeiten, weil wir dann nicht unabhängig wären.“ Eine Investition aus der er keinen Gewinn ziehen könne.

Der Kunde muss sich in Geduld üben

Täglich bekommt Hommes zudem die Auswirkung der verminderten Betriebsamkeit während der Corona-Pandemie zu spüren: „Es fehlen Ersatzteile für Maschinen, weil Firmen kaum arbeiten. Ein Schusshammer liegt darum seit drei Wochen in der Ecke.“

Die Konsequenz für den Kunden: „Er muss warten. Wir können wegen der Vertragsmodalitäten nur auf seine Einsicht hoffen. In den Verträgen vom vorigen Jahr stehen noch Zahlen, deren Steigerung sich aber nun nicht mehr aufhalten lässt“, erklärt Hommes. „Das ist noch nie dagewesen. Tagespreise haben wir bislang nur bei Metall gekannt, nun gibt es sie beim Holz. Derzeit können wir uns höchstens 14 Tage an ein Angebot halten.“ So rät auch Radermacher, „bei allen Verträgen höllisch darauf zu achten, kurze Fristen zu vereinbaren“. Hommes hofft auf den Staat. „Wenn die Wirtschaft eine Delle bekommt, muss doch der Staat regulieren. Wir sind zwar ein Exportland, aber wir müssen auch darauf achten, dass wir für uns selbst genügend Rohware behalten.“ Hommes vertraut auf findige Köpfe, die sich damals etwa die Nasslager ausgedacht haben, um nach den Stürmen die gigantische Mengen an Bruchholz nicht gleichzeitig auf den Markt zu werfen und den Preis zu retten. Hommes: „Solch eine Idee brauchen wir auch jetzt.“ Doch Radermacher warnt vor „gefährlichem Dirigismus statt Marktwirtschaft“. Er sehe trotz der Intervention beim Bundeswirtschaftsminister keine Lösung. Beim Justizministerium sei angefragt, kurzfristig die Wirkung von Verträgen im Baugewerbe auszusetzen, zumal es im Bürgerlichen Gesetzbuch die Option gebe, völlig unwirtschaftliche Verträge aufzuheben: „Aber das ist eine hohe Hürde.“

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Im Zehn-Mann-Betrieb von Friedhelm Hommes ist Kurzarbeit glücklicherweise kein Thema. Das Holzbauteam sowie die Reparaturleute werden – wenn Fichtenholz und OSB-Platten fehlen – die Kollegen bei der Restaurierung von Fachwerkhäusern unterstützen. „In diesem Bereich wird meist mit Eichenholz gearbeitet“, erklärt Hommes. „Zum Einen ist das historisches Holz, das wir selbst ausgebaut haben, um es wiederzuverwenden. Zum Anderen ist der Preis beim Eichenholz sogar leicht rückläufig. Er liegt allerdings immer weit über dem von Fichtenholz.“

Der Zimmerer Holger Franzen aus Bornheim-Merten weiß indes noch nicht, ob er so glimpflich davonkommt. Der 48-Jährige, der seit 1987 im Betrieb ist, den er 2002 nach dem Tod des Vaters übernahm, macht sich ernste Sorgen. „Ich habe sechs Angestellte, und wir arbeiten hier wie in einer großen Familie. Noch geht es, aber ich weiß nicht, wie lange noch.“ Franzen spricht von einer „Katastrophe“. „Ich habe noch zwei Händler an der Hand, bei denen ich Holz vom Lager bekomme, allerdings nicht mehr auf Wunschmaß. Sonst muss ich acht Wochen warten.“ Viele Bauten seien über den Winter aufgeschoben worden. Und oftmals gebe es einen Preisvertrag. „Ich kann nur auf das Verständnis der Kunden hoffen. Ansonsten zahle ich drauf.“

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