Bonner LandgerichtMehrjährige Haft für Pflegevater wegen sexuellen Missbrauchs

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(Symbolbild)

Bonn/Bad Münstereifel – „Die Geschichte des Mädchens ist erschütternd. Ihr Zustand heute katastrophal“, so Wolfgang Schmitz-Justen, Vorsitzender der 2. Großen  Strafkammer des Bonner Landgerichts, am Dienstag bei der Verkündung des Urteils. Drei Stunden lang hatte sich das Gericht die Geschichte einer 15-jährigen Zeugin angehört, die seit ihrer Kindheit von ihren Eltern geschlagen und gedemütigt worden ist.

Doch als das Jugendamt sie und ihre vier Geschwister endlich aus dieser „Gewalthölle“ herausgeholt und die 15-Jährige mit ihrer kleinen Schwester bei Pflegeeltern in Bad Münstereifel ein neues Zuhause gefunden hatte, wurde sie  vom Pflegevater missbraucht. Das Bonner Landgericht hat den 48-jährigen Berufskraftfahrer  nun wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt – und damit ins Gefängnis geschickt.

Der Angeklagte jedoch hatte die Vorwürfe bis zum Schluss vor Gericht bestritten. Die Pflegetochter habe sich – ohne dass er ein Motiv dafür nennen konnte – an ihm rächen wollen, so seine Darstellung.

Freispruch gefordert

Sein Verteidiger hatte Freispruch gefordert. Aber die Kammer ist ebenso wie die Staatsanwältin von der Schuld des Pflegevaters überzeugt. „Ich weiß nicht, wie Sie mit der Lüge  weiter leben wollen“, so der Kammervorsitzende. Während der Aussage der heute 16-Jährigen saß der Angeklagte hinter ihr im Zuhörerraum, damit sie ihn nicht sehen musste. Er habe, so der Richter,  mit „Ruhe und Gefühlskälte“ zugehört. Dennoch war der Auftritt eine Tortur für die junge Frau, die sich seit dem Vorfall  zum Selbstschutz  in geschlossenen Kliniken aufhalten muss. Der sexuelle Angriff habe das ausgesprochen intelligente Mädchen, das unbedingt Abitur machen wollte, völlig aus der Bahn geworfen.

Über die vier Vorfälle hat sie detailliert berichtet. Auch von den Komplikationen, von ihrem Ekel, ihrer Verwirrtheit und den Ängsten, schon wieder ein Zuhause zu verlieren. Es war eine „Bilderbuch-Aussage“, so Schmitz-Justen: „Eine bessere, glaubhaftere Aussage gibt es selten.“  Sicher ist sich das Gericht auch, dass es für eine Falschaussage kein Motiv gibt. Denn trotz der Übergriffe hatte sie es zunächst abgelehnt, die Polizei einzuschalten, wozu ihr eingeweihte Klassenkameraden dringend geraten hatten. Erst als die Pflegemutter von dem Missbrauch durch ihren Mann erfuhr und drohte, sich das Leben zu nehmen, bekam sie Panik  und alarmierte ihre Freunde.

Als die Polizei am 27. Juli 2020 eintraf, war die 15-Jährige aus dem Badezimmerfenster des Wohnhauses gesprungen, wo sie sich zum Schutz eingesperrt hatte, und war weinend in die Arme einer Polizeibeamtin gelaufen.

„Wenn das Mädchen sich umbringt, sind Sie es schuld“, so der Kammervorsitzende zum Angeklagten. Denn bis zu den sexuellen Übergriffen, so hatten es alle bezeugt, sei sie „ein fröhliches Mädchen gewesen, trotz der jahrelangen Gewalterfahrung“. Dass er als Pflegevater, der um ihre traumatische Geschichte wusste, es dennoch missbraucht habe, sei „bodenlos.“

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