Ein Knall, und der Mühlensee bei Kommern lief leer: Ein defekter Schieber und die Fehleinschätzung zur Menge des Sediments machen Rettungsaktion für Fische notwendig.
Fische verendetDarum lief der Mühlensee bei Kommern viel schneller leer als geplant

Beim Ablassen des Wassers aus dem Mühlensee bei Kommern ist es zu einem Zwischenfall gekommen. Das Wasser floss ungedrosselt ab.
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Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der Wasserspiegel des Mühlensees zwischen Mechernich und Kommern war bereits abgesenkt. Die noch fehlenden 1,50 Meter wollte die Stadt Mechernich in Zusammenarbeit mit dem Erftverband kontrolliert ablassen. Der Grund: Der Erftverband will den Mühlensee zu einem Hochwasserrückhaltebecken umbauen.
Doch am Mittwochnachmittag zeigte sich: Es tut sich nichts. Der mittlere von drei Schiebern, die das Wasser abfließen lassen sollen, ließ sich nicht öffnen. „Dann war guter Rat teuer“, berichtet Fachbereichsleiter Mario Dittmann von der Stadt Mechernich. Erste Überlegungen, wie man das Problem lösen könnte, führten schnell zum Technischen Hilfswerk (THW) – und schließlich zu einem spezialisierten Bergungstaucherteam aus Aachen.
Taucher des THW versuchten, den Schieber zu lösen
Das Ziel: Den Schieber unter Wasser freizulegen und wieder gangbar zu machen – in der Hoffnung, auf das aufwendige Abpumpen verzichten zu können. Gegen 17 Uhr rückte das Team an. Zunächst versuchte ein DLRG-Team, den Mechanismus von außen mithilfe eines Boots freizubekommen – vergeblich. Also begaben sich die Taucher ins Wasser. „Die Sicht war gleich null. Der mittlere Schieber war tief im Schlick versunken. Sie arbeiteten praktisch im Blindflug“, so Dittmann.
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Dennoch tasteten sie sich laut dem Fachbereichsleiter vor, räumten den Bereich per Hand frei und fanden schließlich eine Stelle, an der ein Haken samt Seilwinde befestigt werden konnte. Die kam dann auch zum Einsatz – doch auch dieser Versuch blieb erfolglos, weil die Seilwinde bei 1,6 Tonnen Zuggewicht abriegelte.

Der leere Mühlensee zwischen Kommern und Mechernich war am Donnerstag auch ein Publikumsmagnet. Immer wieder kamen Menschen und schauten sich den See an.
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Diesen imposanten Wels und zahlreiche weitere Fische konnten Aaron Theis und seine Kollegen von der Fischereigemeinschaft Mechernich-Schleiden aus dem Mühlensee retten.
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Ein Teil der Fische ist im Sediment des Mühlensees verendet.
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Um 19.30 Uhr war der erste Einsatz beendet – scheinbar ohne Erfolg. „Beim anschließenden Gespräch mit den Tauchern fiel dann jedoch ein entscheidender Hinweis: Einer der Taucher hatte gespürt, dass ein Stein den Schieber blockieren könnte“, so Dittmann.
Also gingen die Spezialisten des THW noch einmal ins Wasser – ein letzter Versuch für diesen Tag. Die THW-Kollegen mit der Seilwinde, die bereits auf dem Heimweg nach Euskirchen waren, wurden zurückbeordert. Die Winde wurde erneut angesetzt – und zeigte Wirkung. Der Weg fürs Wasser wurde frei. Das Ziel war erreicht, allerdings anders als geplant – und mit unerwarteten Folgen.
Mit einem lauten Knall ist der Schieber abgerissen.
„Mit einem lauten Knall ist der Schieber abgerissen“, berichtet Dittmann: „Das Wasser floss daraufhin ungedrosselt ab.“ Die Annahme, so der Fachbereichsleiter, sei gewesen, dass sich im See ein natürlicher Restwasserbereich erhalten würde – wie es auch die Sedimentbeprobung hatte erwarten lassen. Aus diesem Wasser sollten dann die Fische vom Fischereiverein kontrolliert herausgeholt und in umliegende Teiche umgesiedelt werden. Weil nach dem Abriss des Schiebers alles – im wahrsten Sinne – im Fluss war, seien alle Teams am Mittwochabend abgerückt.
Am frühen Donnerstagmorgen kam der Anruf: Der See ist trocken, leer gelaufen. „Meine erste Reaktion war: Das kann nicht sein“, sagt Dittmann. Doch es stimmte. Bis auf ganz wenig Restwasser war der Mühlensee leer , so leer wie zuletzt 1985, als man ihn ausgebaggert hatte, um Sediment zu entfernen.
Ablagerungen am Grund des Sees 1,50 Meter höher als angenommen
Die Ablagerungen am Grund des Sees waren nun auch der Grund, warum der See komplett trocken gefallen ist. „Offenbar lag deutlich mehr Sediment im See als angenommen“, so Dittmann. „Dadurch bildete sich kein Restsee, der den Fischen ausreichend Lebensraum geboten hätte.“
Da sich der Grundablass – der letzte von drei Schiebern – etwa 1,50 Meter unter dem mittleren Schieber befindet, der nun kaputtgegangen ist, spricht Dittmann von genau dieser Menge an Sediment, die man nicht auf dem Schirm gehabt habe. „Es haben durch den Erftverband Messungen stattgefunden“, so der Fachbereichsleiter der Stadt Mechernich.
Sofort seien am Donnerstagmorgen alle Beteiligten mobilisiert worden. Die Befürchtung: massive Fischverluste. Doch die Lage war laut Dittmann weniger dramatisch als zunächst gedacht. „Viele Fische konnten gerettet werden – unter anderem durch den örtlichen Bauhof, den Anglerverein sowie den Wasserverband“, erklärt er.
Fische werden von Kommern bis Obergartzem gesucht, viele gerettet
Man habe den kompletten Bleibach vom Mühlensee bis nach Obergartzem abgesucht. In der Ortsmitte von Kommern verhinderte schließlich die dichte Vegetation, dass Fische weiter abdrifteten – eine Art natürliche Barriere. Die Retter fanden sowohl verendete als auch lebende Fische, darunter auch einen beeindruckenden Wels mit rund 20 Kilo Gewicht. Hinter dieser Barriere seien keine Fische mehr entdeckt worden, so der Fachbereichsleiter.
„Als wir am Donnerstagmorgen am See ankamen, kochten die Emotionen sehr hoch. Mittlerweile hat es sich beruhigt.“ Dass es am Mühlensee aktuell eher nach Hafenkante oder Nordsee rieche, liege nicht am zu schnellen Trockenlaufen des Sees. Dafür seien die verendeten Fische noch zu frisch. Es sei der Schlamm auf dem Grund, der den üblen Geruch verursache. Man wolle versuchen, mit einem Schlauchboot über das Sediment zu fahren, um die toten Fische einzusammeln. Durch den Schlamm zu waten, sei aktuell nicht möglich – er ist zu nass, zu sumpfig.
Mehrere Spießbütten mit Karpfen und anderen Arten konnten laut Dittmann rechtzeitig gerettet und durch zahlreiche Fahrten mit dem Transporter umgesiedelt werden. Auch Thomas Hambach, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters und Erster Beigeordneter der Stadt Mechernich, war am Donnerstagmorgen vor Ort. „Wir werden das Ganze aufarbeiten und in die Fehleranalyse gehen“, sagte er. „Nach jetzigem Stand sieht es aber nach einer Verkettung unglücklicher Umstände aus.“
Das Vorhaben am Kommerner Mühlensee
Durch den Umbau des Mühlensees zu einem Hochwasserrückhaltebecken soll der Bleibach entlastet werden. Dass der See trocken gelaufen ist, war geplant. Dass es so schnell passiert aber nicht. Ende des Jahres sollen die eigentlich Umbauarbeiten nach Angaben des Erftverbands, der schon seit Jahren mithilfe des Sees für mehr Hochwasserschutz sorgen will, beginnen. Die Bauarbeiten sollen bis Ende des Jahres 2026 dauern. Wie teuer der Umbau des Mühlensees werden wird, steht laut Erftverband noch nicht fest.