TierschutzHappy End für ein Hochzeitsgeschenk in der Eifel

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Manchmal steckt Hausschwein Amelie seine vorwitzige Nase in Sachen, die es gar nichts angehen – zum Beispiel ins Blumenbeet.

Manchmal steckt Hausschwein Amelie seine vorwitzige Nase in Sachen, die es gar nichts angehen – zum Beispiel ins Blumenbeet.

Üxheim – Amelie geht es saugut. Mal räkelt sie sich auf ihrer Matratze im Wohnzimmer, mal gönnt sie sich schnarchend ein Nickerchen im Strohbett bei „Batman“ und „Superman“. Toben oder schmusen mit „Bärbelchen“ steht genauso auf ihrem Tagesplan wie das unerlaubte Umgraben des Blumenbeets. Dabei sollte das Leben der rosigen Dame einen ganz anderen Weg nehmen.

Im Alter von vier Wochen und mit gerade mal zehn Kilogramm auf den Rippen wechselte sie als Hochzeitsgeschenk inklusive Schlachtgutschein den Besitzer. Das Brautpaar, nicht sonderlich begeistert von dieser Überraschung, entschied sich gegen den Spanferkelbraten und suchte für das kleine Schweinchen eine neue Bleibe. „Lebende Tiere verschenken geht gar nicht“, findet Dagmar Gißler, bei der Amelie schließlich ein neues Zuhause fand. Auf dem Hof der Kölnerin, die vor fünf Jahren ihren Wohnsitz in die Eifel verlegte, fand das Hausschwein schnell Anschluss zu den übrigen Mitbewohnern.

Zwei Hängebauchschweine, drei Minischweine, drei Wildschweine, neun Schafe, zwei Katzen, fünf Hunde und ein Steinmarder leben derzeit auf dem Umwelthof, den Gißler mit ihrem Lebensgefährten Sammy Niemeyer betreibt. „Neue Tiere werden hier von allen gleichermaßen akzeptiert“, erklärt Gißler, die Landwirtschaft studiert hat und als tiermedizinische Fachkraft ausgebildet ist.

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Ihr Studium hat sie nicht beendet: „1995 habe ich in einem Schweinemastbetrieb ein Praktikum gemacht“, erinnert sich die 45-Jährige an das einschneidende Erlebnis. „Danach war mir klar, dass ich einer kleinen Anzahl von Tieren so ein Leben ersparen und einen positiven Fußabdruck hinterlassen möchte.“

Ein Tier wie Amelie aufzunehmen, passt genau ins Konzept. „Schweine sind hochsoziale Tiere, die feste Strukturen brauchen. Als Haustier sind sie wunderbar geeignet. Sie sind von Haus aus stubenrein und verlieren keine Haare.“

Gerade ist Amelie dabei, mit den Heidschnucken Jean und Luc, die aufgrund ihres Übermuts mittlerweile Batman und Superman heißen, speziell für den Umwelthof produziertes Futter zu fressen. Bärbel, eine einjährige Hundedame, ist ebenfalls mit von der Partie, wenn es darum geht, die Nasen zusammenzustecken.

„Amelie und Bärbel sind unzertrennlich“, erzählt Gißler. „Amelie kam mit einer Bronchitis zu uns. Bärbel ist nicht von ihrer Seite gewichen, bis es ihr besser ging“, erinnert sich Gißler an die erste Zeit mit dem neuen Familienzuwachs. Später, als Bärbel malad war, übernahm Amelie die Rolle der „Krankenschwester“. Nur das Toben wird mit der mittlerweile 100 Kilogramm schweren Amelie schwierig. „Bremsen ist nicht Amelies Stärke, das vergisst Bärbel manchmal.“

Obwohl es natürlich Regeln gibt auf dem Umwelthof, sind die Tiere frei in ihren Entscheidungen, was sie machen wollen. Rein oder raus, schlafen, spielen oder fressen – auf dem acht Hektar großen Gelände gibt es für jeden das passende Angebot. Nur das Blumenbeet, das Amelie mit ihrer neugierigen Nase durchwühlt hat, bekommt jetzt einen Zaun. Auch das Heulager von Steinmarder „Nissan“, der als Jungtier vom Dach eines Autohauses fiel und nun ebenfalls bei Gißler und Niemeyer lebt, wurde zwischenzeitlich durch eine Absperrung gesichert.

Eine Maßnahme, die Amelie nicht billigen wollte. „Mittlerweile hat Amelie ein Strohbett neben Nissans Zuhause, und die beiden sind Nachbarn“, schmunzelt Gißler über die Dickköpfigkeit der Schweinedame. Doch die Zukunft sieht nicht nur rosig aus. Derzeit gibt es auf dem Hof keine weiteren Kapazitäten, Tiere aufzunehmen.

„Amelie wird noch größer und schwerer werden. Schon jetzt frisst sie die Hälfte von dem, was die anderen acht Schweine fressen“, blickt Gißler besorgt auf die steigenden Kosten. „Da ich immer wieder auf Patenschaften für die Tiere angesprochen wurde, haben wir den Verein Hofzeit gegründet.“

Trotz der Verantwortung, die ein großes finanzielles Risiko birgt und ihr neben der normalen Berufstätigkeit eine Siebentagewoche abverlangt, stellt Gißler ihre Entscheidung nicht infrage. „Ich lebe genau so, wie ich leben möchte. Das macht mich glücklich.“

Der Verein Hofzeit

Der Verein Hofzeit setzt sich neben artgerechter Tierhaltung für weitere Bereiche des Umweltschutzes ein. Dazu gehören Wildbienen- und Erdhummelzucht, speziell insektenorientiert bepflanzte Weiden oder ganzjährige Fütterung seltener Wildvögel.

Mit Erlebnistagen auf dem Hof, die sich an Einzelreisende, private Gruppen und Schulklassen richten, engagieren sich die Mitglieder für die Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Umwelt-, Natur- und Tierschutz. Für die neun Schafe, neun Schweine, Bienen und Hummeln können Teil- oder Vollpatenschaft übernommen werden.

Alle Spenden und Beiträge werden hundertprozentig für den Hof verwendet. Dazu zählen Heurundballen für die Schafe, Strohrundballen für Schafe und Schweine als Einstreu, spezielle Futtermischungen für Schafe und Schweine, Medikamente, regelmäßige Klauenpflege, Entwurmungen, Gemüse, Obst und Reparaturen beziehungsweise Ausbau von Ställen und Weiden.

Die Paten für Insekten unterstützen den Verein beim Bau der Insektenhotels, speziellem Saatgut für die Wiesenflächen und neuen Zuchtvölkern. (dgr)

www.hofzeit.com

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