Heimat-CheckLeben nah an der Braunkohle in Nieder- und Oberaußem

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Kraftwerk Niederaußem

Nieder-/Oberaußem – Die Geschichte der Kohlenförderung und Nutzung ist schon rund 100 Jahre alt. Dominant wurde die Braunkohlenwirtschaft in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Vieles ist schon gekommen und gegangen, einiges bis heute geblieben.

Die Tagebau ringsum sind rekultiviert, der Ort Fortuna, 1899 gegründet, wurde schon gut 80 Jahre später samt dem dortigen Kraftwerk pulverisiert, die Bewohner siedelten nach Oberaußem um. Mitgebracht haben sie den Turmhelm der Pfarrkirche, der seitdem neben dem Turm der Vinzentius-Kirche steht.

Kohle steht nicht nur für Staub und Geräusche

Im Oberaußemer Norden, wo viele Fortunesen eine neue Heimat fanden, erinnert zudem die Barbara-Kapelle an die Geschichte. Geblieben ist die Brikettfabrik Fortuna-Nord und natürlich das optisch beherrschende Kraftwerk. Umringt sind beide Orte zudem von der Kohlenbahn. All das ficht die Einwohner nicht an. Sie haben erkannt, dass die Kohle nicht nur Staub und gelegentlich Geräusche produziert, sondern auch für Aufschwung, Wohlstand und Lebensqualität steht.

„Wir kennen das nicht anders. Das ist unsere Heimat“

„Wir kennen das nicht anders. Das ist unsere Heimat“, sagt Hans-Josef Weck, Ortsbürgermeister von Oberaußem und RWE-Ruheständler. Früher war in fast jeder Familie ein Mitglied beim Energieriesen in Lohn und Brot. Das ist zwar heute nicht mehr so, aber die Bewohner sehen täglich nicht nur die Rauchschwaden aus den Kühltürmen aufsteigen, sondern wissen auch die Haben-Seite der Bilanz zu würdigen.

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So war Niederaußem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der reichsten Gemeinden Deutschlands. Es wurde ein Schwimmbad gebaut, eine Tennishalle mit Festsaal entstand und neue Schulen wurden errichtet. Beide Orte, besonders das kleinere Niederaußem, wuchsen enorm an. Auch die örtlichen Geschäfte florieren dank der Umsätze durch Mitarbeiter in Kraftwerken und Tagebauen.

Geschichte Nieder- und Oberaußems

Steinzeitliche Funde

Die Geschichte beider Orte geht auf die Zeitenwende zurück, obwohl es im ehemaligen Bethlehemer Wald gar 4000 Jahre ältere steinzeitliche Grabfunde gab. Vermutlich um 50 vor Christus wurde eine römische Wasserleitung gebaut, die am Bohnenbach entlang verlief. Auch der Fronhof Holtrop, im neunten Jahrhundert zur Burg, im 18. zum Barockschloss umgebaut und 1958 dem Tagebau geopfert, stammt aus der Zeit.

Der inzwischen kanalisierte Bach markiert bis heute die Ortsgrenze. Erwähnt wird ein „Ouleshem“ (Außem) erstmals im Jahr 962.

Napoleon zu Gast

In Oberaußem war vor über 200 Jahren gar Napoleon zu Gast, als er seine Offiziere im Fleurshof an der Straße „In der Mitte“ besuchte. 1899 wurde die Siedlung Fortuna gegründet, die in den 70er-Jahren nach Oberaußem umgesiedelt wurde. Das Kraftwerk Fortuna wurde 1988 abgebrochen. Niederaußem erhielt 1904 einen Bahnanschluss. 1961 begann der Bau des Kraftwerks. 2002 wurde der letzte Block errichtet. 2008 wurde zwischen den beiden einstmals eigenständigen Gemeinden, die seit 1975 zu Bergheim gehören, ein ständig wachsendes Nahversorgungszentrum errichtet. (ftz)

Die bis heute andauernde Expansion führt dazu, dass beide Orte mehr und mehr zusammenwachsen. Der neue Teil Niederaußems erstreckt sich schon seit Jahrzehnten östlich der alten Bahnlinie und der Bundesstraße, die die Alte Landstraße längst ersetzt hat. Nach dem Krieg war die Niederaußemer Einwohnerzahl gerade mal vierstellig.

Jetzt hat sich die Zahl versechsfacht. Neue Wohngebiete sind in jüngster Zeit unter anderem im Niederaußemer Osten entstanden. Auch in Oberaußem an der alten Gärtnerei waren die Baugrundstücke schnell ausverkauft. In der eleganten Siedlung wohnen auch mehrere Rückkehrer, die die Jugend in Oberaußem verbracht haben und den Ort für die Berufsausbildung verlassen hatten.

Im Euel entstand vor elf Jahren eine Nahversorgungszentrum für beide Orte, das seitdem ständig wächst. Auch gut nachgefragte Seniorenwohnungen wurden und werden dort gebaut. Ein Seniorenzentrum auf dem Oberaußemer Sandberg sorgt mit Wohnungen für abgestufte Betreuungsformen unter anderem in der grundsanierten alten Schule und am Euel dafür, dass auch betagte Einwohner in ihrem Heimatort bleiben können.

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