„Am 11.11. Nachdenklichkeit zeigen“Kuckelkorn und Reker appellieren an Kölner Bürger

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PK 11.11.

vl. Christoph Kuckelkorn, Henriette Reker bei der Pressekonferenz am Dienstag im Kölner Rathaus

Köln – Zwischen  Vergangenheit und Gegenwart liegen vielleicht 30 Meter. Direkt gegenüber dem Kölner Rathaus lädt das Unternehmen „Time Ride“ zur virtuellen Reise ins alte Köln ein. Die Besucher sitzen dabei in einer historischen Straßenbahn. Im Rathaus stehen derweil Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn in gebührendem Abstand Seite an Seite, um die Vergangenheit ruhen zu lassen. Zumindest am 11. November, dem Tag der traditionellen Eröffnung der Karnevalssession.

„Wir wollen uns erinnern wie es früher war, es wird still und ruhig, wir wollen Nachdenklichkeit zeigen“, formuliert Kuckelkorn das Credo zum Auftakt einer Session unter Corona-Bedingungen. Es mag sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung alle Gedanken an Karnevalsfeierlichkeiten in Zeiten der Krise längst ad acta gelegt hat, ganz sicher sind sich die Verantwortlichen in Köln aber nicht. Deshalb wird in der ganzen Stadt am Elften im Elften ein Alkoholverbot gelten. Kioske und Supermärkte dürfen keinen Alkohol verkaufen, auf den Straßen und Plätzen darf kein Alkohol getrunken werden. „Wir wollen auch weiter als Hochburg des Karnevals bekannt bleiben und nicht als Hochburg der Corona-Infektionszahlen“, appelliert Reker und ergänzt: „Feiert auch nicht zu Hause. Reduziert die Kontakte“.

Eventuell weitere Restriktionen

Die Stadtspitze ist sich bewusst, dass die beschlossenen Maßnahmen schon heute nach der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin überflüssig sein könnten. „Vielleicht gibt es bis zum Sessionsbeginn weitere Restriktionen, die wir heute noch nicht kennen“, weiß Reker. Vorsichtshalber haben Stadt und Karnevalisten eine Imagekampagne erstellen lassen, die von nun an in Bahnhöfen, auf digitalen Werbetafeln und Plakatwänden in Köln und der Region zu sehen sein wird. In Zeiten digitaler Netzwerke trägt die Kampagne den Hashtag „#diesmalnicht“. Die Rheinländer an sich gelten als kontaktfreudige Menschen, was sie vor allem an lokalen Feiertagen wie dem Start der Karnevalssession demonstrieren.

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Am „Runden Tisch“, der alle paar Wochen im Rathaus tagt, um die Karnevalsfeierlichkeiten in dieser Stadt zu steuern, haben die Gastronomen bereits erkennen lassen, die Stadt beim pandemiebedingten Feierverzicht zu unterstützen. Laut Stadt wollen 30 Prozent der Wirte  in der Altstadt und im Studentenviertel rund um die Zülpicher Straße an diesem Tag gar nicht erst öffnen. Andere lassen Gäste nur mit Reservierung rein. „Wir haben 400 Gespräche mit Kioskbetreibern und Einzelhändlern geführt. Die Reaktionen waren äußerst positiv“, resümiert Wolfgang Büscher, Chef des Kölner Ordnungsamts. Vorab hatten die Gastronomen in einem Offenen Brief zur Zurückhaltung gemahnt, denn sie befürchten eine erneute Schließung ihrer Lokale bei weiter steigenden Infektionszahlen.

Sammelbecken für Feierwillige

Normalerweise  ist Köln am Elften im Elften  das Sammelbecken für Feierwillige aus der ganzen Republik. Zuletzt musste die Stadt  mit erheblichem Aufwand Sicherheitszonen einrichten, Absperrgitter und Toilettenhäuschen aufstellen, um den Auswüchsen des Festes zu begegnen. Nun wird nichts dergleichen passieren. „Der 11. November wird ein Tag im Kalender wie jeder andere sein“, mahnt Reker zur Besonnenheit.

Den Totalverzicht auf das Brauchtumsfest haben die Verantwortlichen der rheinischen Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf, Aachen und Bonn gemeinsam abgelehnt. Der Karneval lasse sich nicht absagen, lautete die Botschaft des Kölner Festkomitees. So wie Weihnachten auch nicht.  Erst am Montag haben sie in Köln ihr neues Dreigestirn präsentiert, so wie jedes Jahr, obwohl die Zahl der Auftritte sehr begrenzt sein wird.    Normalerweise  hat das Dreigestirn am Elften im Elften auf dem Heumarkt  seinen ersten großen Auftritt.

Dieses Jahr sind alle öffentlichen Feiern abgesagt worden. Zumindest für das Fernsehen soll hinter verschlossenen Türen die Illusion von Normalität aufrecht erhalten werden. In einer alten Industriehalle des Festkomitees, wo sonst die Persiflagewagen für den Rosenmontagszug gebaut werden, wird für das WDR-Fernsehen eine Live-Sendung produziert. Zwischen 10.45 Uhr und 16 Uhr werden am 11. November  25 Bands und Künstler werden auftreten, das alles unter strengen Corona-Auflagen. Es werden wechselweise zwei Bühnen bespielt, damit sich die Musiker und ihre Crews beim Auf- und Abbau nicht ins Gehege kommen. Auch hier gilt: gesungen wird nicht. Alle Bands präsentieren ihre Lieder im Vollplayback. Zuschauer sind nicht zugelassen.

Kölner Lebensgefühl besingen

Als Kölnerin weiß Oberbürgermeisterin Henriette Reker, was die Menschen sonst an Tagen wie diesen in die Kneipen und auf die Plätze zieht. „Wir besingen sonst das Kölner Lebensgefühl und sind stolz darauf, zesamme ze stonn. Auf dieses Wir-Gefühl setzen wir dieses Jahr ganz besonders“, legt Reker allen Menschen nahe, die immer noch mit dem Gedanken spielen, am 11. November nach Köln zu fahren, um zu sehen, was es zu feiern gibt. „Der Zusammenhalt kann nur darin bestehen, Kontakte zu vermeiden. Dieses Mal wird nicht gesungen, getanzt und geschunkelt“, sagt sie.

„Am 11.11. feiere ich nicht“ steht unter dem Konterfei von Schauspielerin Janine Kunze. Sie ist einer Menschen, die der Kölner Anti-Karnevals-Kampagne ihr Gesicht geben. „Es sind schwierige Zeiten, die uns an die Grenzen bringen. Als kölsches Mädcher appelliere ich an die Vernunft der Menschen“, sagt sie. Auch Musiker und Wirte sind auf den Plakaten zu sehen.

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Die Zeitreise, zu der man am Alter Markt aufbrechen kann, führt in die Jahrzehnte, die der Sänger Willi Ostermann erlebt und auf seine Weise geprägt hat. Seine melancholische Hymne „Heimweh noh Kölle“ soll der „rote Faden“ der Fernsehübertragung beim Festkomitee werden. Die Musiker von Kasalla werden die Übertragung mit ihrer Nummer „Mer sin eins“ eröffnen, um 11.11 Uhr werden die Räuber ihr Trömmelche erklingen lassen. „Es wird nicht vergleichbar mit der Feier auf dem Heumarkt. Die Menschen sollen sich an den Fastelovend erinnern“, sagt Ralf Schlegelmilch, Präsident der Willi-Ostermann-Gesellschaft.

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