„Beschämend“Gebauer kritisiert Anmeldeverfahren an Kölner Schulen scharf

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Eine Schülerin demonstriert in Köln gegen die „Schulplatz-Lotterie“ 

Köln – Das Desaster um die Schulplatzvergabe in Köln beschäftigte am Mittwoch auch den Landtag. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) kritisierte im Schulausschuss mit scharfen Worten die Stadt mit Blick auf die Kölner Notsituation: Es fehlen etliche Schulplätze, besonders an Gymnasien und Gesamtschulen, wo rund 1000 Kinder abgelehnt wurden. Sie schlägt vor, die Stadt könne künftig eventuell Nachbarkommunen als Nothilfe ins Boot zu holen, falls diese freie Kapazitäten haben.

Gebauer: „Desaströses Kölner Schulplatz-Geschachere“

Die diesjährige Schulplatzvergabe mit Mehrfachanmeldungen und immer neuen Mehrklassen bezeichnete Gebauer als hoch problematische Instrumente: „Es ist in meinen Augen beschämend, dass mit diesem desaströsen Kölner Schulplatz-Geschachere der Eindruck vermittelt wird, dass die Kinder weder an der einen noch an der anderen Schule willkommen sind.“ Die Lage gebe es „in dem Ausmaß nur in Köln“, sagte die Ministerin. „Mir tun die Schülerinnen und Schüler der jetzigen vierten Klassen leid, die nun in großer Zahl mit Ablehnungen konfrontiert sind.“

Zahlen und Verfahren

Das Verfahren der Schulplatzvergabe geht jetzt in die zweite Runde und läuft vom 31. März bis 4. April. Die Stadt hat gestern die noch freien Schulplatzangebote auf die Homepage gestellt, auf die sich Eltern für ihre noch nicht mit einem Platz am Gymnasium versorgten Kinder auch mehrfach bewerben können. Der Versand der Bescheide erfolgt ab dem 19. April. Bei einer Zusage gibt es bis 27. April die Möglichkeit, den angebotenen Schulplatz anzunehmen.

An den folgenden Gymnasien stehen Plätze zur Verfügung:

Hansa-Gymnasium, Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, Gymnasium Rodenkirchen, Gymnasium Aachener Straße, Apostelgymnasium, Georg-Büchner-Gymnasium, Gymnasium Zusestraße, Stadtgymnasium Porz, Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium.

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Mehrklassen seien von der Bezirksregierung für Köln genehmigt, zwei weitere Mehrklassen seien von privaten Schulträgern zugesagt, heißt es aus dem Schulministerium. Dieses habe „vor allem auch wegen das Fachraummangels erhebliche Zweifel daran“, dass eine darüber hinausgehende Zahl in diesem Jahr gebildet werden könne.

Wegen der Umstellung auf G9 und weiter steigende Schülerzahlen werden die Herausforderungen für den Schulbau in der wachsenden Stadt Köln weiter steigen. 2026/27 bleiben erstmals der erste G9-Jahrgang ein Jahr länger in der Schule und über 4000 Kinder kommen in die fünften Klassen. (MW)

Ursächlich für die Misere seien „zuvorderst der eklatante Schulplatzmangel“. Zudem habe das „entgegen der Landesregelungen gewählte Anmeldeverfahren“ zu sehr vielen Anmeldungen geführt. Die Stadt betont, dass sie auf die landesschulgesetzliche Möglichkeit zu Mehrfachanmeldungen hinwies, um Chancengleichheit für alle Eltern zu gewährleisten.

Schulträger sind laut Gebauer zu einer Schulentwicklungsplanung verpflichtet, die Angebot und Nachfrage in Einklang bringt. „Dies hat in den letzten Jahren in der Stadt Köln ganz offensichtlich nicht geklappt und rächt sich jetzt leider“, meint die FDP-Politikerin in der aktuellen Debatte im Schulausschuss des Landtags, die die SPD initiierte.

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Schülerinnen und Schüler demonstrieren gegen die Schulplatz-Lotterie

Nach erfolgten Erweiterungsmaßnahmen etwa durch Aufstockung der Klassengrößen sowie eine Mehrklassenbildung belaufe sich in Köln der Anmeldeüberhang auf über 100, für die aktuell kein Schulplatz da sei, heißt es aus dem Schulministerium. Die Stadt nennt andere Zahlen im laufenden Verfahren. Stand Montag spricht die Stadt von 329 freien Plätzen, denen noch 387 unversorgte Kinder gegenüberstehen, die noch nicht versorgten 58 Kinder würden über Mehrklassen versorgt. Dazu gibt es noch keine näheren Angaben.

Langfristig könne es als Weg aus dem Dilemma nur heißen „Bauen, bauen, bauen“, sind sich alle einig. Dabei müsse „vielleicht der Blick gegebenenfalls auch in das Umland gerichtet werden und auch das Thema Beschulungsverträge mit Nachbargemeinden in Erwägung gezogen werden“ , schlägt die Ministerin vor. Eine Verpflichtung ist dies nicht, die Stadt ist dafür zuständig, Möglichkeiten zu prüfen. Das Land biete sich als Vermittler an. Mehr regionale Verabredungen über die Stadtgrenzen hinaus hält auch Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, künftig grundsätzlich für sinnvoll. Er plädiert dafür, Mehrklassen in Zukunft bereits früher zu besprechen. Es müsse überlegt werden, wie gegebenenfalls das Schulgesetz mit einem Sonderparagrafen geändert werden könnte, um Mehrfachanmeldungen bei Notlagen wie in Köln zu vermeiden.

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Mehrklassen trügen nur kurzfristig zur Entschärfung der Lage bei, so Gebauer. In Köln allerdings wurden in den letzten Jahren vielfach Mehrklassen eingerichtet und Klassen vergrößert, die Kapazitätsgrenzen sind längst erreicht. Verantwortlich für die Genehmigung ist die Bezirksregierung. Wie viele Zusatzklassen noch nötig wären, ist noch offen.

Was Forderungen nach einer Änderung des NRW-Schulgesetzes angeht, um Mehrfachanmeldungen zu vermeiden, sollte dies in der nächsten Legislatur geprüft werden. „Aber wir können keine Lex Köln schaffen, die Entwicklungsplanung funktioniert in anderen Kommunen wie etwa Bonn gut“, sagt Franziska Müller-Rech, schulpolitische Sprecherin der Landes-FDP, nach der „fachlichen Debatte“.

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