„Catcallsofcologne“Kölnerin macht mit Kreide auf verbale Belästigung aufmerksam

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Friedlicher Protest: Maresa schreibt anzügliche Rufe mit Kreide auf den Boden, dort wo sie passiert sind. Am Breslauer Platz kommen die verbalen sexuellen Belästigungen aus dem Hauptbahnhof zusammen.

Köln – Während Maresa die ersten Buchstaben mit Kreide auf den Boden des Breslauer Platz hinter dem Hauptbahnhof schreibt, bleiben bereits die ersten Passanten stehen und schauen neugierig. Bunt leuchtet ihnen das Zitat: „Er schrie uns zu: ,Hey sexy!„ Einer anderen Frau fasste er in den Schritt“ entgegen. Darunter der Hashtag „Stoppt Belästigung“ und der Verweis auf Maresas Instagram-Kanal „catcallsofcologne“. Manchmal wird Maresa bei ihrer Arbeit angefeindet, das ist einer der Gründe, warum sie ihren vollen Namen nicht nennen möchte.

Catcalling

Der Begriff „Catcall“ bezeichnete laut Oxford Dictionary ursprünglich eine Art Pfeife oder ein Quietschinstrument, um Missbilligung in einem Theater auszudrücken. Wörtlich übersetzt heißt Catcalling eine Katze zu sich rufen.

In Deutschland ist Catcalling nicht strafbar, weil anzügliche Kommentare im Gegensatz zu Beleidigungen keinen eigenen Strafbestand darstellen. Laut Strafgesetzbuch besteht eine sexuelle Belästigung erst dann, wenn eine körperliche Berührung stattfindet. In Europa ist verbale Belästigung in Frankreich, Belgien, Portugal und den Niederlanden illegal. In Frankreich beispielsweise wird Catcalling seit 2018 mit bis zu 750 Euro geahndet.

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben und unter der Nummer 08000 116 016 zu erreichen. Für Männer gibt es das Hilfetelefon „Gewalt an Männern“ unter 0800 123 9900. (khe)

Die Reaktionen der Vorbeigehenden sind ganz unterschiedlich. Eine Gruppe junger Männer lacht. Hans-Jürgen Pütz dagegen bleibt stehen: „Das ist eine vernünftige Aktion. Wenn es solche Typen gibt, dann muss das angeprangert werden.“ Die 16-jährige Lena H. erzählt, dass ihr schon häufiger etwas hinterhergerufen wurde. Sie wusste allerdings nicht, dass das einen Namen hat. „Den Begriff ,Catcalling’ haben wir übernommen aus den USA. Das bedeutet, eine Katze zu sich rufen und kommt auch aus dem Theater, das waren damals die Buh-Rufe. Aber den Begriff kann man noch kritisieren, weil der sehr euphemistisch ist. Doch die Sprache wandelt sich und da bin ich zuversichtlich.“

Ein Sprachrohr sein

Maresa hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen denen „Catcalling“ widerfährt, ein Sprachrohr zu sein - hauptsächlich sind es Frauen. Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Wenn beispielsweise einer Frau der oben stehende Satz hinterhergerufen wurde, kann sie das an den Instagram-Kanal „catcallsofcologne“ schicken. Dazu schreibt sie, wo sich der Vorfall ereignet hat. Maresa sammelt die Geschichten und zieht mit ihrem Team los, um die verbale sexuelle Belästigung an dem Ort mit Kreide auf den Boden zu schreiben, an dem sie sich ereignet hat. Im Anschluss macht sie ein Foto und lädt es bei Instagram hoch. Auf diesem Wege, will sie so viele Menschen wie möglich erreichen: „Auf der Straße holen wir vielleicht auch ältere Generationen ab, die kein Instagram haben. Online sind ganz unterschiedliche Altersklassen vertreten.“

Das Gefühl: „Jetzt reicht’s“

Ein Beweggrund für den Start dieses Projekts war, dass der 28-Jährigen häufig selbst vulgäre oder anzügliche Kommentare auf der Straße hinterhergerufen wurden. „Es fing bei mir mit 13 Jahren an. Zumindest ist es mir ab da aktiv aufgefallen. Es kann nicht sein, dass Mädchen schon in so jungen Jahren sexualisiert und als Objekt gesehen werden. Ich bin jetzt 28 und das wird nicht weniger.“ Irgendwann habe sie das Gefühl gehabt: „Jetzt reichts. Bis hier hin und nicht weiter. Ich möchte jetzt irgendwas dagegen unternehmen.“ In dem Moment, in dem es passiert, sei man hilflos, sagt Maresa und betont, sie habe sich oft allein gelassen gefühlt. „Das ist auch die Resonanz, die ich aus den Nachrichten ziehe. Ganz häufig steht da drin: Niemand ist eingeschritten. Obwohl es alle mitbekommen haben.“ Maresa wünscht mehr Zivilcourage. „Ich verstehe, dass man sich selbst nicht in Unsicherheit oder Gefahr bringen möchte, aber man kann zum Beispiel andere Außenstehende miteinbeziehen.“

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Auf der Instagram-Seite zeigen sich die übelsten Beschimpfungen und teilweise auch Handgreiflichkeiten, die das Catcalling-Team angekreidet hat. Maresa hat irgendwann entschieden, die Wörter auf der Straße zu zensieren mit einem Sternchen im Wort, damit Kinder nicht direkt damit konfrontiert werden. Ganz ungefährlich ist das ankreiden nicht: Während Maresa in der Anfangszeit noch alleine unterwegs war, wurden ihr selbst währenddessen dumme Anmachsprüche zugerufen. Diese schrieb sie dann direkt mit auf. Inzwischen ist sie immer mit ihrem Team unterwegs, zu dem auch ein Mann gehört. Ein Catcalling-Team aus Deutschland wurde auch schon mit Bier überschüttet, ein anderes mit Tomaten beworfen.

Inspiriert für den Weg über Instagram wurde Maresa von Sophie Sandberg. Diese hat den Kanal „catcallsofnyc“, also New York City, bereits 2016 ins Leben gerufen. Bei einer Studienreise trafen sich die beiden Frauen. „Das war super schön. In dem Moment dachte ich: Das finde ich stark, das finde ich bedeutungsvoll. Es gibt den Betroffenen eine Stimme zurück und das ist auch unsere Intention.“

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