„Das ist scheinheilig“Scharfe Kritik an Dezernent Rau wegen drohender Fahrverbote

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Am Clevischen Ring gibt es die dickste Luft in Köln. Maßnahmen dagegen blieben bisher aus. Jetzt kommen Fahrverbote.

Am Clevischen Ring gibt es die dickste Luft in Köln. Maßnahmen dagegen blieben bisher aus. Jetzt kommen Fahrverbote.

Köln – Nun stehen sie konkret bevor: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Köln. Umweltdezernent Harald Rau hatte am Donnerstag die Ergebnisse eines Gutachtens vorgestellt, wonach die Stickoxidbelastung in der Stadt so stark ist, dass sie ohne Einschränkungen für Dieselfahrzeuge nicht in den Griff zu kriegen ist. Er prognostizierte noch für dieses Jahr Maßnahmen, die Autofahrer betreffen werden – bis hin zum Fahrverbot. Immerhin gehe es um die Gesundheit der Menschen.

Dabei erhob Rau schwere Vorwürfe gegen die Autoindustrie. Hersteller wie VW hätten mit krimineller Energie die Städte in diese Zwangslage gebracht. Auch mit der Bundesregierung ging er ins Gericht. Weil die bei der Einführung einer Blauen Plakette blockiere, wirft Rau ihr Unterlassung vor.

Handwerskammer übt scharfe Kritik

Gestern bekam er darauf ein Echo – und zwar ein nicht minder deutliches. „Das ist scheinheilig“, reagiert Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln auf Raus Einwand, es gehe um die Gesundheit. „Darum geht es schon seit 2010, als der Gesetzgeber die Grenzwerte verbindlich eingeführt hat.“ Aus dieser Bredouille will er auch Rau nicht entlassen, der erst seit rund anderthalb Jahren sein Amt in Köln bekleidet. „Er redet viel, aber er tut nichts“ beurteilt Weltrich Raus Amtszeit.

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In der Vergangenheit habe die Kammer immer wieder unter anderem gefordert, beispielsweise am Clevischen Ring schadstoffarme Busse einzusetzen, Lkw die Durchfahrt zu verbieten oder an die Schadstoffbelastung heranzugehen, die durch die benachbarte Autobahn, die Haushalte und die Industrie nahe Mülheim grundlegend schon da ist. „Doch es ist nichts passiert. Stattdessen wird jetzt das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, kritisiert Weltrich.

Arbeitgeber in Köln auch unzufrieden

Ganz nah bei Weltrich sind die Arbeitgeber in Köln. Als „im Ton völlig daneben“ bezeichnet deren Geschäftsführer Wolfgang Reß die Kritik Raus an der Industrie – und er kontert: „Es reicht eben nicht, den Autoverkehr unattraktiv zu machen. Man muss den Bürgern auch attraktive Alternativangebote machen.“ Auch die SPD zeigt sich „irritiert“ über Raus Äußerungen. Der verkehrspolitische Sprecher Andreas Pöttgen fordert den Dezernenten auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und zu handeln: „Es ist viel zu tun und vieles möglich.“ Pöttgen verweist auf vorhandene Maßnahmenkataloge, von denen aber nichts umgesetzt sei.

Milde erfährt Rau einzig von „seiner“ Partei, den Grünen. Fraktionsvorsitzende Kirsten Jahn: „Es geht um keine Verbotswende, sondern um eine Wende zu mehr Lebensqualität.“ Das Auto will sie dafür zurückdrängen und dem ÖPNV sowie dem Rad mehr Vorrang geben. Dabei setzt Jahn auf die Blaue Plakette, die aber immer noch nicht in Sicht ist. Bis die kommt, will sie sich mit „Querdenkern“ an einen Tisch setzten, um neue Möglichkeiten zur Einhaltung der Grenzwerte zu entdecken.

Der Bündnispartner CDU gibt sich zurückhaltend. Fraktionschef Bernd Petelkau will das Gutachten vorerst noch analysieren. Damit ist die FDP schon durch. „Wir lehnen Dieselfahrverbote ab, denn sie bedeuten eine Enteignung von Autofahrern, die sich nicht einfach ein neues Auto leisten können“, sagt Fraktionsvorsitzender Ralph Sterck. Er setzt auf Alternativmaßnahmen.

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