„Den Takt vorgeben“Kölner Fraktionschefin über die neue Rolle der Grünen im Rat

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Christiane Martin nach ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin.

  • Christiane Martin wurde vorige Woche zur neuen Vorsitzenden der grünen Ratsfraktion gewählt.
  • Ihre Ziele und Pläne hat sie uns im Interview verraten.

Die Grünen sind mit 26 Sitzen erstmals stärkste Kraft im Rat. Mit welchem Anspruch wollen Sie jetzt auftreten? Christiane Martin: Der Ausgang der Wahl zeigt, dass Verkehrswende und Klimaschutz für viele Menschen zentrale Themen sind. Sie wollen, dass es hier schneller vorangeht. Dafür wollen wir sorgen. Als stärkste Kraft im Stadtrat können wir den Takt vorgeben, und das werden wir auch tun.

Jahrzehnte lang waren die Grünen im Rat ein Juniorpartner. Jetzt stehen sie plötzlich im Fokus und müssen liefern. Was heißt das für Sie?

Wir gehen diese Aufgabe mit großem Respekt an. Wir sind uns bewusst, dass die Erwartungshaltung uns gegenüber riesig ist. Aber damit werden wir umgehen. Da bin ich angstfrei.

Alles zum Thema Henriette Reker

In der Fraktion sind 16 von 26 Mitgliedern zum ersten Mal im Stadtrat. Ist mangelnde Erfahrung ein Problem?

Nein. Viele der Neuen haben bereits politische Erfahrung als Vorsitzende oder Geschäftsführer grüner Fraktionen in Bezirksvertretungen und anderen Gremien. Da fängt man im Rat nicht bei Null an.

Mit wem wollen Sie regieren?

Ich wünsche mir ein möglichst breites Bündnis. Wir werden alle demokratischen Parteien zu Gesprächen einladen. Als Erstes natürlich die CDU, unseren bisherigen Partner. Dann die SPD, danach die kleineren Parteien.

Die Grüne Jugend fordert ein progressives Bündnis links der CDU, also mit der SPD…

Ich kann, ehrlich gesagt, nicht erkennen, wo die Kölner SPD in Sachen Klimaschutz und Verkehrswende besonders progressiv sein soll.

Sowohl mit der CDU als auch mit der SPD hätten die Grünen nur mit der Stimme der oder des OB eine Mehrheit im Rat. Was heißt das für Sie?

Zunächst kämpfen wir Grünen mit aller Kraft dafür, dass Henriette Reker die Stichwahl gewinnt. Dann sehen wir weiter. Man muss schauen, welche Form von Bündnis man am Ende eingeht – eine feste Koalition, eine Kooperation wie 2014 oder eine lockerere Zusammenarbeit. Das eine bietet mehr Verlässlichkeit, das andere mehr Beinfreiheit. Beides hat seine Reize.

Den Haushalt mit einer Stimme Mehrheit zu beschließen, wäre knapp. Wen würden Sie sich noch in einem Haushaltsbündnis wünschen?

Inhaltlich sehe ich die größten Schnittmengen mit Volt, den Klima Freunden und Gut.

Die CDU wäre in einem grün-schwarzen Bündnis der Juniorpartner. Wie gehen Sie damit um?

Wir werden unsere neue Rolle selbstbewusst annehmen und so ausfüllen, wie es uns zusteht. Aber ich werde auch auf alle zugehen, ich möchte für einen neuen Politikstil werben.

Zur Person

Christiane Martin stammt aus Freiberg (Sachsen), ihre Familie reiste zu DDR-Zeiten in den Westen aus. In Köln studierte sie Geografie mit Schwerpunkt Vegetation und Ökologie, heute arbeitet sie als selbstständige Journalistin, Texterin und Lektorin. Seit 2002 bei den Grünen, war sie seit  2007 in der Bezirksvertretung Ehrenfeld aktiv, seit  2009 als Fraktionsvorsitzende. 2015 arbeitete sie für das Wahlkampfteam von   Henriette Reker. Martin ist verheiratet, hat drei erwachsene Töchter und vier Enkel. Freizeit genießt sie in ihrem Kleingarten. (fu)

Ich wünsche mir eine sachorientierte Politik mit breiten Mehrheiten, bei der gute Ideen umgesetzt werden, auch wenn sie aus der Opposition kommen.

Wollen Sie den Ratsbeschluss zum FC-Ausbau im Grüngürtel rückgängig machen?

Natürlich möchten wir, dass die Gleueler Wiese nicht mit Kunstrasenplätzen bebaut wird. Aber eine Mehrheit im Rat hat dem FC dafür grünes Licht gegeben. Jetzt sehe ich zunächst die Gerichte am Zug. Inwieweit so ein Ratsbeschluss wieder aufgehoben werden kann und welche Folgen das hätte, muss man sorgfältig prüfen.

Ist der von CDU, SPD und FDP geforderte Bau eines Tunnels auf der Ost-West-Achse, den die Grünen ablehnen, für Sie jetzt vom Tisch? Wollen Sie die Machbarkeitsstudie stoppen?

Auch hier gilt: Solche Fragen muss man in Ruhe prüfen. In der Fraktion haben wir das noch nicht besprochen.

Bei Ihrer Kür im Juni haben Sie gesagt: Die Autos müssen raus aus der Stadt. Welche Maßnahmen gegen den Autoverkehr planen Sie jetzt: City-Maut, höhere Parkgebühren, autofreie Innenstadt? Wie radikal wollen Sie vorgehen?

So radikal wie nötig. (lacht). Nein, im Ernst, ich denke, wir dürfen beim Thema Klimaschutz keine Zeit verlieren. Um Veränderungen zu erreichen, braucht es einen gewissen Druck. Ich wünsche mir, dass wir als Erstes die Ehrenstraße und die Breite Straße autofrei machen.

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Weitere Bereiche in der Innenstadt und in den Veedeln werden folgen. An solchen Projekten wird sichtbar, worum es bei der Verkehrswende geht. Wir reduzieren ja nicht nur den Autoverkehr, wir schaffen damit auch mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität, sorgen für bessere Luft in der Stadt. Das nützt allen.

Viele beschweren sich, wenn sie nicht mehr mit dem Auto in die City fahren können.

Das wollen wir nicht verbieten. Aber wir möchten mehr autofreie Bereiche, mehr Verkehrsberuhigung, auch mal Tempo-20-Zonen. Im Gegenzug wollen wir Radfahren sicherer machen und Bus und Bahn massiv ausbauen.

Kritiker sagen, in Köln mache die Stadtverwaltung ohnehin, was sie wolle. Alles dauere ewig, und die Verwaltungsreform verlaufe im Sande.

Im Schulbau sind wir schon schneller geworden. Der Verkehrsbereich muss nun folgen. Hier brauchen wir mehr Verkehrsplaner oder müssen Verkehrsplanungen extern vergeben. Die Verwaltungsreform läuft und muss jetzt fortgeführt werden. Sie wird Früchte tragen.

Warum sollten Grünen-Wähler am Sonntag für Henriette Reker stimmen?

Sie hat eine glasklare Haltung gegen Rechts und hat sehr deutlich gemacht, dass Klimaschutz für sie nicht verhandelbar ist – siehe ihr Votum gegen den FC-Ausbau im Grüngürtel. Sie setzt sich konsequent für die Aufnahme von Geflüchteten in Köln ein und ist da sehr authentisch.

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