„Denn he hält mer zesamme“So feierten die Kölner den Rosenmontagszug 2020

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Prinz Christian vor dem Kölner Dom.

Auf der Severinstorburg greift der Zugleiter selbst zur Mundharmonika. Kurz vor der Eröffnung hat er sie von Bläck-Fööss-Urgestein Erry Stoklosa geschenkt bekommen, mit einer eigenen Gravur. Zu Beginn des ersten von ihm organisierten Rosenmontagszugs stimmt der Prinz von 2015 mit den Fööss das Veedelslied an.

Der Himmel weint, und auch Kirsch rollt das ein oder andere Tränchen über die Wange. „Wir haben sehr lange für diesen Zug gearbeitet“, sagt er, „das zu erleben, ist ein Geschenk.“ Es ist ein besonderer Moment zum Auftakt des Zuges, der nach dem stürmischen Vortag nur noch Rückenwind spürt.

Das Statement

Ganz vorne im Zoch vergießt auch der Dom Tränen, und zwar über das Attentat von Hanau. Den Motivwagen hat das Festkomitee in den letzten Tagen angefertigt, schon an Weiberfastnacht wurde die Idee entwickelt. „Uns Hätz schleiht för Hanau“ steht auf einem roten Herz. Das Festkomitee hat in den letzten Tagen mehrfach innegehalten und die Trauer über die Morde in den Shisha-Bars zum Ausdruck gebracht. Auch mit diesem Motiv zeigt der Karneval: Feiern und sich gegen den Hass wenden, das geht zusammen.

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Die Kilometermacher

12 000 Teilnehmer hat der Zoch, alle Fußgruppen und Musiker gehen die 7,5 Kilometer lange Strecke voller Elan. Auf der Severinstraße blockieren die Blauen Funken kurzzeitig den Zoch, eine liebevolle Erinnerung an die Gründung der Traditionsgesellschaft vor 150 Jahren. Viele Gruppen später folgt Peter Lohmar mit seinem Akkordeon, das er mit einem Regenüberwurf geschützt hat. Lohmar gehört zum 1. Kölner Akkordeonorchester und geht mit 30 anderen Musikern mit beim „Kölschen Huhadel“.

Die erste Stunde des Zugwegs war sehr nass und kalt. „Jetzt wird es besser“, sagt er auf der Schildergasse. Sein Instrument muss er nur fühlen, die Finger wissen, was sie spielen. Auch Petra Kramer von den Löstigen Paulanern hat sich längst ihrer Regensachen entledigt. „Die kamen schon auf der Severinstraße weg. Jetzt wird nur noch genossen.“

Die Persiflagewagen

Zugleiter Kirsch hat mit den Zeilen des Veedelslieds der Bläck Fööss ein verbindendes Element für den Zug gewählt. Ein simpler, aber sehr charmanter Gedanke. Das funktioniert. US-Präsident Donald Trump, der Grünen-Chef Robert Habeck und Oberbürgermeisterin Henriette Reker lassen sich hinter den kölschen Zeilen wie „Wie soll dat nur wigger jon?“ zusammenbinden. Trump zeigt als Horror-Clown die hässlichste Fratze („Es dat vorbei?“). Auch mit dem AfD-Wagen zeigt der Kölner Karneval, dass er klare Kante kann. Man habe die rechtsradikale Partei lange genug ignoriert, das gehe nun nicht mehr, sagt Kirsch. „Wir müssen aufpassen auf unser Land. Als Karnevalisten werden wir jetzt Stellung beziehen.“

Die Veedel

waren überall. Das Motto „Et Hätz schleiht im Veedel“ ist überall greifbar gewesen. 86 Vertreter ihrer Veedel durften für ihren Stadtteil mitgehen, das hat was von Olympischen Spielen in Kölle. Auch die Bezirksbürgermeister haben einen eigenen Wagen. Ein Festakt für die Veedelsvielfalt. Dass die Sonnekinder als Veedelsgruppe nun wenigstens am Montag ihre kreativen Motive zeigen durften, hat ihnen jeder Jeck von Herzen gegönnt.

Am Zochweg

Es war voll, sehr voll, so dass die obligatorischen Besuchermillion allseits akzeptiert werden dürfte. Damit war nach dem stürmischen Sonntag nicht unbedingt zu rechnen. Trotzdem: Vor allem in der Südstadt geriet die Fahrt für die Jecken und alle prominente Gäste zur reinen Triumphfahrt.

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