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„Der Vierte König“Vom geflüchteten Student zum Spitzenkoch in Köln

Lesezeit 4 Minuten
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Jaspreet Dhaliwal-Wilmes

  • Jaspreet Dhaliwal-Wilmes kocht Cuisine française in Köln mit indischem Touch.
  • Es ist eine Geschichte von Flucht und Hoffnung, von aufgehenden kulinarischen Sternen und vom Geschmack nach Tannenspitzen.
  • : „Ich habe in Scheunen und im Freien geschlafen. Ich hatte nichts außer dem Ziel, es bis Köln zu schaffen“, erzählt Jaspreet Dhaliwal-Wilmes.

Köln – Die Drei Könige, die zur Krippe in Bethlehem kamen, brachten Gold, Myrrhe und Weihrauch. Der Vierte König beschert kulinarische Erlebnisse. „Weil ich in Köln wohnte und Gewürze meiner indischen Heimat in die französische Küche brachte, hat Jean-Marie Dumaine mich scherzhaft Vierter König genannt“, erzählt Jaspreet Dhaliwal-Wilmes über seinen früheren Lehrmeister im Restaurant Vieux Sinzig an der Ahr. „Dort habe ich als Praktikant angefangen“, beginnt der Spitzenkoch bescheiden seine Geschichte.

Eine Geschichte von einem Elektrotechnikstudenten, der als junger, wegen seiner Religion bedrohter Sikh 1997 aus Indien auszog, um in der Fremde sein Glück zu suchen. In Köln eröffnete er – nach einigen Stationen bei Sterneköchen – 2017 sein etwas anderes, französisch-indisch inspiriertes Restaurant.

Namensschild mit vier stilisierten Kronen

„Der Vierte König“: Das Namensschild mit vier stilisierten Kronen hängt über dem Eingang am Gottesweg. Brasserie-Charme verbreitet die mintgrüne Jugendstiltheke im Gründerzeitbau, wo Dhaliwal-Wilmes beim Gebäck mit pürierten Tannenspitzen und getrockneten Granatapfelkernen im Karamellmantel von seinem harten Weg bis in die Haute Cuisine erzählt. In der Küche mischen sich die Aromen. Es duftet nach Kardamom und Koriander, Tamarinde und Bockshornklee. Tee aus ausgekochten Mangokernen zieht mit Zimt und Nelken, in dem später Birnen für das Old Monk-Eis pochiert werden.

20 Jahre zuvor kann Dhaliwal-Wilmes noch nicht ahnen, dass er einmal einer der besten Lehrlinge von Kräuterpapst Dumaine werden wird. Damals lebt er bei seinem Onkel in einer indischen Sikh-Familie. Es gibt Unruhen im Land. Auf Rat seiner Familie macht er sich auf die Reise über Moskau zu Freunden nach Kanada, um dort seinen Studienabschluss zu absolvieren. „Nachdem ich einem Kontaktmann in Moskau Geld und Papiere übergeben hatte, verschwand dieser aber auf Nimmerwiedersehen“, sagt Dhaliwal-Wilmes, der sich in Köln mit seiner kreativen Küche mit indischem Touch einen Namen machte. 

Fast fünf Jahre im „Capricorn i Aries“

Aus dem Flug nach Kanada wird nichts. Er muss umplanen. Sein Fluchtweg führt fünfeinhalb Monate zu Fuß und mit Schleppern bis nach Köln zu einem Onkel, der hier ein italienisches Restaurant betreibt. „Ich habe in Scheunen und im Freien geschlafen. Ich hatte nichts außer dem Ziel, es bis Köln zu schaffen.“ Er schafft es. In dem Lokal des Onkels in Ostheim beginnt er 1998 als Spülhilfe. Schnell kann er die Gerichte nachkochen, beweist großes Talent. Stammgäste des Verwandten, das Ehepaar Wilmes, stellen einen Kontakt zu Dumaine her, wo der junge Inder dann zwei Monate als Praktikant arbeitet.

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„Dumaine überredete mich, danach eine Ausbildung zu machen, obwohl ich noch kaum Deutsch sprach.“ Jaspreet, den Freunde einfach Preet nennen, erhält große Unterstützung – vom Kölner Ehepaar, das ihn später adoptiert, auch von Lehrern seines Berufskollegs. Der fleißige Azubi schließt als Zweitbester des Jahrgangs ab. Danach schließen sich Stationen als Koch in mehreren Sternrestaurants an, fast fünf Jahre bei Klaus Jaquemod („Capricorn i Aries“) in der Südstadt, danach bei Franz Hütter („Zur Tant“) in Porz und wieder bei Wildkräuter-Papst Dumaine an der Ahr. 

„Schmeckt gut, das Bettlerbrot.“

„Ich habe sehr viel bei ihnen gelernt. Neben der klassischen französischen Küche zum Beispiel, Wildkräuter kreativ einzusetzen – und nichts wegzuwerfen“, erklärt der 45-Jährige beim Rundgang durch seine Küche. Der mit einer IT-Fachfrau verheiratete Vater von zwei Kindern, acht und zwölf Jahre, verwendet sogar die Kerne von Pflaumen noch, um daraus Amaretto herzustellen.

Oder er backt in Rotwein eingelegte Baguette-Reste mit Rosinen ein zweites Mal. „Schmeckt gut, das Bettlerbrot.“ Besonders gern mögen die Gäste zum Beispiel den in hausgemachtem Curry gebeizten Lachs, mit Kartoffelschaum und Rucola-Öl aromatisch vollendet – als einziges der Gerichte von Beginn an auf der regelmäßig wechselnden Karte.

Frische und saisonale Produkte

„Ich habe gerade gepflückte Tannenspitzen mit Korn angesetzt“, sagt der Spitzenkoch und hebt dem Gast das Gefäß mit den Nadeln an die Nase. Der Likör verfeinert später mit vorweihnachtlicher Note den Senf zum Käse mit Guaven-Karamell. Kräuter sammelt er selbst – in der Stadt.

In den Porzer Rheinauen oder auf Brachen hinter dem Großmarkt hat er schon wilden Schnittlauch und Staudenknöterich entdeckt. Dhaliwal-Wilmes kauft frischeste saisonale Produkte selbst und gibt Gästen Auskunft zu seinen Gerichten: „Es macht mich glücklich, dass ich mein Wissen weitergeben kann und sich meine Küche verbreitet.“ 

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